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Bundessozialgericht
Beschl. v. 22.06.2015, Az.: B 9 SB 83/14 B
Herabsetzung eines Grades der Behinderung; Unzutreffende Rechtsanwendung im Einzelfall; Wirksamkeitsvoraussetzungen für einen gerichtlichen Vergleich; Anspruch auf ein faires Verfahren
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 22.06.2015
Referenz: JurionRS 2015, 20714
Aktenzeichen: B 9 SB 83/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Bayern - 04.09.2014 - AZ: L 3 SB 131/13

SG München - AZ: S 15 SB 415/11

BSG, 22.06.2015 - B 9 SB 83/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Auf den Vorwurf einer unzutreffenden Rechtsanwendung im Einzelfall - hier der Vorschrift des § 48 SGB X sowie der gesetzlichen Regeln über die Auslegung und Wirksamkeit gerichtlicher Vergleiche - kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht mit Erfolg gestützt werden.

2. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen folgen wegen der Doppelnatur des gerichtlichen Vergleichs als Prozesshandlung und öffentlich-rechtlicher Vertrag aus dem SGG, aus den allgemeinen Vorschriften über öffentlich-rechtliche Verträge in §§ 53 ff. SGB X in Zusammenschau mit dem speziellen materiellen Recht, das den Vergleichsgegenstand regelt.

3. Der aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Anspruch auf ein faires Verfahren ist nur verletzt, wenn grundlegende Rechtsschutzstandards, wie das Gebot der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten, das Verbot von widersprüchlichem Verhalten oder von Überraschungsentscheidungen nicht gewahrt werden.

in dem Rechtsstreit

Az: B 9 SB 83/14 B

L 3 SB 131/13 (Bayerisches LSG)

S 15 SB 415/11 (SG München)

............................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigter: .............................................,

gegen

Freistaat Bayern,

vertreten durch das Zentrum Bayern Familie und Soziales,

Hegelstraße 2, 95447 Bayreuth,

Beklagter und Beschwerdegegner.

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat am 22. Juni 2015 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richterin Dr. R o o s und den Richter Dr. R ö h l

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. September 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

I

1

Bei der Klägerin waren ursprünglich ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen B, G und aG festgestellt (Bescheid vom 17.4.2001).

2

Nach medizinischen Ermittlungen setzte der Beklagte gemäß § 48 SGB X den GdB wegen einer Leidensbesserung auf 20 herab und brachte die Merkzeichen in Wegfall (Bescheid vom 28.4.2004, Widerspruchsbescheid vom 24.2.2005). Im von der Klägerin gegen die Herabsetzung angestrengten Sozialgerichtsverfahren schlossen die Beteiligten am 16.10.2009 einen verfahrensbeendenden Vergleich. Darin hieß es ua:

I. Der Beklagte nimmt den Bescheid vom 28.4.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.2.2005 zurück.

II. Der Beklagte prüft die tatsächlichen Gesundheitsstörungen, die für die Zukunft gelten, neu nach.

III. Die Klägerin übermittelt dem Beklagten innerhalb von 4 Wochen aktuelle Befundberichte.

3

In Ausführung von I. des Vergleichs stellte der Beklagte zunächst wie bisher einen GdB von 100 fest und erkannte die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen B, G und aG zu (Bescheid vom 13.11.2009). Danach führte der Beklagte weitere medizinische Ermittlungen durch und erließ auf ihrer Grundlage einen erneuten Änderungsbescheid nach § 48 SGB X. Darin wurden der GdB der Klägerin ab Bescheidbekanntgabe für die Zukunft auf 50 abgesenkt und ihr keine Merkzeichen mehr zuerkannt (Bescheid vom 19.1.2011, Widerspruchsbescheid vom 23.3.2011). Klage und Berufung blieben erfolglos. Das LSG hat mit Urteil vom 4.9.2014 einen Anspruch der Klägerin auf erneute Feststellung eines GdB von 100 sowie Zuerkennung der Merkzeichen G und aG abgelehnt. Die Befugnis des Beklagten, für die Zukunft neu über den GdB und die Merkzeichen zu entscheiden, ergebe sich aus dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleich. Die §§ 45 ff SGB X seien insoweit nicht anzuwenden. Die neue Feststellung sei auch in der Sache zutreffend erfolgt.

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, das LSG sei von der Rechtsprechung des BSG zur Wirksamkeit gerichtlicher Vergleiche abgewichen und habe Verfahrensfehler begangen.

II

5

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil weder der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (a) noch derjenige einer Divergenz (b) noch ein Verfahrensfehler (c) ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

6

a) Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).

7

Die Klägerin hat es versäumt, eine fallübergreifende Rechtsfrage klar zu formulieren, die in einem anschließenden Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Die von ihr unstrukturiert und über die gesamte Beschwerde verteilt sinngemäß aufgeworfenen Fragen,

- ob und in welchem Umfang eine bestandskräftige Entscheidung über einen GdB durch einen Vergleich aufgehoben werden kann und eine insoweit unerfahrene Partei in einen Vergleich gedrängt wird, dessen Reich- und Tragweite sie nicht erkennen kann,

- ob und in welchem Umfang auf Initiative eines im Verfahren nicht beteiligten Dritten ein bestandskräftiger Bescheid über einen GdB überprüft und konkludent aufgehoben werden kann,

- ob in rechtmäßiger Art und Weise eine Aufhebung eines bestandskräftigen Bescheids aufgrund eines Vergleichs zulässig ist, wenn auch und gerade aus dem Wortlaut des geschlossenen Vergleichs nicht herauszulesen ist, dass dies zugleich eine Aufhebung der ursprünglich bestandskräftigen Entscheidung bedeutet,

- ob ein Vergleich gemäß § 101 SGG gegen seinen Wortlaut zusätzlich auch eine Aufhebung eines früheren, nicht streitgegenständlichen Bescheides beinhalten kann und ob die Voraussetzungen des § 45 SGB X insbesondere ohne Darlegung von dessen Voraussetzungen überhaupt der Disposition der Parteien unterliegen,

- ob eine Einigkeit der Neubescheidung für die Zukunft einen bestandskräftigen Bescheid per se beseitigt oder ob hierzu ein eigener Verwaltungsakt notwendig wäre, der den Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der insbesondere nicht Gegenstand des Klageverfahrens war, inzidenter beendet,

- ob die Formulierung "die Parteien sind sich einig, dass in der Zukunft die gesundheitlichen Voraussetzungen neu überprüft werden" die Aufhebung eines Bescheids beinhaltet, insbesondere also eine inzidente Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts vorliegt,

- ob ein Vergleich in der streitgegenständlichen Formulierung die gesetzliche Möglichkeit der Überprüfung des Gesundheitszustands beinhaltet und ob ein Vergleich inzident die Aufhebung des ursprünglichen - nicht streitgegenständlichen Bescheids beinhaltet,

- ob ein vergleichsweiser Ausspruch auf Neuklärung eines Gesundheitszustandes inzidenter, insbesondere für den juristischen Laien erkennbar, die Aufhebung eines bestandskräftigen Bescheides beinhaltet, insbesondere wenn - wie vorliegend - eine Vielzahl von erheblichen Darlegungs- und Beweisproblemen der Beklagten besteht,

sowie weitere ähnliche Formulierungen variieren im Wesentlichen dieselbe Kritik an der Rechtsanwendung durch das LSG im Einzelfall bei der Überprüfung des angefochtenen Herabsetzungsbescheids vom 19.1.2011, weil das LSG dabei den von der Klägerin zuvor abgeschlossenen gerichtlich Vergleich als wirksam angesehen und als Grundlage für den Bescheid herangezogen hat. Auf den Vorwurf einer unzutreffenden Rechtsanwendung im Einzelfall - hier der Vorschrift des § 48 SGB X sowie der gesetzlichen Regeln über die Auslegung und Wirksamkeit gerichtlicher Vergleiche - kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht mit Erfolg gestützt werden. Trotz der zahlreichen Frageabwandlungen der Klägerin erschließt sich zudem nicht, welchen bestandskräftigen Bescheid der von ihr geschlossene Vergleich zu ihren Lasten beseitigt haben sollte. Nicht der Vergleich, sondern der Änderungsbescheid vom 19.1.2011 hat ihren zuvor erneut bestandskräftig festgestellten GdB von 100 auf 50 herabgesetzt und ihr die zuerkannten Merkzeichen wieder entzogen. Diesen Bescheid hat der Beklagte auf der Grundlage von § 48 SGB X erlassen.

8

Soweit es der Beschwerde in diesem Zusammenhang darüber hinaus um die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Wirksamkeit gerichtlicher Vergleiche geht, hat sie versäumt darzulegen, warum sich die von ihr damit sinngemäß aufgeworfenen Rechtsfragen nicht bereits anhand der gesetzlichen Regelungen beantworten lassen. Diese Wirksamkeitsvoraussetzungen folgen wegen der Doppelnatur des gerichtlichen Vergleichs als Prozesshandlung und öffentlich-rechtlicher Vertrag aus dem SGG, aus den allgemeinen Vorschriften über öffentlich-rechtliche Verträge in §§ 53 ff SGB X in Zusammenschau mit dem speziellen materiellen Recht, das den Vergleichsgegenstand regelt (vgl im Einzelnen Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 101 RdNr 3 ff mwN; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand September 2014, K § 54 RdNr 86 f mwN). Demnach kann eine Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen einen Vergleich schließen, um eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben zu beenden, § 54 Abs 1 SGB X. Fehlen die Voraussetzungen zum Abschluss eines Vergleichsvertrags, der einen Verwaltungsakt ersetzt, so ist der Vertrag nach § 58 Abs 2 Nr 3 SGB X nichtig, wenn ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers iS des § 42 SGB X nichtig wäre. Ebenso führt es nach § 58 Abs 2 Nr 4 SGB X zur Nichtigkeit, wenn sich die Behörde eine nach § 55 SGB X unzulässige Gegenleistung versprechen lässt. Weitere Nichtigkeitsgründe können sich aus § 58 Abs 1 SGB X und einer entsprechenden Anwendung von Vorschriften des BGB ergeben (vgl BSG SozR 1500 § 101 Nr 8; vgl Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand September 2014, K § 58 RdNr 35 ff mwN). Auf diese gesetzlichen Vorgaben ist die Beschwerde nicht näher eingegangen. Umso weniger hat sie dargelegt, warum die zitierten Vorschriften nicht ausreichen sollten, um die Wirksamkeit und Reichweite des von den Beteiligten geschlossenen Vergleichs zu beurteilen.

9

Unabhängig davon hat die Beschwerde es auch versäumt, die Entscheidungserheblichkeit einer möglichen grundsätzlichen Rechtsfrage aufzuzeigen. Es fehlt an der nachvollziehbaren Darlegung warum, selbst die von ihr angenommene Unwirksamkeit des Vergleichs vorausgesetzt, ihre Klage gegen den Änderungsbescheid vom 19.1.2011 Erfolg gehabt hätte.

10

b) Ebenso wenig hat die Beschwerde substantiiert eine Divergenz dargelegt.

11

Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zu Grunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz substantiiert darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN). Aufzuzeigen ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN).

12

Einen solchen ausdrücklichen, der Rechtsprechung des BSG widersprechenden Rechtssatz des LSG hat die Beschwerde nicht herausgearbeitet. Zwar führt sie aus, das LSG habe einen seine Entscheidung tragenden rechtlichen Obersatz aufgestellt, indem es "per se" einen Vergleich über nicht anhängige bestandskräftige Bescheide ohne Aufhebung derselben zulasse und die Frage der Wirksamkeit eines Vergleiches nicht thematisiere. Damit ist indes kein tragender Rechtssatz, sondern lediglich eine (behauptete) falsche Rechtsanwendung durch das LSG angesprochen.

13

Soweit die Beschwerde ausführt, relevante Frage sei "die Reichweite von prozessualen Vergleichen auch über den anhängigen Anspruch hinaus" ergibt sich daraus ebenfalls keine hinreichend konkret formulierte, klärungsfähige Rechtsfrage. Zudem legt die Beschwerde auch nicht dar, warum die ursprünglichen Bescheide über den GdB und die Merkzeichen der Klägerin von den Beteiligten nicht zum Gegenstand eines gerichtlichen Vergleichs gemacht werden konnten, selbst wenn sie nicht Klagegegenstand waren (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 101 RdNr 5 mwN). Soweit die Beschwerde meint, dazu fehle es an einer ausdrücklichen entsprechenden Erklärung der Klägerin, so rügt sie wiederum die Auslegung des Vergleichs durch das LSG und damit dessen Rechtsanwendung im Einzelfall, die indes nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist. Dasselbe gilt für die Kritik der Beschwerde, das LSG habe in Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung die Nichtigkeit des Vergleichs nach § 779 BGB übersehen (vgl Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand September 2014, K § 54 RdNr 76 mwN) .

14

c) Auch die behaupteten Verfahrensmängel hat die Beschwerde nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

15

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall der Klägerin darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

16

Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. Einen solchen, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen Beweisantrag hat die vor dem LSG anwaltlich vertretene Klägerin nicht benannt. Wird ein zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt, so gilt er bei einem rechtskundig vertretenen Beteiligten als erledigt (vgl Becker, Die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG [Teil II], SGb 2007, 328, 331 mwN zu Fußn 177 und 178). Die Rüge der Klägerin, das LSG sei ihren Beweisanträgen nicht gefolgt, geht daher ins Leere.

17

Mit ihrem Hinweis auf Mängel des vom LSG in Auftrag gegebenen Gutachtens und ihrer Kritik an der Verwertung dieses Gutachtens wendet sich die Klägerin gegen die Beweiswürdigung des LSG, die § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG der Beurteilung durch das Revisionsgericht vollständig entzieht. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden (Karmanski in Roos/Warendorf, SGG, 2014, § 160 RdNr 58 mwN). Für die in diesem Zusammenhang ebenfalls gerügte Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren ist gleichfalls nichts ersichtlich. Der aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Anspruch auf ein faires Verfahren ist nur verletzt, wenn grundlegende Rechtsschutzstandards, wie das Gebot der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten, das Verbot von widersprüchlichem Verhalten oder von Überraschungsentscheidungen nicht gewahrt werden (BSG SozR 4-1500 § 118 Nr 3 mwN). Dafür hat die Beschwerde nichts dargelegt.

18

Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör rügt, fehlt es bereits an der Darlegung, welchen entscheidungserheblichen Vortrag das LSG übergangen haben sollte. Die Klägerin kritisiert, der vom LSG mit einem Gutachten nach Aktenlage betraute Sachverständige habe sich auf ein "fachpsychiatrisches Gutachten" gestützt, das er nicht vorgelegt und dessen Urheber er nicht benannt habe. Die Beschwerde legt aber nicht dar, warum dies entscheidungserheblich sein sollte. Das LSG hat die Klägerin schon im Berufungsverfahren darauf hingewiesen, woher die vom Gerichtssachverständigen übernommenen Diagnosen und Bewertung ihrer seelischen Leiden stammte, und zwar aus ihrer Schwerbehindertenakte. Ohnehin hat das LSG seine Feststellung eines GdB von 20 für die seelische Erkrankung der Klägerin nicht hierauf, sondern maßgeblich auf das Ergebnis der Begutachtung durch den amtsärztlichen Dienst der Beklagten vom 11.8.2010 im Verwaltungsverfahren gestützt.

19

2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

20

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

21

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Dr. Roos
Dr. Röhl

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