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Bundessozialgericht
Beschl. v. 15.01.2015, Az.: B 5 R 318/14 B
Klärungsbedarf für eine Rechtsfrage; Höchstrichterliche Klärung; Inhaltliche Anforderungen an eine Beschwerdebegründung
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 15.01.2015
Referenz: JurionRS 2015, 10626
Aktenzeichen: B 5 R 318/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Baden-Württemberg - 22.07.2014 - AZ: L 11 R 2652/13

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG

BSG, 15.01.2015 - B 5 R 318/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Klärungsbedarf entfällt, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich z.B. unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist.

2. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw. das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben.

3. Ebenso kann der Klärungsbedarf durch die Rechtsprechung eines anderen obersten Bundesgerichts entfallen.

4. Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw. des BVerfG sowie ggf. der einschlägigen Rechtsprechung aller obersten Bundesgerichte zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet.

in dem Rechtsstreit

Az: B 5 R 318/14 B

L 11 R 2652/13 (LSG Baden-Württemberg)

S 8 R 1579/12 (SG Konstanz)

....................................,

Kläger und Beschwerdegegner,

Prozessbevollmächtigte: ...........................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Nordbayern,

Wittelsbacherring 11, 95444 Bayreuth,

Beklagte und Beschwerdeführerin.

Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat am 15. Januar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. B e r c h t o l d , die Richterin Dr. G ü n n i k e r und den Richter K a r m a n s k i

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juli 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren.

Gründe

1

Mit Urteil vom 22.7.2014 hat das LSG Baden-Württemberg die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die selbst beschaffte Ausbildung zum Arbeitserzieher Kosten in Höhe von 6540 Euro zu erstatten und ihm ergänzende Leistungen in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 1.9.2011 bis 31.8.2013 zu gewähren.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Beklagte Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung macht sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (I.), eine Rechtsprechungsabweichung (II.) und einen Verfahrensmangel (III.) geltend.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

4

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

5

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

6

I. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 160a RdNr 41).

7

Die Beklagte hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam: "Verengt sich das Ermessen des Versicherungsträgers bei der Auswahl von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die vom Versicherten gewählte Maßnahme, wenn der Versicherte mit einer geeigneten Maßnahme begonnen hat, nachdem der Versicherungsträger die Bewilligung dieser Maßnahme zu Unrecht als ungeeignet abgelehnt hatte? (vgl. redaktioneller Leitsatz bei juris)"

8

Damit hat sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Denn sie lässt schon völlig offen, welches Tatbestandsmerkmal welcher bundesrechtlichen Norm (§ 162 SGG) mit Blick auf welche Bestimmung ausgelegt werden soll, um die Rechtseinheit zu wahren oder das Recht fortzubilden. Die Beklagte verkennt, dass eine Rechtsfrage nicht automatisch dadurch entsteht, dass der "redaktionelle Leitsatz" aus der Datenbank der juris GmbH in einen Fragesatz umformuliert wird.

9

Darüber hinaus zeigt die Beklagte auch nicht schlüssig auf, dass die Frage klärungsbedürftig ist. Klärungsbedarf entfällt, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Ebenso kann der Klärungsbedarf durch die Rechtsprechung eines anderen obersten Bundesgerichts entfallen (BVerwG Beschlüsse vom 6.3.2006 - 10 B 80/05 - Juris RdNr 5 und vom 16.11.2007 - 9 B 36/07 - Juris RdNr 11). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG sowie ggf der einschlägigen Rechtsprechung aller obersten Bundesgerichte zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet ist (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 183 mwN).

10

Hieran fehlt es. Die Beschwerdebegründung geht schon nicht auf die vom LSG zitierte Entscheidung des BVerwG vom 18.10.2012 (5 C 21/11 - BVerwGE 145, 1) ein und setzt sich auch nicht mit den Urteilen des BSG vom 12.8.1982 (11 RA 62/81 - BSGE 54, 54 = SozR 2200 § 1237 Nr 18) und vom 15.11.1989 (5 RJ 1/89 - BSGE 66, 84 = SozR 2200 § 1237 Nr 22) auseinander, wonach dem Versicherungsträger in bestimmten Fällen "kein ermessensfreier Raum mehr" verbleibt, wenn der Versicherte Kostenerstattung für eine selbst beschaffte Maßnahme verlangt, deren Bewilligung zuvor fälschlicherweise abgelehnt worden war. Keinesfalls genügte es, lediglich in Frage zu stellen, ob diese höchstrichterliche Rechtsprechung auf die aktuelle Rechtslage übertragbar sei. Stattdessen hätte die Beschwerdebegründung den jeweiligen Sachverhalt der zitierten Entscheidungen schildern, die dortige Argumentation wiedergeben sowie die rechtlichen Aussagen herausarbeiten und auf dieser Grundlage aufzeigen müssen, ob die dort entwickelten Rechtsgrundsätze noch aktuell sind und eine Antwort auf die angesprochene Frage zulassen oder inwiefern sie für die Entscheidung des Rechtsstreits ggf erweitert, geändert oder ausgestaltet werden müssen (vgl BSG Beschluss vom 8.10.2012 - B 9 V 39/12 B - Juris RdNr 6; Krasney/Udsching, aaO, Kap IX, RdNr 65 f). Die Beklagte verzichtet auf den entscheidenden Schritt, die höchstrichterliche Rechtsprechung dahingehend zu überprüfen, ob und ggf inwieweit die dort aufgestellten Kriterien Antworten für die aufgezeigte Frage bieten. Keinesfalls war eine intensive Befassung mit der (älteren) Rechtsprechung deshalb entbehrlich, weil am 1.7.2001 "mit der Einführung des SGB IX ... das Recht der Rehabilitation behinderter Menschen weiterentwickelt und im Sozialgesetzbuch als weiteres Buch zusammengefasst" worden ist. Denn eine bereits entschiedene Rechtsfrage wird nicht allein dadurch wieder oder erneut klärungsbedürftig, dass seit der höchstrichterlichen Entscheidung geraume Zeit vergangen ist und der Gesetzgeber das Recht zwischenzeitlich weiterentwickelt hat.

11

Wenn die Beschwerdebegründung schließlich angibt, das LSG habe aus seiner (vermeintlich unzutreffenden) Sicht "nur wegen der besonderen Ausnahmekonstellation des Falls eine Ermessensreduzierung auf Null angenommen", hätte sie näher auf darauf eingehen müssen, warum die Rechtsfrage gleichwohl über den konkreten Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung besitzen und Breitenwirkung entfalten könnte. Keinesfalls genügte der nicht weiter spezifizierte Hinweis, aus Sicht der Beklagten seien "tatsächlich ... keine Besonderheiten zu erkennen".

12

II. Auch die Divergenzrüge hat keinen Erfolg. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die BSG oder BVerfG aufgestellt haben, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

13

Die Beklagte macht geltend, der 11. Senat des BSG habe "in den genannten Entscheidungen" den Rechtssatz aufgestellt,

"dass ein Versicherter dadurch, dass er sich eine Umschulungsmaßnahme selbst beschafft, weder Vor- noch Nachteile gegenüber anderen Versicherten erlangen darf, die eine positive Entscheidung des Leistungsträgers abwarten bzw. diese gerichtlich erstreiten."

14

Demgegenüber habe das LSG in der angefochtenen Entscheidung den Rechtssatz gebildet, "dass ein Kostenerstattungsanspruch für eine selbstbeschaffte Maßnahme bereits dann besteht, wenn der Versicherungsträger die Förderung einer für die Wiedereingliederung geeigneten Maßnahme abgelehnt hat, obwohl die Maßnahme tatsächlich geeignet ist."

15

Mit diesen einander gegenüber gestellten Rechtssätzen ist eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG schon deshalb nicht formgerecht bezeichnet, weil beide Rechtssätze in ihrer abstrakten Aussage keinen Widerspruch erkennen lassen. Zudem verschweigt die Beschwerdebegründung, mit welcher anerkannten Methodik an welchen genauen Stellen in welchen Urteilen des BSG bzw des LSG die behaupteten Rechtssätze jeweils aufzufinden sind.

16

Darüber hinaus zeigt die Beklagte auch nicht auf, dass das BSG "in den genannten Entscheidungen" eine Fallkonstellation, die mit derjenigen des Klägers vergleichbar ist, tragend anders entschieden hat als das LSG im angefochtenen Urteil. Dafür genügt es keinesfalls, aus der rechtlichen Begründung der bundesgerichtlichen Entscheidungen einige Textpassagen in indirekter Rede wiederzugeben, ohne gleichzeitig zu schildern, in welchem tatsächlichen und rechtlichen Kontext diese Passagen stehen (vgl hierzu zB BSG Beschluss vom 7.2.2007 - B 6 KA 56/06 B - BeckRS 2007, 41946 RdNr 10 mwN). Zum Kontext der herangezogenen Entscheidung ist der Beschwerdebegründung aber schon deshalb nichts zu entnehmen, weil sie verschweigt, welche Sachverhalte das BSG jeweils zu beurteilen hatte, sodass auch nicht deutlich wird, welche rechtlichen Aussagen es wirklich getroffen hat. Eine konkrete Sachverhaltsdarstellung auch der herangezogenen BSG-Entscheidungen gehört aber zu den Mindestvoraussetzungen, um die Entscheidungserheblichkeit der Divergenzrüge prüfen zu können. Denn eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung kann nur bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt vorliegen, auf den dieselben oder zumindest inhaltsgleiche Rechtsnormen anzuwenden sind. Welche Rechtsnormen das BSG "in den genannten Entscheidungen" herangezogen hat und ob sie im Verhältnis zu § 15 Abs 1 S 4 SGB IX, auf den sich das LSG stützt, vergleichbar formuliert, nach denselben Maßstäben auszulegen und Positivierungen desselben Rechtsgedankens sind (vgl dazu GmSOGB Beschlüsse vom 27.4.1993 - GmS-OGB 1/92 - SozR 3-1750 § 551 Nr 4 und vom 6.2.1973 - GmS-OGB 1/72 - BSGE 35, 293 = SozR Nr 15 zu § 170 SGG; BSG GrS Beschlüsse vom 6.12.1979 - GS 1/79 - BSGE 49, 175 = SozR 5050 § 15 Nr 13 und vom 21.5.1969 - GS 2/67 - BSGE 29, 225 = SozR Nr 14 zu § 1241 RVO), lässt die Beschwerdebegründung ebenfalls offen.

17

III. Schließlich hat die Beklagte auch eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) nicht schlüssig bezeichnet. Ein solcher Verfahrensmangel liegt ua vor, wenn das LSG seine Pflicht verletzt, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen (sog Erwägensrüge, vgl BVerfG SozR 1500 § 62 Nr 13; BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen oder Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (sog Überraschungsentscheidung iS von § 128 Abs 2 SGG; BVerfGE 98, 218 [BVerfG 14.07.1998 - 1 BvR 1640/97]; BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 62 RdNr 8b mwN). Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Darüber hinaus setzt die Gehörsrüge voraus, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl auch BSGE 68, 205, 210 [BSG 19.03.1991 - 2 RU 33/90] = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

18

Die Beklagte trägt vor, das Berufungsgericht habe weder vor noch in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es sich - anders als das SG und damit überraschend - dem Gutachten der Sachverständigen Dr. K. anschließen werde. Damit rügt die Beklagte die Auswertung und Würdigung der aktenkundigen medizinischen Sachverständigengutachten durch das LSG und greift die aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbare Beweiswürdigung an. Mit diesem Vorbringen ist die Beklagte aber von Gesetzes wegen gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG bereits deshalb ausgeschlossen, weil sich ein geltend gemachter Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG (Entscheidung des Gerichts nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung) stützen kann. Für die Annahme einer Überraschungsentscheidung genügt es nicht, dass das Gericht einem Gutachten gefolgt ist oder aus ihm andere Schlüsse als die Beteiligten gezogen hat (vgl BSG Beschlüsse vom 4.8.2004 - B 13 RJ 167/03 B - Juris RdNr 12; vom 20.5.2010 - B 13 R 21/10 B - BeckRS 2010, 70104 RdNr 11). Stattdessen muss jeder Beteiligte bei widerstreitenden Gutachten damit rechnen, dass die Beweiswürdigung nicht in seinem Sinne ausfällt und das Gericht zu seinen Lasten entscheidet. Die Beklagte behauptet nicht, dass ihr das Gutachten der Sachverständigen Dr. K. nicht bekannt gewesen sei oder sie sich nicht zu ihm habe äußern können. Soweit die Beklagte meint, der Grundsatz des rechtlichen Gehörs sei auch dadurch verletzt worden, dass sie keine Möglichkeit gehabt habe, zu den für sie überraschenden Beweiswürdigungen des LSG vor der Entscheidung Stellung zu nehmen, gibt es im Übrigen keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichtet, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene bestimmte Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (vgl BSG Beschlüsse vom 21.9.2006 - B 12 KR 24/06 B - Juris RdNr 9; vom 5.3.2007 - B 4 RS 58/06 B - Juris RdNr 9 und vom 23.4.2009 - B 13 R 15/09 B - Juris RdNr 7). Die Pflicht zur Gehörsgewährung bedeutet nur, dass den Beteiligten die vom Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen und Beweisergebnisse bekannt sein müssen. Dies hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt. Das Gericht muss ihnen aber nicht vorab mitteilen, welche Schlussfolgerungen es aus den Tatsachen bzw Beweisergebnissen ziehen wird (vgl BSG Beschluss vom 17.7.2007 - B 6 KA 14/07 B - BeckRS 2007, 46399 RdNr 7), zumal die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Prozessstoffs erst in der abschließenden Beratung erfolgt.

19

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

20

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Dr. Berchtold
Dr. Günniker
Karmanski

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