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Bundessozialgericht
Beschl. v. 02.06.2015, Az.: B 13 R 91/15 B
Rente wegen Erwerbsminderung; Substantiierung einer Verfahrensrüge; Kausalität eines Verfahrensmangels; Nichtberücksichtigung eines Beweisantrags
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 02.06.2015
Referenz: JurionRS 2015, 20045
Aktenzeichen: B 13 R 91/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Baden-Württemberg - 09.02.2015 - AZ: L 11 R 4142/14

SG Konstanz - AZ: S 7 R 2045/12

BSG, 02.06.2015 - B 13 R 91/15 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel i.S. von § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs. 2 S. 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden.

2. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht.

3. Gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 S. 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 R 91/15 B

L 11 R 4142/14 (LSG Baden-Württemberg)

S 7 R 2045/12 (SG Konstanz)

...........................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: ........................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg,

Adalbert-Stifter-Straße 105, 70437 Stuttgart,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 2. Juni 2015 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l , den Richter G a s s e r und die Richterin Dr. O p p e r m a n n

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Februar 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Beschluss vom 9.2.2015 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung über den 31.5.2012 hinaus verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sinngemäß beruft sie sich auf Verfahrensmängel.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde vom 11.3.2015 ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

4

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

5

Die Klägerin trägt vor, die Berufungsentscheidung leide an einem Verfahrensmangel, weil das LSG den Rechtsstreit "ohne mündliche Anhörung der Klägerin entschieden" habe, obwohl der Prozessbevollmächtigte ausdrücklich einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts bzw zur mündlichen Verhandlung beantragt habe. Mit diesem Vortrag hat die Klägerin einen Verfahrensfehler nicht hinreichend bezeichnet. Denn es fehlt bereits an einer nachvollziehbaren Darstellung des Verfahrensgangs vor dem LSG.

6

Das LSG ist berechtigt, ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs 4 S 1 SGG zu entscheiden, wenn es - außer in den Fällen des vorangegangenen Erlasses eines Gerichtsbescheides nach § 105 Abs 2 S 1 SGG - die Berufung durch Beschluss zurückweist, weil es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören (§ 153 Abs 4 S 2 SGG). Ob das LSG von dieser Verfahrensweise oder einer anderen Entscheidungsform Gebrauch gemacht hat, lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen. Die Klägerin hat nicht gerügt, eine schriftliche Anhörungsmitteilung nicht erhalten zu haben.

7

Die Klägerin trägt weiter vor, das LSG habe versäumt, eine erneute Untersuchung über ihren aktuellen Gesundheitszustand anzuordnen. Wenn sie damit sinngemäß die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) des LSG rügt, muss die Klägerin zumindest einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG aufgezeigt haben. Ein anwaltlich vertretener Beteiligter kann nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (stRspr, vgl nur BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Nach Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG soll die Sachaufklärungsrüge die Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Tatsachengericht vor seiner Entscheidung durch einen Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; Nr 31 S 52). Wird im Beschlussverfahren entschieden (§ 153 Abs 4 S 1 SGG), ist der Beweisantrag, der nach Erhalt einer Anhörungsmitteilung nicht wiederholt wird, grundsätzlich so zu behandeln, als habe er sich erledigt (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52; SozR 4-1500 § 160 Nr 11 RdNr 7).

8

Den aufgezeigten Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es finden sich an keiner Stelle Ausführungen, ob und wann die Klägerin einen Beweisantrag im Berufungsverfahren gestellt hat bzw dass das LSG einen solchen in seinem Beschluss wiedergegeben hat.

9

Schließlich trägt die Klägerin vor, dass sich das LSG von den "falschen Schlussfolgerungen" im Gutachten von Prof. Dr. W. habe leiten lassen; sie könne nicht mehr mindestens 6 Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt verrichten. Dieser Vortrag zielt auf die Beweiswürdigung des LSG ab. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann ein Verfahrensmangel aber nicht auf die Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden. Ob das LSG den Rechtsstreit insofern richtig oder vermeintlich falsch entschieden hat, ist nicht Gegenstand des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde.

10

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

11

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Gasser
Dr. Oppermann

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