Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundessozialgericht
Beschl. v. 13.04.2015, Az.: B 4 AS 319/14 B
Höhe von SGB-II-Leistungen; Inhaltliche Fehlerhaftigkeit der Berufungsentscheidung; Verfahrensrüge wegen Nichtberücksichtigung wesentlichen Vorbringens
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 13.04.2015
Referenz: JurionRS 2015, 16908
Aktenzeichen: B 4 AS 319/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Baden-Württemberg - 22.10.2014 - AZ: L 9 AS 3794/13

SG Freiburg - AZ: S 3 AS 2900/11

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG

BSG, 13.04.2015 - B 4 AS 319/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

Da die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht Gegenstand des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde ist, müssen zur Darlegung einer groben Fehleinschätzung weitere Umstände vorgetragen werden, wie dies z.B. bei fehlender Kenntnisnahme eines - nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts - wesentlichen Klägervorbringens der Fall sein kann.

in dem Rechtsstreit

Az: B 4 AS 319/14 B

L 9 AS 3794/13 (LSG Baden-Württemberg)

S 3 AS 2900/11 (SG Freiburg)

..............................,

Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: ........................................,

gegen

Jobcenter Freiburg,

Lehener Straße 77, 79106 Freiburg im Breisgau,

Beklagter und Beschwerdegegner.

Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat am 13. April 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. V o e l z k e sowie die Richterinnen S. K n i c k r e h m und B e h r e n d

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Oktober 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin, ihr für die Beschwerde gegen den oben bezeichneten Beschluss Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt Fritz in Freiburg beizuordnen, wird abgelehnt.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Streitig ist die Höhe der SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.3.2010 bis 30.6.2010.

2

Die im Jahre 1986 geborene Klägerin bezog zunächst bis Dezember 2009 - ebenso wie ihre Mutter, in deren Wohnung sie lebte - SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung des Einkommens der Mutter. Im Anschluss an eine stationäre Maßnahme der Eingliederungshilfe stellte die Klägerin am 16.12.2009 einen Folgebewilligungsantrag; die Mutter beantragte nicht erneut SGB II-Leistungen und legte zunächst auch keine Einkommensnachweise vor. Das SG verpflichtete den Beklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, der Klägerin ab März 2010 bis längstens Juni 2010 SGB II-Leistungen in Höhe von 92,85 Euro monatlich zu erbringen (Beschluss vom 15.4.2010). Im Anschluss teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.3.2010 bis 30.6.2010 in Höhe von 92,85 Euro monatlich bewilligt würden (Bescheid vom 16.4.2010); angefügt war der Hinweis: "Die Bewilligung ergeht in Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts Freiburg vom 15.4.2010." Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 29.4.2011). Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des SG vom 16.7.2013; Beschluss des LSG vom 22.10.2014). Zur Begründung seiner Entscheidung führte das LSG aus, die Berufung sei unbegründet. Bereits die Klage sei - entgegen der Ansicht des SG, das in der Sache entschieden habe - unzulässig. Es fehle an einer vorausgegangenen Verwaltungsentscheidung, weil der Bescheid vom 16.4.2010 lediglich den Beschluss des einstweiligen Anordnungsverfahrens umsetze und mangels Regelungsgehalts kein Verwaltungsakt sei.

3

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin einen Verfahrensfehler geltend. Das LSG habe - im Wege des § 153 Abs 4 SGG - anstelle einer Entscheidung in der Sache zu Unrecht einen Prozessbeschluss erlassen. Aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses ergebe sich zweifelsfrei, dass sich das Berufungsgericht nicht mit der Sache befasst habe, weil es bereits die Klage als unzulässig angesehen habe. Die Auffassung des BSG zum fehlenden Regelungscharakters eines Ausführungsbescheides werde - unabhängig von ihrer Anwendbarkeit auf den konkreten Sachverhalt - nicht durchgängig geteilt. Zudem lasse der streitige Ausführungsbescheid keinen Zweifel daran, dass durch ihn etwas geregelt werden solle. Der Beklagte habe mit dem Bescheid vom 16.4.2010 erstmalig und auch letztmalig eine Entscheidung über die Ansprüche der Klägerin nach dem SGB II für den streitigen Zeitraum (März bis Juni 2010) getroffen. Mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2011 habe der Beklagte klargestellt, dass er mit dem Bescheid vom 16.4.2010 Leistungen nach dem SGB II vom 1.3.2010 bis 30.6.2010 in Höhe von 92,85 Euro bewilligt habe. Die Entscheidung des LSG könne schon deshalb auf dem Verfahrensfehler beruhen, weil das Berufungsgericht durch negativen Prozessbeschluss anstatt in der Sache entschieden habe. Bei einer Sachentscheidung wäre das LSG voraussichtlich zu dem Ergebnis gekommen, dass kein Fall des § 153 Abs 4 SGG vorliege.

II

4

Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil der als Zulassungsgrund geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 SGG zu verwerfen.

5

Die Beschwerdebegründung enthält keine den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG entsprechende Bezeichnung eines Verfahrensmangels, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG). Soweit sich die Klägerin dagegen wendet, dass das Berufungsgericht durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG entschieden hat, hat sie schon nicht behauptet, dass das LSG bei dieser Form der Entscheidung von seinem Ermessen erkennbar fehlerhaft Gebrauch gemacht hat, etwa weil der Beurteilung sachfremde Erwägungen oder eine grobe Fehleinschätzung zugrunde liegen (BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 S 4; Nr 13 S 38; BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 13/02 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 28.2.2013 - B 8 SO 33/12 B - Juris RdNr 7). Die Klägerin hat zudem nicht vorgetragen, dass die Entscheidung im Beschlusswege gegen ihren im Berufungsverfahren ausdrücklich geäußerten Willen ergangen sei. Dieser Vortrag wäre aber erforderlich gewesen, weil eine grobe Fehleinschätzung nur angenommen werden kann, wenn bei Abwägung aller danach zu berücksichtigenden Umstände die Wahl des vereinfachten Verfahrens ohne mündliche Verhandlung gegen den ausdrücklichen Willen eines Beteiligten unter keinen Umständen zu rechtfertigen ist (BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 38 f; BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 13/02 B - Juris RdNr 9).

6

Da die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht Gegenstand des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7), müssen zur Darlegung einer groben Fehleinschätzung weitere Umstände vorgetragen werden, wie dies zB bei fehlender Kenntnisnahme eines - nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts - wesentlichen Klägervorbringens der Fall sein kann (vgl BSG Beschluss vom 28.2.2013 - B 8 SO 33/12 B - Juris RdNr 7). Einen derartigen Tatsachenvortrag bereits im Verfahren vor dem LSG hat die Klägerin nicht behauptet; vielmehr hat sie in diesem Zusammenhang lediglich ausgeführt, dass ihr Rügerecht weder durch den fehlenden Vortrag zu dem negativen Prozesskostenhilfebeschluss (PKH-Beschluss) des LSG noch durch die unterbliebene Reaktion auf die Anhörung zur beabsichtigten Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG verloren sei. Sie hat demnach selbst keine Gründe dafür genannt, die einer Entscheidung im Verfahren nach § 153 Abs 4 SGG entgegenstehen könnten und hat - in Kenntnis des mit den gleichen Rechtsausführungen begründeten negativen PKH-Beschlusses - auch keine Anhaltspunkte dafür geliefert, die gegen eine Entscheidung in diesem Verfahren sprechen könnten.

7

Da die Klägerin den behaupteten Verfahrensmangel nicht hinreichend dargelegt hat, ist der Antrag auf Bewilligung von PKH ebenfalls abzulehnen. Gemäß § 73a Abs 1 SGG iVm § 114 ZPO kann PKH nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, was hier nicht der Fall ist.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Prof. Dr. Voelzke
Knickrehm
Behrend

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.