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Bundessozialgericht
Beschl. v. 23.08.2010, Az.: B 11 AL 2/10 BH
Anspruch auf Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld; Prüfung der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Abs. 1 S. 1 SGB III durch die Bundesagentur für Arbeit
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 23.08.2010
Referenz: JurionRS 2010, 37686
Aktenzeichen: B 11 AL 2/10 BH
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

SG Mainz - 18.07.2008 - AZ: S 4 AL 316/06

LSG Rheinland-Pfalz - 27.10.2009 - AZ: L 1 AL 95/08

BSG, 23.08.2010 - B 11 AL 2/10 BH

Redaktioneller Leitsatz:

Bei der Prüfung der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Abs. 1 S. 1 SGB III hat die Bundesagentur für Arbeit zunächst das tatsächliche Leistungsvermögen des Arbeitslosen eigenständig zu ermitteln und festzustellen. Denn erst die konkrete Feststellung des vorhandenen Leistungsvermögens bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob auch Arbeitsbereitschaft entsprechend der tatsächlichen Arbeitsfähigkeit des Arbeitslosen bestanden hat. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

in dem Rechtsstreit

Az: B 11 AL 2/10 BH

L 1 AL 95/08 (LSG Rheinland-Pfalz)

S 4 AL 316/06 (SG Mainz)

......................................,

Kläger und Antragsteller,

g e g e n

Bundesagentur für Arbeit,

Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg,

Beklagte.

Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat am 23. August 2010 durch die Vizepräsidentin Dr. Wetzel-Steinwedel sowie den Richter Dr. Leitherer und die Richterin Dr. Roos

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, ihm für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Oktober 2009 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

I

1

Der Kläger begehrt die Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) über den 10.9.2003 hinaus im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens.

2

Der Kläger bezog ab 2.3.2002 Alg. Nachdem sein am 7.5.2001 beim Rentenversicherungsträger gestellter Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung mit Widerspruchsbescheid vom 14.5.2002 abgelehnt worden war und der Kläger bei einer persönlichen Vorsprache am 10.9.2003 erklärt hatte, dass er zu einer Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr in der Lage sei, hob die Beklagte mit Bescheid vom 10.9.2003 die Alg-Bewilligung ab 11.9.2003 auf. Der Widerspruch des Klägers wurde nach Einholung einer gutachtlichen Äußerung des ärztlichen Dienstes vom 9.12.2003 mit Widerspruchsbescheid vom 20.2.2004 mangels subjektiver Arbeitsbereitschaft des Klägers zurückgewiesen.

3

Mit Schreiben vom 19.5.2006 beantragte der Kläger die nochmalige Überprüfung der Leistungsaufhebung mit der Begründung, dass er auf Grund eines am 21.11.2005 vor dem Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz abgeschlossenen Vergleichs derzeit (rückwirkend vom 1.6.2001 an) eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beziehe und sich demzufolge die damalige Einschätzung seines Leistungsvermögens als falsch erwiesen habe. Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag ab (Bescheid vom 7.8.2006; Widerspruchsbescheid vom 14.9.2006). Klage und Berufung blieben ebenfalls ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts [SG] Mainz vom 18.7.2008; Urteil des LSG vom 27.10.2009). Das LSG hat die Rechtmäßigkeit der Leistungsaufhebung wegen mangelnder Arbeitsbereitschaft des Klägers bestätigt, da dieser sich nicht im Rahmen des objektiv vorliegenden Leistungsvermögens zur Verfügung gestellt habe (subjektive Verfügbarkeit).

4

Der Kläger beantragt mit Schreiben vom 11.1.2010 die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die beabsichtigte Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gegen das ihm am 7.1.2010 zugestellte Urteil des LSG.

II

5

Dem Kläger steht PKH nicht zu. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Sozialgerichtsgesetz [SGG] iVm § 114 Zivilprozessordnung). Die Revision ist nur zuzulassen, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung, Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung oder Verfahrensmangel) vorliegt. Ein solcher Grund ist unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers und nach Lage der Akten nicht zu erkennen.

6

a) Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zu. Der Rechtsstreit wirft keine Rechtsfrage auf, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Insbesondere sind die im Zusammenhang mit dem Problem der so genannten Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III; früher § 105a Arbeitsförderungsgesetz) sich stellenden Rechtsfragen zwischenzeitlich durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) geklärt. Danach hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) bei der Prüfung der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Abs 1 Satz 1 SGB III zunächst das tatsächliche Leistungsvermögen des Arbeitslosen eigenständig zu ermitteln und festzustellen. Denn erst die konkrete Feststellung des vorhandenen Leistungsvermögens bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob auch Arbeitsbereitschaft entsprechend der tatsächlichen Arbeitsfähigkeit des Arbeitslosen bestanden hat (§ 119 Abs 2 SGB III). An diesen von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Maßstäben (vgl ua BSG Urteil vom 9.9.1999 - B 11 AL 13/99 R, BSGE 84, 262 = SozR 3-4100 § 105a Nr 7, S 33; BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 30/06 R, SozR 4-4300 § 125 Nr 2) hat sich das Berufungsgericht auch orientiert.

7

b) Der Zulassungsgrund der Abweichung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) greift ebenfalls nicht ein, sodass auch eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg hat.

8

Soweit sich der Kläger in seinem Schreiben vom 11.1.2010 auf die Entscheidung des BSG vom 9.9.1999 (aaO S 34 f) bezieht und meint, das LSG weiche von dieser Entscheidung ab, hat er dieses Urteil offensichtlich missverstanden. Denn dort ist zwar ausgeführt, dass der Arbeitslose nur zur Aufnahme von zumutbaren Beschäftigungen bereit sein muss und ein fiktives Leistungsvermögen kein geeigneter Beurteilungsmaßstab sein kann. Damit ist aber - wie auch die zeitlich spätere Entscheidung des BSG vom 10.5.2007 (aaO S 8) deutlich macht - nur gemeint, dass bei der Prüfung des Anspruchs auf Alg zunächst geklärt werden muss, ob der Arbeitslose zur Aufnahme einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Wochenstunden umfassenden Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes fähig war. Ist dies der Fall, ist weiter zu klären, ob auch Arbeitsbereitschaft entsprechend dem tatsächlichen Leistungsvermögen bestanden hat. Von diesen Prüfungskriterien ausgehend fehlte es bei dem Kläger nach den Feststellungen des LSG an der Arbeitsbereitschaft. Daran vermag - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - die (spätere) Zuerkennung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nichts zu ändern. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist die Beklagte selbst bei Bejahung der Teil- oder Voll-Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger nicht gehindert, abweichend von den Feststellungen des Rentenversicherungsträgers zu entscheiden, dass Erwerbsminderung nicht vorliegt und objektive Verfügbarkeit des Arbeitslosen gegeben ist (vgl BSGE 71, 12 [BSG 12.06.1992 - 11 RAr 35/91] = SozR 3-4100 § 105a Nr 4 und BSGE 84, 262 [BSG 09.09.1999 - B 11 AL 13/99 R] = SozR 3-4100 § 105a Nr 7).

9

c) Anhaltspunkte für Verfahrensfehler, auf denen das Urteil der Vorinstanz beruhen könnte (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), sind nicht vorhanden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers im Schreiben vom 11.1.2010.

10

Sofern sein Vorbringen, das LSG habe zu Unrecht die Vorschrift des § 121 Abs 3 Satz 3 SGB III nicht berücksichtigt und sei von einer zumutbaren Beschäftigung ausgegangen, sinngemäß als eine Rüge fehlerhafter Beweiswürdigung zu verstehen sein sollte, ist darauf hinzuweisen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde hierauf kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG iVm § 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Soweit der Kläger ferner die Richtigkeit der Entscheidung des LSG in Zweifel zieht, ist dieses Vorbringen nicht geeignet, einen Verfahrensmangel zu begründen. Denn bei einem Verfahrensmangel geht es nicht um die Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil. Im Übrigen ist in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht über die Richtigkeit der Entscheidung der Vorinstanz zu befinden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7; stRspr).

11

Der Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist deshalb abzulehnen.

Dr. Wetzel-Steinwedel
Dr. Leitherer
Dr. Roos

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