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Bundessozialgericht
Beschl. v. 16.07.2015, Az.: B 13 R 200/15 B
Zeiten nach dem Fremdrentengesetz; Divergenzrüge; Abweichung eines nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist veröffentlichten Urteils
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 16.07.2015
Referenz: JurionRS 2015, 21485
Aktenzeichen: B 13 R 200/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Baden-Württemberg - 28.04.2015 - AZ: L 13 R 270/13

SG Freiburg - AZ: S 2 KNR 4653/04

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG

BSG, 16.07.2015 - B 13 R 200/15 B

Redaktioneller Leitsatz:

Alle obersten Gerichtshöfe des Bundes gehen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Abweichung eines Urteils von einem nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist veröffentlichten Urteil nur gerügt werden kann, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der Frist unter Berücksichtigung der formellen Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung begründet wird.

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 R 200/15 B

L 13 R 270/13 (LSG Baden-Württemberg)

S 2 KNR 4653/04 (SG Freiburg)

....................................,

Klägerin und Beschwerdegegnerin,

Prozessbevollmächtigter: ...............................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See,

Pieperstraße 14 - 28, 44789 Bochum,

Beklagte und Beschwerdeführerin.

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 16. Juli 2015 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richter Dr. F i c h t e und Dr. K a l t e n s t e i n

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. April 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Gründe

I

1

Der Antrag der Klägerin, ihr im Wege der Überprüfung Witwenrente neben Regelaltersrente unter Anrechnung von Zeiten nach dem Fremdrentengesetz zu leisten, ist im Berufungsverfahren insoweit erfolgreich gewesen, als das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) die Entscheidung der Beklagten aufgehoben hat, soweit diese die Erstattung überzahlter Witwenrente für die Zeit vom 17.9.1996 bis 30.6.1998 verfügt hat. Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des LSG vom 28.4.2015 macht die Beklagte eine Abweichung des LSG von einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.6.1983 (4 RJ 29/82 - VdKMitt 1983, Nr 12, 38 und Juris) geltend. Während das LSG davon ausgegangen sei, dass die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs iS der §§ 102 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch nicht möglich sei, weil er voraussetze, dass zwei Sozialleistungsträger für eine Leistung zuständig seien, enthalte das Urteil des BSG den abstrakten Rechtssatz, dass in Fällen, in denen zwei sich ausschließende Sozialleistungen von einem Sozialleistungsträger gewährt würden, ein verwaltungsinterner Abrechnungsanspruch entstehe, der die gleiche Zielrichtung und die gleichen Auswirkungen habe wie ein Erstattungsanspruch.

II

2

Die Beschwerde ist unzulässig. Der geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist nicht in der nach § 160a Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet worden.

3

Um eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG in einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG genügenden Weise zu bezeichnen, muss die Beschwerdebegründung einen Widerspruch tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und einer Entscheidung des BSG bzw des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts andererseits aufzeigen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht.

4

Zur formgerechten Rüge des Zulassungsgrunds der Divergenz gehört es daher, in der Beschwerdebegründung nicht nur eine Entscheidung genau zu bezeichnen, von der die Entscheidung des LSG abgewichen sein soll; es ist auch deutlich zu machen, worin genau die Abweichung bestehen soll. Der Beschwerdeführer muss darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine die Berufungsentscheidung tragende Abweichung in den rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Er muss mithin einen abstrakten Rechtssatz der vorinstanzlichen Entscheidung und einen abstrakten Rechtssatz aus dem höchstrichterlichen Urteil so bezeichnen, dass die Divergenz erkennbar wird. Nicht hingegen reicht es aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich muss aufgezeigt werden, dass das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG vom 25.9.2002 - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f mwN; Senatsbeschluss vom 20.5.2014 - B 13 R 49/14 B - Juris RdNr 10, 11). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung vom 22.5.2015 nicht gerecht.

5

Wie die Beklagte selbst erkennt, reicht die bloße "objektive" Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung - wenn das LSG, wie hier, das bezeichnete Urteil des BSG gar nicht zur Kenntnis genommen und "in sein Kalkül einbezogen" hat - für die Annahme einer Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht aus. Denn dann hat es den Kriterien der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht widersprochen, mithin nicht bewusst andere, von dieser Rechtsprechung abweichende Maßstäbe entwickelt. Hat das LSG - vermeintlich - entgegenstehende Rechtsprechung schlicht nicht gesehen, kann es bereits objektiv keinen Rechtssatz aufgestellt haben, mit dem es diese Rechtsprechung in Frage stellen will.

6

Soweit die Beklagte angibt, der 1. Senat des BSG habe in seinem Beschluss vom 26.6.2006 (B 1 KR 19/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 10) eine Divergenz auch dann für möglich gehalten, wenn eine Abweichung von einer nach dem Urteil des LSG aber vor Ablauf der Beschwerdefrist ergangenen Entscheidung des BSG vorliege, legt sie dies anhand der Begründung dieses Beschlusses nicht dar. Dies kann auch nicht gelingen, weil - wie auch der 1. Senat des BSG ausführt - alle obersten Gerichtshöfe des Bundes in ständiger Rechtsprechung davon ausgehen, dass die Abweichung eines Urteils von einem nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist veröffentlichten Urteil nur gerügt werden kann, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der Frist unter Berücksichtigung der formellen Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung begründet wird. Eine vergleichbare Situation besteht vorliegend schon deshalb nicht, weil das von der Beklagten zitierte Urteil des BSG lange vor der Entscheidung des LSG ergangen ist. Dass der vorliegenden Rechtssache wegen dieses Urteils aus dem Jahr 1983 eine grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte, behauptet die Beklagte nicht.

7

Dass die Beklagte die Entscheidung des LSG im Ergebnis für fehlerhaft hält, führt nicht zur Revisionszulassung (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 67).

8

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

9

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Dr. Fichte
Dr. Kaltenstein

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