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Bundessozialgericht
Beschl. v. 13.05.2015, Az.: B 12 P 3/14 B
Verletzung der Begründungspflicht einer gerichtlichen Entscheidung; Mindestinhalt von Entscheidungsgründen
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 13.05.2015
Referenz: JurionRS 2015, 18771
Aktenzeichen: B 12 P 3/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Hessen - 21.08.2014 - AZ: L 8 P 23/13

SG Marburg - AZ: S 4 P 39/11

BSG, 13.05.2015 - B 12 P 3/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Eine Entscheidung ist deshalb nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung kurz gefasst und nicht jeden Gesichtspunkt, der möglicherweise hätte erwähnt werden können, behandelt hat.

2. Die Begründungspflicht wäre selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten.

3. Aus den Entscheidungsgründen muss aber ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht.

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 P 3/14 B

L 8 P 23/13 (Hessisches LSG)

S 4 P 39/11 (SG Marburg)

...............................................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigter: ...............................................,

gegen

...............................................,

Beklagte und Beschwerdegegnerin,

Prozessbevollmächtigte: ............................................. .

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 13. Mai 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. K r e t s c h m e r sowie die Richter Dr. M e c k e und Dr. K a l t e n s t e i n

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. August 2014 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über Grundlagen der Prämienanpassung in der privaten Pflegeversicherung.

2

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen LSG vom 21.8.2014 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

4

Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 25.11.2014 ausschließlich auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

5

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils im Sinne einer für den Beschwerdeführer günstigen Entscheidung besteht (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN). Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG SozR 1500 § 160 Nr 33). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht. Dies gilt trotz ihres erheblichen Umfangs, der im Wesentlichen auf der wörtlichen Wiedergabe des Tatbestandes des angegriffenen Urteils beruht (S 2 bis S 13 Mitte).

6

a) Der Kläger macht zunächst einen Verfahrensmangel in Form eines "Begründungsmangels" geltend, weil das LSG die Berufung als verfristet angesehen habe, ohne das Ende der Berufungsfrist in den Entscheidungsgründen ausdrücklich festzustellen (S 14 der Begründung). Ein Begründungsmangel liege zudem vor, weil nicht deutlich werde, ob und wie der vorliegende Fall überhaupt unter die vom SG und LSG zitierte "höchstgerichtliche" Rechtsprechung zu subsumieren sei (S 18 der Begründung).

7

Ein Verstoß des LSG gegen die Pflicht zur Begründung seiner Entscheidung im Urteil (§ 128 Abs 1 S 2 iVm § 136 Abs 1 Nr 6 SGG) wird damit jedoch nicht entsprechend den oben dargestellten Anforderungen dargelegt. Nach § 128 Abs 1 S 2 SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das bedeutet, aus den Entscheidungsgründen muss ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. Dafür muss das Gericht aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (vgl BVerfG SozR 1500 § 62 Nr 16; BVerfG [Kammer] Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - Juris RdNr 11). Auch braucht es nicht zu Fragen Stellung zu nehmen, auf die es nach seiner Auffassung nicht ankommt. Eine Entscheidung ist deshalb nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung kurz gefasst und nicht jeden Gesichtspunkt, der möglicherweise hätte erwähnt werden können, behandelt hat. Die Begründungspflicht wäre selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten (BSG Beschluss vom 22.1.2008 - B 13 R 144/07 B - Juris RdNr 7 mwN).

8

Daher genügt die bloße Behauptung des Klägers, die von ihm vermissten Angaben seien notwendiger Inhalt der Entscheidungsgründe, nicht den Begründungsanforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde. Vielmehr hätte der Kläger darlegen müssen, dass sich ohne diese Angaben nicht nachvollziehen lässt, weshalb das LSG entschieden hat wie tenoriert. Insbesondere hätte im Einzelnen dargelegt werden müssen, welche Aussagen das LSG zur Frage der Verfristung der Berufung gemacht und welche diesbezüglichen Feststellungen es getroffen hat. Sodann wäre herauszuarbeiten gewesen, dass es aufgrund dieser Aussagen und Feststellungen nicht zu dem von ihm gefundenen Ergebnis hat gelangen können, selbst wenn dieses materiell fehlerhaft gewesen wäre. Diese Anforderungen gelten entsprechend für die Rüge einer ungenügenden Begründung des LSG im Rahmen der Abwägung des widerstreitenden Auskunfts- und Geheimhaltungsinteresses der Beteiligten (S 18 der Begründung). Zudem legt der Kläger entgegen den oben genannten Anforderungen nicht dar, wieso die Entscheidung - ausgehend von der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des LSG - auf diesen Erwägungen zur Begründetheit des vom Kläger erhobenen Anspruchs beruhen kann, obwohl das LSG die Berufung doch als unzulässig verworfen hat.

9

b) Die Beschwerdebegründung genügt den Zulässigkeitsanforderungen auch nicht, soweit der Kläger eine Gehörsverletzung (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) und eine Verletzung des Gebots des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 1 GG) rügt. Insoweit macht er zunächst geltend, sein Schreiben vom 20.7.2013 sei vom "Sozialgericht Marburg" zu Unrecht nicht berücksichtigt und die darin enthaltene Formulierung "Ich lege deshalb Beschwerde ein" sei nicht im Sinne einer Berufungseinlegung gewürdigt worden. Auch wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass trotz der Zuschreibung zum SG tatsächlich ein vermeintlicher Fehler des LSG gerügt werden soll, hätte er zumindest darlegen müssen, wieso der Inhalt dieses Schreibens für die Verwerfung der Berufung wegen Verfristung von Bedeutung sein konnte, obwohl es - ausgehend von dem in der Beschwerdebegründung aus dem LSG-Urteil wiedergegebenen Datum der Zustellung des SG-Urteils (23.5.2013, vgl S 12 der Beschwerdebegründung) - erst mehrere Wochen nach dem Ablauf der Berufungsfrist (ein Monat nach Zustellung des Urteils, vgl § 151 Abs 1 SGG) verfasst wurde.

10

Ebenfalls als Verletzung effektiver Rechtsschutzgewährung rügt der Kläger, das Rechtsmittel habe als Berufung ausgelegt werden müssen, weil er bei der Einlegung dieses nur "versehentlich falsch als 'Sprungrevision'" bezeichnet habe. Auch hier verfehlt der Kläger die Zulässigkeitsanforderungen: Wenigstens den insoweit wesentlichen Inhalt der Rechtsmittelschrift hätte er darstellen und darlegen müssen, dass deren Wortlaut ggf zusammen mit weiteren im Einzelnen darzulegenden Umständen eine Auslegung in diesem Sinne zulässt. Angaben zum Wortlaut und solchen Umständen enthält die Beschwerdebegründung nicht.

11

Schließlich ist die Beschwerde auch unzulässig, soweit der Kläger eine Verletzung rechtlichen Gehörs rügt, weil das LSG trotz entsprechenden Vortrags keine Ausführungen zu der von ihm benannten Anspruchsgrundlage § 315 BGB gemacht habe. Auch insoweit versäumt er es - anders als erforderlich - darzulegen, wieso das angegriffene Urteil trotz der Verwerfung der Berufung als unzulässig auf diesen Erwägungen zur Begründetheit des Anspruchs beruhen könnte.

12

c) Nach dem Inhalt seiner Ausführungen rügt der Kläger im Kern keinen Verfahrensmangel, sondern wendet sich gegen die materielle Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Hierauf kann jedoch - wie oben dargelegt - die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht gestützt werden.

13

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

14

3. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dr. Kretschmer
Dr. Mecke
Dr. Kaltenstein

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