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Bundessozialgericht
Beschl. v. 10.02.2015, Az.: B 12 R 63/13 B
Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen; Auswertung von Rechtsprechung und Lehre; Grundsatzrüge und höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 10.02.2015
Referenz: JurionRS 2015, 13497
Aktenzeichen: B 12 R 63/13 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Rheinland-Pfalz - 20.09.2013 - AZ: L 2 R 558/11

SG Koblenz - AZ: S 3 R 751/10

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG

BSG, 10.02.2015 - B 12 R 63/13 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist.

2. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll.

3. Als höchstrichterlich geklärt muss eine Rechtsfrage bereits angesehen werden, wenn das Revisionsgericht sie zwar - für einzelne Berufsgruppen oder bestimmte Tätigkeitsfelder - noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen Vorschrift jedoch schon mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben.

4. Hier kommt es dann in der Regel (lediglich) auf die Anwendung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt - eine bestimmte Berufsgruppe oder ein bestimmtes Tätigkeitsfeld - an.

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 R 63/13 B

L 2 R 558/11 (LSG Rheinland-Pfalz)

S 3 R 751/10 (SG Koblenz)

...............................................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte: ...............................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz,

Eichendorffstraße 4 - 6, 67346 Speyer,

Beklagte und Beschwerdegegnerin,

beigeladen:

1. ...............................................,

2. ...............................................,

Prozessbevollmächtigte: ...............................................,

3. ...............................................,

4. Techniker Krankenkasse,

Bramfelder Straße 140, 22305 Hamburg,

5. AOK Rheinland-Pfalz/Saarland - Die Gesundheitskasse,

Virchowstraße 30, 67304 Eisenberg,

6. BKK für Heilberufe Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung,

Schiess-Straße 43, 40549 Düsseldorf,

7. Bundesagentur für Arbeit,

Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg,

8. Techniker Krankenkasse Pflegeversicherung,

Bramfelder Straße 140, 22305 Hamburg,

9. Pflegekasse bei der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland - Die Gesundheitskasse,

Virchowstraße 30, 67304 Eisenberg,

10. BKK für Heilberufe -Pflegekasse- Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung,

Schiess-Straße 43, 40549 Düsseldorf.

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 10. Februar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. K r e t s c h m e r sowie die Richter K a l t e n s t e i n und B e c k

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. September 2013 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf

60 656,72 Euro

festgesetzt.

Gründe

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob zwischen dem Kläger und den Beigeladenen zu 1. bis 3. versicherungspflichtige abhängige Beschäftigungsverhältnisse bestanden und ob die Beklagte deswegen zu Recht Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von 60 656,72 Euro nachfordert.

2

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 20.9.2013 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

4

Der Kläger beruft sich auf Seite 1 der Beschwerdebegründung vom 8.1.2014 ausdrücklich nur auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.

5

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

6

Der Kläger hat folgende Fragen formuliert, auf denen die Entscheidung des LSG beruhen soll (S 13 der Beschwerdebegründung):

"- ob arbeitsmedizinische Helfer, die in dem arbeitsmedizinischen Dienst eines Betriebes tätig sind und mit dem Betriebsarzt einen Dienstvertrag begründet haben, als Selbstständige oder versicherungspflichtig Beschäftigte tätig sein können und zwar in Anwendung des Arbeitssicherheitsgesetzes, oder sind arbeitsmedizinische Helfer den Heilberufen zuzuordnen;

- ob der Betriebsarzt eine den Heilberufen vergleichbare Tätigkeit ausübt und damit arbeitsmedizinische Helfer den Heilhilfsberufen zuzuordnen sind, die in der Regel nur auf ärztliche Anordnung tätig werden dürfen und im Gegensatz zum Arzt keine Verantwortung tragen;

- ist dem Betroffenen die Eröffnung einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV mitzuteilen bzw. konnte die Beklagte eine Betriebsprüfung ohne formal ordnungsgemäße Beteiligung des Klägers durchführen und nach mehrjähriger Verfahrensdauer, für die kein sachlicher Grund erkennbar ist, unmittelbar einen Bescheid gegen den Kläger erlassen, gestützt auf § 7ff. SGB IV, obwohl die Verfahren nicht identisch sind;

- sind bei der Bewertung, ob eine selbständige Beschäftigung oder ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, sämtliche Merkmale die für und gegen eine Selbständigkeit streiten gegeneinander in einer Gesamtschau abzuwägen und ist dies auch in der Entscheidung im Einzelnen auszuführen und zu würdigen".

7

Bei der unter dem dritten Spiegelstrich formulierten Frage handelt es sich schon um keine abstrakte Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, sondern ersichtlich um eine auf den Einzelfall des Klägers zugeschnittene Fragestellung (..."die Beklagte"..., ..."formal ordnungsgemäße Beteiligung des Klägers" ..., ..."Bescheid gegen den Kläger"...).

8

Hinsichtlich der übrigen vom Kläger aufgeworfenen Fragestellungen kann dahingestellt bleiben, ob es sich um abstrakt-generelle Rechtsfragen im Sinne der vorgenannten Norm handelt. Denn er hat bereits deren Klärungsbedürftigkeit nicht in der gebotenen Weise dargetan.

9

Als höchstrichterlich geklärt muss eine Rechtsfrage auch dann bereits angesehen werden, wenn das Revisionsgericht sie zwar - für einzelne Berufsgruppen oder bestimmte Tätigkeitsfelder - noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen Vorschrift jedoch schon mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. Hier kommt es dann in der Regel (lediglich) auf die Anwendung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt - eine bestimmte Berufsgruppe oder ein bestimmtes Tätigkeitsfeld - an (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Ergeben sich hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage Zweifel, muss die Beschwerde diese ausräumen. Hierzu gehört auch, die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung auf (gemeinsame) Beurteilungsgesichtspunkte hin zu untersuchen oder in der gebotenen Weise Widersprüche und damit Klärungsbedarf herauszuarbeiten. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

10

Der Kläger trägt vor,

das LSG habe sich nicht mit der Tätigkeit eines Arbeitsmediziners bzw eines arbeitsmedizinischen Helfers befasst, sodass eine rechtsfehlerhafte Einordnung in die Berufsgruppe "Heilberufe" erfolgt sei (S 14 f der Beschwerdebegründung),

das Berufungsgericht vermische das Ergebnis eines Statusfeststellungsverfahrens mit dem Ergebnis einer Betriebsprüfung (S 17 [dritter Absatz Mitte] der Beschwerdebegründung),

die Anhörung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung des LSG vom 15.3.2013 sei "nicht ausreichend" gewesen (S 17 [dritter Absatz am Ende] der Beschwerdebegründung),

die Vorinstanz habe es unterlassen, den Lohnsteueraußenprüfer als Zeugen zu vernehmen, sondern stütze sich "pauschal auf seine Anschauung vor Ort und den von ihm gewonnenen 'Eindruck'" (S 17 [vierter Absatz] der Beschwerdebegründung),

die Rechtsauffassung des LSG stehe im Widerspruch zu den in der Entscheidung des BSG vom 4.6.2009 (B 12 R 6/08 R) aufgestellten "Anforderungen" an die Feststellung von Versicherungspflicht (S 18 f der Beschwerdebegründung),

das Urteil des LSG basiere auf einer "rechtsfehlerhaften Anwendung" der von der Rechtsprechung des BSG entwickelten "Bewertungsgrundsätze für eine abhängige Beschäftigung" (S 19 f der Beschwerdebegründung),

das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhafterweise eine "Gesamtschau des zu bewertenden Sachverhaltes nicht vorgenommen" (S 20 der Beschwerdebegründung),

eine "detaillierte Auseinandersetzung mit den in der Rechtsprechung entwickelten Merkmalen zur Unterscheidung einer abhängigen Beschäftigung bzw. Selbstständigkeit" sei nicht erfolgt und die "in ständiger Rechtsprechung angewendeten Merkmale" seien weder "im Einzelnen geprüft, geschweige denn ermittelt" worden (S 28 f der Beschwerdebegründung).

11

Mit diesem und seinem weiteren Beschwerdevortrag rügt der Kläger im Kern nichts anderes als (nur) die Unrichtigkeit der angefochtenen Berufungsentscheidung in seinem Einzelfall, weil er meint, das LSG sei von einem falschen bzw unzureichend geklärten Sachverhalt ausgegangen und/oder habe diesen dann auch noch falsch bewertet, indem es die von der - (auch) in der Beschwerdebegründung zitierten - Rechtsprechung des BSG entwickelten Maßstäbe zur Unterscheidung einer (abhängigen) Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit "rechtsfehlerhaft" angewendet habe. Damit fehlt es aber an plausibler Darlegung, aus welchem Grund weiterer Bedarf an höchstrichterlicher Klärung grundsätzlich bedeutsamer Rechtsfragen über seinen Einzelfall hinaus noch bestehen sollte. Die - vermeintliche - Unrichtigkeit einer Berufungsentscheidung kann - wie oben bereits ausgeführt - von vornherein nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger mit der vom LSG vorgenommenen Beweiswürdigung nicht einverstanden ist (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 iVm § 128 Abs 1 S 1 SGG).

12

Im Übrigen hat der Kläger in seiner Beschwerdebegründung (S 28 f) auch eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren als Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) rügbare "Verletzung der Amtsermittlungspflicht" (vgl § 103 SGG) nicht in gebotener Weise bezeichnet. Denn er hat bereits nicht aufgezeigt, dass er einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG gestellt und diesen bis zuletzt vor dem LSG aufrechterhalten habe (vgl hierzu allgemein BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN).

13

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

14

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

15

5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.

Dr. Kretschmer
Kaltenstein
Beck

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