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Bundessozialgericht
Beschl. v. 27.11.2014, Az.: B 3 KR 18/14 B
Zuständigkeitsklärung zwischen Rehabilitationsträgern; Feststellung der Zuständigkeit und des Rehabilitationsbedarfs
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 27.11.2014
Referenz: JurionRS 2014, 28440
Aktenzeichen: B 3 KR 18/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Sachsen - 29.04.2014 - AZ: L 5 R 680/13

SG Chemnitz - AZ: S 17 R 936/12

Rechtsgrundlage:

§ 14 SGB IX

BSG, 27.11.2014 - B 3 KR 18/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. § 14 SGB IX enthält nach seinem Wortlaut lediglich Regelungen zur Zuständigkeitsklärung der Rehabilitationsträger; Sinn und Zweck dieser Regelungen ist die möglichst schnelle Leistungsgewährung durch den zuerst angegangenen Rehabilitationsträger gegenüber dem Leistungsberechtigten mit anschließendem Ausgleich der Kosten zwischen den Trägern.

2. Der Leistungsberechtigte soll keinem Zuständigkeitsstreit zwischen den Rehabilitationsträgern ausgesetzt werden.

3. Die Rechtsprechung folgt der gesetzlich vorgegebenen Differenzierung zwischen der Feststellung der Zuständigkeit und der Feststellung des Rehabilitationsbedarfs.

in dem Rechtsstreit

Az: B 3 KR 18/14 B

L 5 R 680/13 (Sächsisches LSG)

S 17 R 936/12 (SG Chemnitz)

.........................................,

Klägerin und Beschwerdegegnerin,

Prozessbevollmächtigte: ..............................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund,

Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,

Beklagte und Beschwerdegegnerin,

beigeladen:

AOK PLUS - Die Gesundheitskasse für Sachsen und Thüringen,

Sternplatz 7, 01067 Dresden,

Beschwerdeführerin.

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat am 27. November 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. W e n n e r , den Richter S c h r i e v e r und die Richterin Dr. W a ß e r sowie die ehrenamtlichen Richter K o c h und Prof. Dr. W e l t i

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 29. April 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Beschwerdeverfahren.

Gründe

I

1

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten, die sie für den Erwerb von Hörgeräten aufgewandt hat. Nachdem ihr am 24.1.2012 erstmals Hörhilfen ärztlich verordnet wurden, beantragte sie diese als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben am 2.3.2012 beim beklagten Rentenversicherungsträger. Dieser lehnte die Leistungsgewährung mit Bescheid vom 8.3.2012 idF des Widerspruchsbescheides vom 12.6.2012 ab, da die Klägerin das Hilfsmittel im privaten wie auch im beruflichen Lebensbereich benötige und es sich bei der Versorgung dieses Grundbedarfs um eine Krankenbehandlung im Sinne des Krankenversicherungsrechts handele. Die Klägerin benötige die Hörgeräte nicht, um speziellen beruflichen Anforderungen gerecht zu werden. Die Beklagte habe daher im Interesse der Klägerin ihren Antrag vorsorglich an die Krankenkasse der Klägerin übersandt bzw zurückgegeben. Ebenfalls am 8.3.2012 leitete die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Versorgung mit Hörhilfen an die beigeladene Krankenkasse weiter. Am 26.3.2012 erwarb die Klägerin Hörgeräte, für welche die Beigeladene den Festbetrag in Höhe von 1015 Euro übernahm und die Klägerin noch weitere 5280 Euro sowie die gesetzliche Zuzahlung in Höhe von 20 Euro leistete. Das SG Chemnitz hat die Beklagte zur Kostenerstattung verurteilt (Gerichtsbescheid vom 7.8.2013); das LSG hat den Gerichtsbescheid geändert, den Bescheid der Beklagten aufgehoben und die Beigeladene zur Erstattung der Kosten von 5280 Euro verurteilt (Urteil vom 29.4.2014). Es hat ausgeführt, die Beigeladene sei nach § 14 SGB IX zuständiger Leistungsträger, da die Beklagte als zuerst angegangener Rehabilitationsträger den Antrag fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang an die Beigeladene weitergeleitet habe. Dabei komme es nicht darauf an, wann der Antrag bei der Beigeladenen eingegangen sei. Die Zuständigkeit sei auch nicht deshalb bei der Beklagten verblieben, weil sie neben der Weiterleitung ihre Unzuständigkeit gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom gleichen Tag festgestellt habe.

2

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beigeladene gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

II

3

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdebegründung den Formerfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in vollem Umfang genügt, denn die von der Beigeladenen aufgeworfene Rechtsfrage rechtfertigt jedenfalls die Zulassung der Revision nicht.

4

Die Beigeladene ist der Auffassung, die Rechtssache werfe folgende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf:

"Hat der erstangegangene Rehabilitationsträger, nachdem er gegenüber dem Antragsteller den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe durch Verwaltungsakt innerhalb der Zwei-Wochen-Prüffrist des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vollständig abgelehnt hat, weiterhin die Möglichkeit, den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe an den nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger mit der Folge weiter zu leiten, dass dieser im Außenverhältnis zum Antragsteller endgültig formell zuständig wird und er (der zweitangegangene Rehabilitationsträger) im Falle der verspäteten oder ausbleibenden Entscheidung Kosten für die selbstbeschaffte Leistung zu erstatten hat?"

5

1. Diese Rechtsfrage ist in der Formulierung der Beigeladenen schon nicht entscheidungserheblich. Denn nach den unangegriffenen Tatsachenfeststellungen des LSG hat die Beklagte den Antrag der Klägerin nicht erst nach dem Erlass des ablehnenden Verwaltungsaktes gegenüber der Klägerin an die Beigeladene weitergeleitet; vielmehr haben beide Vorgänge (Weiterleitung und Feststellung der Unzuständigkeit durch Bescheid) zeitgleich stattgefunden. Die Frage, ob eine Weiterleitungsmöglichkeit nach § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX noch besteht, nachdem eine Leistung auf Teilhabe bereits vollständig abgelehnt worden ist, ist daher für den Rechtsstreit nicht relevant.

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Da nach den unangefochtenen Feststellungen des LSG von der Gleichzeitigkeit der Weiterleitung und der Entscheidung durch Verwaltungsakt auszugehen ist, kommt es auch nicht auf die von der Beigeladenen angeführte Erwägung an, der Antrag habe sich mit der Entscheidung des erstangegangenen Leistungsträgers erledigt und das Verwaltungsverfahren nach § 8 SGB X sei durch Verwaltungsakt bereits beendet gewesen, sodass schon aus diesem Grunde eine Weiterleitung nicht möglich gewesen sei.

7

2. Entscheidungserheblich könnte damit allenfalls die Rechtsfrage sein, ob eine wirksame Weiterleitung iS des § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX mit den daran geknüpften Rechtsfolgen nicht möglich ist, wenn der erstangegangene Träger gleichzeitig mit der Weiterreichung des Antrags an den für zuständig gehaltenen Rehabilitationsträger einen förmlichen Bescheid erlässt, mit welchem er dem Versicherten mitteilt, dass er sich für unzuständig hält.

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Die Beantwortung dieser Rechtsfrage ergibt sich indes bereits eindeutig aus dem Gesetz und der hierzu bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung und ist daher nicht klärungsbedürftig.

9

a) § 14 SGB IX enthält nach seinem Wortlaut lediglich Regelungen zur Zuständigkeitsklärung der Rehabilitationsträger. Sinn und Zweck dieser Regelungen ist die möglichst schnelle Leistungsgewährung durch den zuerst angegangenen Rehabilitationsträger gegenüber dem Leistungsberechtigten mit anschließendem Ausgleich der Kosten zwischen den Trägern (vgl BSGE 98, 267 [BSG 26.06.2007 - B 1 KR 34/06 R] = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 12 ff; Götz in Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 3. Aufl 2009, § 14 RdNr 7 und 23). Der Leistungsberechtigte soll keinem Zuständigkeitsstreit zwischen den Rehabilitationsträgern ausgesetzt werden. Aus diesem Grund unterscheidet die Vorschrift des § 14 SGB IX zwischen der Feststellung der Zuständigkeit - diese hat der zuerst angegangene Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags zu treffen - und der Feststellung des Rehabilitationsbedarfs nach § 14 Abs 2 SGB IX. Hält sich der zuerst angegangene Rehabilitationsträger für unzuständig, hat er den Antrag unverzüglich an den nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX weiterzuleiten. Der Rehabilitationsbedarf ist nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX von dem zuerst angegangenen Rehabilitationsträger festzustellen, wenn er den Antrag nicht weiterleitet; im Falle der Weiterleitung ist der Rehabilitationsbedarf von dem Rehabilitationsträger festzustellen, an den der Antrag weitergeleitet worden ist (§ 14 Abs 2 Satz 3 SGB IX). Damit differenziert § 14 SGB IX erkennbar zwischen der Zuständigkeitsfeststellung und der Feststellung der Rehabilitationsbedarfs. Die Zuständigkeitsfeststellung hat der zuerst angegangene Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu treffen.

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b) Eine solche (Un-)Zuständigkeitsfeststellung hat die Beklagte getroffen und sie hat diese Entscheidung der Klägerin in der Form eines förmlichen Bescheides mitgeteilt. Dies ergibt sich ebenfalls aus den unangegriffenen Feststellungen des LSG. Die Beklagte hat in dem Bescheid ausdrücklich nicht über den Rehabilitationsbedarf der Klägerin entschieden. Sie hat sogar ausgeführt, dass die Klägerin auf das Tragen einer Hörhilfe aus medizinischen Gründen angewiesen sei und sich eine Leistungspflicht des beklagten Rentenversicherungsträgers nur deshalb nicht ergebe, weil das begehrte Hilfsmittel nicht nur für die konkrete Berufsausübung der Klägerin, sondern auch für ihren privaten Lebensbereich erforderlich sei. Die Beklagte hat in dem Bescheid darauf hingewiesen, dass sie den Antrag der Klägerin in deren Interesse an die Krankenkasse übersandt habe.

11

c) Rechtsgründe, die dafür sprechen könnten, dass die gesetzlich ausdrücklich angeordnete Weiterleitung des Antrags an den für zuständig erachteten Rehabilitationsträger zu unterbleiben habe, wenn der zuerst angegangene Rehabilitationsträger die Feststellung seiner Unzuständigkeit nicht nur dem für zuständig erachteten Rehabilitationsträger sondern zeitgleich auch dem Antragsteller mitteilt, sind nicht ersichtlich. Für eine solche Rechtsauffassung bietet das Gesetz keine Anhaltspunkte. Vielmehr hat bereits der 10. Senat in seinem Urteil vom 10.7.2014 (B 10 SF 1/14 R - Juris RdNr 16) zu einer bindenden Ablehnung der Leistungspflicht durch den erstangegangenen Leistungsträger ausdrücklich den Zusatz aufgenommen, dass diese Ablehnung aus anderen Gründen als einem bestehenden Kompetenzkonflikt erfolgt sei. Die Rechtsprechung folgt also der gesetzlich vorgegebenen Differenzierung zwischen der Feststellung der Zuständigkeit und der Feststellung des Rehabilitationsbedarfs.

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Allerdings durfte die Beklagte der Klägerin lediglich die Weiterleitung mitteilen, ohne zugleich einen die Leistung ablehnenden Bescheid zu erlassen. Deshalb hat das LSG den ablehnenden Bescheid der Beklagten zu Recht aufgehoben. Denn § 14 SGB IX dient dem Schutz der Leistungsberechtigten, zwischen die Fronten eines Kompetenzkonfliktes verschiedener Rehabilitationsträger zu geraten und gegen verschiedene Leistungsträger vorgehen zu müssen. Durch eine förmliche Leistungsablehnung des erstangegangenen Trägers steht der Antragsteller - wenn die Leistung auch von dem Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet wurde, ganz oder teilweise abgelehnt wird - aber wiederum zwei Rehabilitationsträgern gegenüber, was ersichtlich dem Sinn und Zweck des § 14 SGB IX nicht gerecht wird. Der ablehnende Bescheid der Beklagten war daher unabhängig von der Frage, welcher Träger letztlich für die Leistung zuständig ist, rechtswidrig und aufzuheben. Das steht allerdings einer wirksamen Weiterleitung an den für zuständig erachteten Rehabilitationsträger nicht entgegen, weil anderenfalls die weitergehenden Regelungen des § 14 SGB IX ins Leere liefen.

13

d) Den von der Beigeladenen im Berufungsverfahren angedeuteten Zweifeln an der Angemessenheit und Wirtschaftlichkeit der konkreten Versorgung kann der Senat nicht nachgehen. Eine rechtsgrundsätzlich bedeutsame, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage hat die Beigeladene im Zusammenhang mit der Höhe des Anspruchs der Klägerin nicht aufgezeigt. Ihre Leistungspflicht dem Grunde nach kann die Beigeladene nicht mehr in Frage stellen, weil sie den Festbetrag für die Hörgeräteversorgung der Klägerin übernommen hat.

14

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Prof. Dr. Wenner
Schriever
Dr. Waßer
Koch
Prof. Dr. Welti

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