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Bundesgerichtshof
Urt. v. 24.01.2025, Az.: V ZR 51/24

Begründung eines zivilrechtlichen Wegerechts durch eine Überfahrtbaulast (verneint)

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
24.01.2025
Aktenzeichen
V ZR 51/24
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2025, 10989
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:BGH:2025:240125UVZR51.24.0

Verfahrensgang

vorgehend
AG Pforzheim - 09.02.2023 - AZ: 7 C 1249/22
LG Karlsruhe - 09.02.2024 - AZ: 20 S 17/23

Fundstellen

  • BBB 2025, 60-61
  • BauR 2025, 795-796
  • DNotZ 2025, 294-296
  • MDR 2025, 444-445
  • NJW-RR 2025, 396-397 "Notwegerecht"
  • NJW-Spezial 2025, 226 "Notwegerecht?"
  • NZM 2025, 226-227
  • ZAP EN-Nr. 211/2025
  • ZAP 2025, 385
  • ZfIR 2025, 208-209

Amtlicher Leitsatz

Eine Überfahrtbaulast begründet kein zivilrechtliches Wegerecht.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2025 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Brückner, die Richter Dr. Göbel, Dr. Hamdorf und Dr. Malik und die Richterin Dr. Grau
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe - Zivilkammer XX - vom 9. Februar 2024 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien sind Eigentümerinnen benachbarter Grundstücke, die durch Grundstücksteilung entstanden sind. Das zu Wohnzwecken genutzte Grundstück der Klägerin verfügt über einen Hof und zwei Garagen. Die Zufahrt zu den Garagen erfolgt über einen gepflasterten, über das Grundstück der Beklagten verlaufenden Weg. Eine weitere Zufahrtsmöglichkeit besteht derzeit nicht. Auf dem Grundstück der Beklagten ruht eine Überfahrtbaulast zur Gewährung der Zufahrt zum Grundstück der Klägerin.

2

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Instandsetzung des beschädigten Wegs durch fachgerechtes Pflastern, dessen Instandhaltung, die Entfernung jeglicher Gegenstände von dort, welche die Überfahrt beeinträchtigen, sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren. Die Klage ist bei Amts- und Landgericht ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht meint, die Beklagte sei schon nicht verpflichtet, die Nutzung der Zufahrt zu dulden und müsse den Weg daher weder instand halten noch die Überfahrt behindernde Gegenstände entfernen. Eine Duldungspflicht ergebe sich nicht aus der Baulast, da diese keine unmittelbare zivilrechtliche Wirkung habe. Insbesondere ergebe sich hieraus kein Nutzungsanspruch des Eigentümers des begünstigten Grundstücks. Der Klägerin stehe auch kein Notwegrecht aus § 917 BGB zu. Die Erreichbarkeit der Garagen gehöre nicht zur notwendigen Verbindung, weil das Grundstück über eine öffentliche Straße erreichbar sei und sich dort Parkmöglichkeiten befänden. Das gelte selbst dann, wenn die Zufahrt mittels einer Baulast gesichert sei. Fehlten die Voraussetzungen des § 917 BGB, ergebe sich auch aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis kein Wegerecht.

II.

4

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach die geltend gemachten Ansprüche voraussetzen, dass die Beklagte zur Duldung der Nutzung des Weges durch die Klägerin verpflichtet ist. An dieser Voraussetzung fehlt es.

5

1. Frei von Rechtsfehlern verneint das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Einräumung eines Notwegrechts. Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg, kann der Eigentümer nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

6

a) Welche Art der Benutzung eines Grundstücks im Sinne von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnungsmäßig ist, bestimmt sich nicht nach den persönlichen Bedürfnissen des Eigentümers des verbindungslosen Grundstücks, sondern danach, was nach objektiven Gesichtspunkten diesem Grundstück angemessen ist und den wirtschaftlichen Verhältnissen entspricht. Zu berücksichtigen sind dabei die Benutzungsart und Größe des Grundstücks, seine Umgebung und die sonstigen Umstände des Einzelfalls (vgl. Senat, Urteil vom 19. November 2021 - V ZR 262/20, NJW-RR 2022, 522 Rn. 8 mwN).

7

b) Eine in diesem Sinn ordnungsmäßige Benutzung setzt bei einem Wohngrundstück nach ständiger Rechtsprechung des Senats in der Regel (nur) die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen voraus. Von der Erreichbarkeit des Grundstücks zu unterscheiden ist das Interesse eines Eigentümers, auf sein Grundstück zu fahren und Kraftfahrzeuge dort abzustellen. Grenzt das Grundstück, für das ein Notweg beansprucht wird, an eine öffentliche Straße, kann es mit Kraftfahrzeugen angefahren werden. Objektiv ist das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück für die ordnungsmäßige Benutzung des Wohngrundstücks nicht notwendig. Damit ist seine ordnungsmäßige Benutzung zu Wohnzwecken selbst dann gewährleistet, wenn keine Kraftfahrzeuge auf dem Grundstück abgestellt werden können (näher Senat, Urteil vom 19. November 2021 - V ZR 262/20, NJW-RR 2022, 522 Rn. 9 mwN).

8

c) Nach diesen Grundsätzen verneint das Berufungsgericht zutreffend eine Notsituation des zu Wohnzwecken genutzten und mit einem öffentlichen Weg verbundenen Grundstücks der Klägerin. Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Revision nicht aus der Entscheidung des Senats vom 24. Januar 2020 (V ZR 155/18, NJW 2020, 1360 Rn. 27). Soweit der Senat für den dort zu entscheidenden Fall ausgeführt hat, dass sich die Nutzung der Garagen zum Abstellen von Kraftfahrzeugen nicht als ordnungsmäßige Benutzung im Sinne von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB darstelle, weil die Garagen baurechtlich nicht genehmigt und mangels Erschließung auch nicht genehmigungsfähig seien, ist dem - wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 19. November 2021 (V ZR 262/20, NJW-RR 2022, 522 Rn. 10 mwN) klargestellt hat - nicht im Umkehrschluss zu entnehmen, dass die Nutzung nach öffentlichem Recht zulässiger Bauten ohne weitere Voraussetzungen eine ordnungsmäßige Benutzung des Grundstücks im Sinne von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ist. Dass die auf dem Grundstück genutzten Bauten baurechtlich genehmigt sind, stellt nur eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für ein Notwegrecht dar.

9

d) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass sich der Garagenbau auf einem verbindungslosen Teil des Grundstücks befindet, da das Grundstück nicht gewerblich genutzt wird (näher Senat, Urteil vom 19. November 2021 - V ZR 262/20, NJW-RR 2022, 522 Rn. 13; Urteil vom 24. Januar 2020 - V ZR 155/18, NJW 2020, 1360 Rn. 23).

10

2. Aus der auf dem Grundstück der Beklagten lastenden Überfahrtbaulast folgt ebenfalls keine Duldungspflicht der Beklagten.

11

a) Die im Sinne von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnungsmäßige Benutzung eines zu Wohnzwecken genutzten Grundstücks, welches eine Verbindung mit einem öffentlichen Weg aufweist, erfordert es im Allgemeinen auch dann nicht, dass auf einem verbindungslosen Grundstücksteil errichtete Garagen zum Abstellen von Kraftfahrzeugen genutzt werden können, wenn deren Zufahrt mittels Baulast gesichert ist. Die Baulast als öffentlich-rechtliche Baubeschränkung (vgl. § 71 LBO BW) gewährt - wie das Berufungsgericht zutreffend erkennt - privatrechtlich weder dem dadurch Begünstigten einen Nutzungsanspruch noch verpflichtet sie den Eigentümer, die Nutzung zu dulden (vgl. Senat, Urteil vom 19. November 2021 - V ZR 262/20, NJW-RR 2022, 522 Rn. 15 mwN). Eine Überfahrtbaulast begründet kein zivilrechtliches Wegerecht.

12

b) Soweit für Unterlassungsansprüche und die Arglisteinrede, die dem Herausgabeanspruch des Eigentümers entgegengesetzt wird, bisweilen etwas anderes vertreten wird (vgl. etwa OLG Hamburg, BeckRS 2020, 49488 Rn. 34 ff.; OLG Hamm, ZfIR 2017, 786, 789 ff. [OLG Hamm 06.07.2017 - 5 U 152/16] m. zust. Anm. Burbulla), erscheint dies zweifelhaft, kann aber hier dahinstehen, da die Klägerin keinen Unterlassungsanspruch geltend macht, sondern von der Beklagten ein positives Tun begehrt. Einen solchen Anspruch gewährt eine Baulast ohnehin nicht.

13

3. Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Wege des Schadensersatzes scheidet mangels eines Anspruchs auf Einräumung eines Notwegrechts ebenfalls aus.

III.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Brückner
Hamdorf
Göbel
Malik
Grau