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Bundessozialgericht
Beschl. v. 04.09.2015, Az.: B 9 SB 41/15 B
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 04.09.2015
Referenz: JurionRS 2015, 29325
Aktenzeichen: B 9 SB 41/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Baden-Württemberg - 26.02.2015 - AZ: L 6 VG 1832/12

BSG, 04.09.2015 - B 9 SB 41/15 B

in dem Rechtsstreit

Az: B 9 V 20/15 B

L 6 VG 1832/12 (LSG Baden-Württemberg)

S 6 VG 3115/06 (SG Konstanz)

...............................................,

Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: ...............................................,

gegen

Land Niedersachsen,

vertreten durch das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie,

Domhof 1, 31134 Hildesheim,

Beklagter und Beschwerdegegner.

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat am 4. September 2015 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richterin Dr. R o o s und den Richter O t h m e r

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Februar 2015 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin S aus B beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

I

1

Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 26.2.2015 einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 1 OEG verneint, weil die anspruchsbegründenden Tatsachen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne dieser Vorschrift nicht nachgewiesen seien. Dieses Urteil ist der die Klägerin vor dem LSG vertretenden Prozessbevollmächtigten am 13.3.2015 zugestellt worden. Die Beschwerde der Klägerin vom 9.4.2015 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG, für die sie auch Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung der sie vertretenden Rechtsanwältin beantragt, ist am 12.4.2015 beim BSG eingegangen. Auf den entsprechenden Antrag der Prozessbevollmächtigen der Klägerin vom 12.5.2015 hat der Senatsvorsitzende die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde antragsgemäß bis zum 15.6.2015 (Montag) einschließlich verlängert. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vom 14.6.2015 ist ausweislich des Telefax am 16.6.2015 um 0.00 Uhr im Umfang von lediglich drei Seiten (ohne Unterschrift) beim BSG eingegangen. Die vollständig unterschriebene Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (acht Seiten) ist hingegen erst am 16.6.2015 um 0.05 Uhr beim BSG eingegangen. Hierauf ist die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Verfügung des Berichterstatters vom 22.6.2015 und der Erinnerung vom 23.7.2015 hingewiesen und um Stellungnahme gebeten worden nebst der Angabe von Gründen für eine Wiedereinsetzung. Hierauf ist keine Erwiderung erfolgt.

II

2

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der einmal um einen Monat verlängerten gesetzlichen Frist von zwei Monaten nach Zustellung des Berufungsurteils begründet worden (§ 160a Abs 2 S 1 und 2 SGG). Der Klägerin ist auch nicht von Amts wegen Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren.

3

Zwar ist eine Wiedereinsetzung in die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich möglich (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 10 und 11). Nach § 67 Abs 1 SGG setzt eine Wiedereinsetzung aber voraus, dass jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, und er die Wiedereinsetzung beantragt. Nach § 67 Abs 2 S 2 SGG sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft zu machen.

4

Vorliegend hat die Klägerin weder einen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt noch eine zur Glaubhaftmachung erforderliche Versicherung an Eidesstatt vorgelegt. Auch im Rahmen einer Prüfung von Amts wegen ist nicht ersichtlich, weshalb die Klägerin ohne Verschulden daran gehindert gewesen sein sollte, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 160a Abs 2 SGG) einzuhalten.

5

Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, durch organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen; hierzu gehört insbesondere eine wirksame Ausgangskontrolle, durch die gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen (vgl BSG Beschluss vom 19.5.2005 - B 10 EG 3/05 B - Juris RdNr 4 mwN). Wird ein solcher Schriftsatz per Telefax übermittelt, so verlangt eine an diesen Grundsätzen ausgerichtete sorgfältige Ausgangskontrolle, dass eine Frist erst dann gelöscht werden darf, wenn für den Absender feststeht, dass die beabsichtigte Übermittlung wirklich erfolgt ist. Dies ist grundsätzlich nur dann der Fall, wenn der Übermittler sich von seinem Telefaxgerät ein Sendeprotokoll hat ausdrucken lassen, das die ordnungsgemäße Übermittlung belegt (vgl BSG, aaO). Entsprechende Sendeprotokolle des Telefax der Prozessbevollmächtigten der Klägerin liegen nicht vor, auf eine Anfrage zur Glaubhaftmachung und Antragstellung auf Wiedereinsetzung hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht reagiert. Vor diesem Hintergrund kann auch von Amts wegen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden, da nach den vorliegenden Umständen zumindest die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumnis von der Prozessbevollmächtigten verschuldet war (vgl hierzu: BGH Beschluss vom 8.4.2014 - VI ZB 1/13 - RdNr 7 mwN, NJW 2014, 2047 [BGH 08.04.2014 - VI ZB 1/13]). Grundsätzlich hat ein Nutzer einer Telefaxübertragung bei ordnungsgemäßer Nutzung eines funktionsfähigen Sendegerätes und korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übertragung beginnt, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss vor 24 Uhr zu rechnen ist. Die hieraus herrührenden besonderen Risiken dürfen insbesondere im Falle von Störungen des Empfangsgerätes im Gericht nicht auf dessen Nutzer abgewälzt werden (vgl BGH, aaO, RdNr 8 mwN). Im Einzelfall kann auch von der Erstellung eines Sendeprotokolls abgesehen werden, wenn zB der gesamte Übermittlungsvorgang von einer zuverlässigen Bürokraft oder dem Prozessbevollmächtigten selbst überwacht wird (vgl BSG, aaO, RdNr 5 mwN). Hierzu liegen jedoch keinerlei Erkenntnisse vor. Eine rechtzeitige Begründung per Telefax erfordert es, dass die Aufzeichnung von dem automatisch arbeitenden Empfangsgerät im Gericht bis 24 Uhr des letzten Tages der Begründungsfrist abgeschlossen ist. Dabei kommt es darauf an, dass die gesendeten Signale noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen und gespeichert worden sind, nicht hingegen darauf, ob der Ausdruck noch vollständig vor Fristablauf erfolgte. Der Eingangszeitpunkt bestimmt sich nach dem Uhrzeitaufdruck des Telefaxgerätes des Gerichts (vgl BAG, Urteil vom 14.7.2010 - 10 AZR 781/08 - Juris RdNr 4 mwN). Entsprechend diesen Vorgaben war die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin verfristet.

6

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne die Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter.

7

Da die Rechtsverfolgung (Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde) keine Aussicht auf Erfolg hat, ist der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung der sie vertretenden Rechtsanwältin S aus B abzulehnen (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 114 Abs 1, § 121 ZPO).

8

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Dr. Roos
Othmer

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