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Bundessozialgericht
Beschl. v. 20.10.2014, Az.: B 9 SB 49/14 B
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 20.10.2014
Referenz: JurionRS 2014, 27811
Aktenzeichen: B 9 SB 49/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Thüringen - 06.02.2014 - AZ: L 5 SB 1115/11

SG Gotha - S 4 SB 5/08

BSG, 20.10.2014 - B 9 SB 49/14 B

in dem Rechtsstreit

Az: B 9 SB 49/14 B

L 5 SB 1115/11 (Thüringer LSG)

S 4 SB 5/08 (SG Gotha)

...............................................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigter: ..............................................,

gegen

Landeshauptstadt Erfurt,

Fischmarkt 1, 99084 Erfurt,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat am 20. Oktober 2014 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richterin Dr. R o o s und den Richter O t h m e r

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 6. Februar 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Urteil vom 6.2.2014 hat das Thüringer LSG einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 100 für die Zeit vor Juli 2010 ebenso verneint wie die Zuerkennung der Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung). Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt, die er mit dem Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) begründet.

2

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden.

3

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie hier - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

4

Soweit vom Kläger Verstöße gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt werden, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1.) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu einer weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5.) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45; BSG SozR 1500 § 160a Nr 24, 34). Diesen Erfordernissen ist der Kläger nicht gerecht geworden.

5

Der im Berufungsverfahren bereits anwaltlich vertretene Kläger hat es unterlassen darzulegen, in welchem zweitinstanzlichen Vorbringen ein von ihm gestellter Beweisantrag zu sehen sein soll, dem das LSG nicht gefolgt ist. Darüber hinaus fehlt es auch an der Darlegung, weshalb sich das LSG aus seiner Rechtsansicht zu der vermeintlichen Nichtbeiziehung des fachorthopädischen Gutachtens vom 27.10.1999 vor dem SG Gotha (S 6 RJ 377/98) hätte gedrängt sehen müssen. Insoweit hätte es zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der vermeintlichen Nichtbeiziehung des Gutachtens Ausführungen dazu bedurft, welches Beweisergebnis dieses erbracht hätte (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 und BSG SozR 1500 § 160a Nr 24), und dass dieses Beweisergebnis - ausgehend vom Rechtsstandpunkt des LSG - eine Entscheidung zugunsten des Beschwerdeführers hätte möglich machen können (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 34). Denn nur diese Darlegungen lassen erkennen, weshalb das LSG sich zu dieser weiteren Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen und weshalb die Entscheidung des LSG auf diesem Verfahrensmangel beruhen soll. Dies hat der Kläger versäumt, er setzt sich insbesondere nicht mit der tragenden Begründung des LSG hinsichtlich der Ablehnung des Vorliegens der Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" auseinander. Das LSG hat diese bereits abgelehnt, weil für die Wirbelsäulenerkrankung und die Gonarthrose nach den zuletzt 2006 und 2009 erhobenen Befunden kein GdB von 50 als Voraussetzung für die erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt sei. Vor dem Hintergrund dieser Befundsituation lägen auch die Voraussetzungen der Notwendigkeit ständiger Begleitung nicht vor und habe eine Begutachtung des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet unterbleiben können. Mit diesem Rechtsstandpunkt des LSG setzt sich der Kläger ebenso wenig auseinander wie mit der Frage, weshalb sich das LSG bei dieser Auffassung zu einer weiteren Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen. Dies gilt auch hinsichtlich der vom Kläger kritisierten Feststellung zu seiner Augenerkrankung, zumal er insoweit selbst ausführt, dass diese in ausreichendem Maße aktenkundig dokumentiert sei. Tatsächlich kritisiert der Kläger die Beweiswürdigung des LSG (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG), womit er nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vornherein keine Revisionszulassung erreichen kann. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger eine unzureichende Rechtsanwendung des LSG rügen wollte (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).

6

Soweit der Kläger sinngemäß eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) durch das LSG darin sieht, dass dieses das fachorthopädische Gutachten des Dr. S vom 27.10.1999 an das SG Gotha (S 6 RJ 377/98) übergangen habe, genügt sein Vorbringen ebenfalls nicht den Darlegungserfordernissen. § 62 SGG konkretisiert den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG). Die Vorschrift soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (s § 128 Abs 2 SGG; vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen miteinbezogen wird (BVerfGE 22, 267, 274 [BVerfG 19.07.1967 - 2 BvR 639/66]; 96, 205, 216 f). Das Gericht muss jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten bescheiden. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung von Vorbringen ist nur dann anzunehmen, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (BVerfGE 22 aaO; BVerfGE 96, 205, 217 [BVerfG 08.07.1997 - 1 BvR 1621/94]), zB wenn ein Gericht das Gegenteil des Vorgebrachten - ohne entsprechende Beweisaufnahme - annimmt, oder den Vortrag eines Beteiligten als nicht existent behandelt (vgl BVerfGE 22, 267, 274 [BVerfG 19.07.1967 - 2 BvR 639/66]), oder wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, sofern der Tatsachenvortrag nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht unerheblich ist (BVerfGE 86, 133, 146 [BVerfG 19.05.1992 - 1 BvR 986/91]). Art 103 Abs 1 GG schützt indessen nicht davor, dass ein Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (BVerfGE 64, 1, 12; 76, 93, 98).

7

Hierzu hat der Kläger keinerlei Darlegungen gemacht, sodass nicht ersichtlich ist, weshalb das LSG seinen Vortrag übergangen haben sollte und inwiefern die Entscheidung darauf beruhen könnte. Insbesondere führt er selbst aus, dass er mit seiner Erklärung vom 25.6.2009 gegenüber dem SG Gotha im hiesigen Verfahren die Befundberichte des Dr. S eingeführt habe, womit er "sich explizit auf das fachorthopädische Gutachten vom 27.10.1999 an das Sozialgericht Gotha im Verfahren zu Az S 6 RJ 377/98" beziehe. Damit räumt er selbst ein, die Befunde des Dr. S, insbesondere aus seinem Gutachten vom 27.10.1999 in das Verfahren eingeführt zu haben. Damit hat das LSG auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers kein Vorbringen der Beteiligten übergangen.

8

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Dr. Roos
Othmer

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