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Bundessozialgericht
Beschl. v. 11.03.2015, Az.: B 9 V 53/14 B
Gewährung von Berufsschadensausgleich; Substantiierung einer Divergenz; Widerspruch in Rechtssätzen; Zulässiger Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 11.03.2015
Referenz: JurionRS 2015, 19209
Aktenzeichen: B 9 V 53/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Thüringen - 04.09.2014 - AZ: L 5 VU 389/13

SG Gotha - AZ: S 36 VU 162/09

Rechtsgrundlagen:

§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG

§ 160 Abs. 2 Nr. 3 SG

BSG, 11.03.2015 - B 9 V 53/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Eine Abweichung (Divergenz) im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG ist nur dann ausreichend dargetan, wenn in der Beschwerdebegründung schlüssig erklärt wird, in welchem genau bestimmten entscheidungserheblichen Rechtssatz das angegriffene Urteil des LSG von welcher genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht.

2. Dazu genügt es nicht darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entspricht, die etwa das BSG aufgestellt hat, sondern es ist aufzuzeigen, inwiefern das LSG diesen Kriterien ausdrücklich widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat.

3. Zudem ist anzugeben, inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruhen kann.

4. Es stellt keinen zulässigen Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde dar, ob das LSG richtig entschieden hat.

in dem Rechtsstreit

Az: B 9 V 53/14 B

L 5 VU 389/13 (Thüringer LSG)

S 36 VU 162/09 (SG Gotha)

..............................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigter: .............................................,

gegen

Freistaat Thüringen,

vertreten durch das Thüringer Landesverwaltungsamt,

Abteilung VI - Versorgung und Integration,

Karl-Liebknecht-Straße 4, 98527 Suhl,

Beklagter und Beschwerdegegner.

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat am 11. März 2015 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richter O t h m e r und Dr. R ö h l

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 4. September 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Die 1949 geborene Klägerin wurde am 28.2.1950 in der ehemaligen DDR in ein Mütter- und Säuglingsheim eingewiesen, in dem sie sich bis zum 31.5.1953 befand. Im Zusammenhang mit der Inhaftierung ihres Vaters wegen Spionage war sie ständigen Überwachungen, Bespitzelungen und Benachteiligungen ausgesetzt. Aufgrund dieses begangenen Unrechts erhält die Klägerin Beschädigtenversorgung wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie Angst und Depression nach einem Grad der Schädigung (GdS) von 60 nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz. Einen - hier streitigen - zusätzlichen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Berufsschadensausgleich hat der beklagte Freistaat abgelehnt (Bescheid vom 6.2.2008, Widerspruchsbescheid vom 30.12.2008). Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (SG-Urteil vom 11.12.2012; LSG-Urteil vom 4.9.2014). Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Vorliegen einer Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) sowie von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) begründet.

2

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).

3

Eine Abweichung (Divergenz) im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann ausreichend dargetan, wenn in der Beschwerdebegründung schlüssig erklärt wird, in welchem genau bestimmten entscheidungserheblichen Rechtssatz das angegriffene Urteil des LSG von welcher genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29, 54). Dazu genügt es nicht darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entspricht, die etwa das BSG aufgestellt hat, sondern es ist aufzuzeigen, inwiefern das LSG diesen Kriterien ausdrücklich widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 67; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26). Zudem ist anzugeben, inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54, 67).

4

Diesen Anforderungen hat die Klägerin nicht hinreichend Rechnung getragen. Sie behauptet zwar sinngemäß eine Abweichung des LSG in seiner angefochtenen Entscheidung von dem Urteil des BSG vom 17.4.2013 (B 9 V 1/12 R), unterlässt es jedoch, aus dem vorliegenden Urteil des Thüringer LSG vom 4.9.2014 (L 5 VU 389/13) einen konkreten abstrakten Rechtssatz herauszuarbeiten, der einer konkret zu benennenden oberstgerichtlichen Rechtsprechung entgegenstehen könnte. Der dem Urteil des LSG auf Seite 8 unten/9 oben herausgearbeitete Satz: "Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Belastungen, die durch die Vorgänge um das Anwesen ..... einschließlich der Zwangsräumung hervorgerufen wurden und die die Klägerin als Fortsetzung des DDR-Unrechts betrachtet", stellt in diesem Sinne keinen Rechtssatz dar, sondern eine aus dem Zusammenhang gerissene Bewertung des Sachverhalts. Tatsächlich kritisiert die Klägerin mit ihrer Divergenzrüge eine unrichtige Kausalitätsbeurteilung durch das LSG, womit sie allerdings eine Divergenz der angefochtenen Entscheidung des LSG nicht dargelegt hat. Es stellt keinen zulässigen Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde dar, ob das LSG richtig entschieden hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).

5

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie von der Klägerin - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 S 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Kriterien hat die Klägerin nicht hinreichend Rechnung getragen.

6

Eine insoweit von der Klägerin gerügte Verletzung der Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 103 SGG) ist nicht schlüssig dargelegt. Es fehlt bereits an der Bezeichnung eines berücksichtigungsfähigen Beweisantrags. Die Klägerin hätte darlegen müssen, welchem konkreten Beweisantrag im Sinne der ZPO das LSG nicht gefolgt sein soll. Dabei hätte sie diesen Beweisantrag so genau bezeichnen müssen, dass er für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbar ist (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; Becker, SGb 2007, 328, 331). Dies hat sie versäumt, denn sie hat nicht einmal behauptet, einen berücksichtigungsfähigen Beweisantrag gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten zu haben (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11).

7

Vielmehr kritisiert die Klägerin im Wesentlichen die vermeintliche Nichtverwertung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG von Prof. Dr. K. vom 3.4.2012 in einem parallelen Rechtsstreit vor dem SG Gotha in dessen Urteil vom 11.12.2012 (S 36 VU 457/06). Damit kritisiert die Klägerin aber keinen Verfahrensmangel des hier angefochtenen Urteils des LSG. Die Entscheidung des SG Gotha vom 11.12.2012 (S 36 VU 457/06) ist nicht Teil des vorliegenden Rechtsstreits, sodass es auch hierzu Ausführungen bedurft hätte, weshalb der vermeintliche Verfahrensmangel im hier zu bewertenden Verfahren beachtlich sein soll. Damit geht auch die Rüge gegenüber dem SG in dem Parallelverfahren fehl, dieses habe das Gutachten des Prof. Dr. K. zu Unrecht nicht verwertet und die Beauftragung eines anderen Gutachters abgelehnt. Es wird nicht ersichtlich, weshalb in dem Vorgehen des SG Gotha im parallelen Rechtsstreit im hiesigen Verfahren ein Verstoß gegen § 407a Abs 2 S 1 ZPO zu sehen sein könnte. Für das hiesige Verfahren hätte es insgesamt der Darlegung bedurft, welche konkreten Tatsachen im vorliegenden Verfahren durch das angeblich streitige Gutachten hätten bewiesen werden sollen und dass dieses überhaupt geeignet gewesen sei, hierzu verlässliche Aussagen zu treffen.

8

Soweit die Klägerin ferner sinngemäß eine Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs geltend macht, hat sie einen Verstoß gegen § 62 SGG, der den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art 103 Abs 1 GG für das sozialgerichtliche Verfahren konkretisiert, ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Weder hat sie vorgetragen, dass sie durch die Entscheidung des LSG überrascht worden sei, noch, dass sie sich zu Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen nicht oder nicht ausreichend habe äußern können. Ebenso wenig hat sie dargetan, dass das LSG ihr Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in seine Erwägungen miteinbezogen habe. Sie hat vielmehr eine Verletzung des rechtlichen Gehörs allein mit der Begründung behauptet, das LSG habe (aufgrund der Nichtverwertung des Gutachtens von Prof. Dr. K. durch das SG Gotha in parallelen Verfahren gleichzeitig) seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 SGG) verletzt und zu ihrem (der Klägerin) Nachteil entschieden. Das reicht nicht aus (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22).

9

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG).

10

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

11

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Othmer
Dr. Röhl

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