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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 20.01.2015, Az.: X ZR 87/13
Nichtigkeit einer Schenkung aufgrund behaupteter Geschäftsunfähigkeit sowie Bedürftigkeit des Schenkers
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 20.01.2015
Referenz: JurionRS 2015, 10856
Aktenzeichen: X ZR 87/13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Bamberg - 07.01.2013 - AZ: 2 O 513/11

OLG Bamberg - 05.06.2013 - AZ: 3 U 20/13

BGH, 20.01.2015 - X ZR 87/13

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Januar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Hoffmann und Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. Kober-Dehm

beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 5. Juni 2013 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 35.000 € festgesetzt.

Gründe

I. Der Kläger, der seit 30. August 2011 unter Betreuung steht, verlangt 1 vom Beklagten, seinem Neffen, die Rückzahlung von 35.000 €.

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Er macht geltend, dem Beklagten den genannten Geldbetrag zur Verfügung gestellt zu haben. In seiner Klage hat der Kläger zunächst vorgetragen, er habe dem Beklagten das Geld geschenkt, und seinen Rückforderungsanspruch einerseits darauf gestützt, dass die Schenkung wegen seiner Geschäftsunfähigkeit nichtig sei, und andererseits Bedürftigkeit nach § 528 BGB geltend gemacht. Später hat er seinen Rückforderungsanspruch hilfsweise auf § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB gestützt. Der Beklagte hat angegeben, vom Kläger außer einem Betrag von 3.000 € zu Weihnachten im Jahr 2008 oder 2009 kein weiteres Geld bekommen zu haben.

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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Vernehmung der Zeugen P. und A. F. habe ergeben, dass der Kläger dem Beklagten das Geld tatsächlich übergeben und lediglich "geliehen" habe. Der Kläger habe dem Beklagten damit ein zinsloses Darlehen gewährt, zu dessen Rückzahlung der Beklagte verpflichtet sei, nachdem ihn der Betreuer des Klägers bereits im August bzw. September 2011 hierzu aufgefordert und damit das Darlehen gekündigt habe.

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Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage ohne erneute Beweisaufnahme abgewiesen. Der Kläger begehrt mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision und verfolgt sein ursprüngliches Klagebegehren weiter.

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II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Sie führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat das Recht des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

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1. Das Berufungsgericht hat den erstinstanzlich vernommenen Zeugen P. F. entgegen § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 398 Abs. 1 ZPO nicht erneut vernommen, obwohl es dessen Aussagen anders gewürdigt hat als das Landgericht. Diese rechtsfehlerhafte Anwendung des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 4 f.).

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Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellung des ersten Rechtszugs gebunden. Bei Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ist eine erneute Beweisaufnahme zwingend geboten. Insbesondere muss das Berufungsgericht die bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals gemäß § 398 Abs. 1 ZPO vernehmen, wenn es deren Aussagen anders würdigen will als die Vorinstanz. Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (vgl. BGH, aaO, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 4 f. [BGH 14.07.2009 - VIII ZR 3/09]). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

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2. Das Landgericht hat die Aussagen der von ihm vernommenen Zeugen dahin gewürdigt, dass sich daraus ergebe, dass der Kläger dem Beklagten den eingeklagten Geldbetrag tatsächlich übergeben und ihm damit ein zinsloses Darlehen gewährt habe. Das Berufungsgericht meint demgegenüber, dass die Zeugen lediglich bekunden konnten, dass der Kläger ihnen auf Nachfrage und Vorhalt eines Kontoauszugs über eine Barabhebung vom 28. Dezember 2010 geantwortet habe, er habe das Geld dem Beklagten nur geliehen. Den Aussagen lasse sich jedoch nicht entnehmen, dass der Kläger dem Beklagten den Betrag von 35.000 € auch tatsächlich übergeben habe. Die von den Zeugen bekundete Erklärung des Klägers, das Geld dem Beklagten nur geliehen zu haben, reiche angesichts der hochgradigen Altersdemenz des Klägers allein nicht aus, um den Nachweis einer darlehensweisen Übergabe des Betrags von 35.000 € zu führen. Ebenso wenig ergebe sich eine Übergabe des fraglichen Geldbetrages aus der Aussage des Zeugen F. , soweit dieser von einem Gespräch mit dem Beklagten berichtet habe, in dem er diesen auf den Erhalt des Geldbetrages von 35.000 € im Zusammenhang mit der Nutzung von dem Kläger gehörenden Werkzeug angesprochen habe. Es sei außerdem nicht auszuschließen, dass der Beklagte, soweit der Zeuge allgemein von Geld gesprochen habe, dies auf den von ihm eingeräumten Erhalt von 3.000 € bezogen habe. Der Zeuge habe eine definitive Bestätigung, dass der Beklagte das Geld vom Kläger erhalten habe, nicht bekunden können. Ein "Herumdrucksen" des Beklagten, wie der Zeuge es geschildert habe, reiche für eine sichere Überzeugungsbildung hinsichtlich des Erhalts des streitgegenständlichen Geldbetrags nicht aus.

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Soweit das Berufungsgericht darauf abgestellt hat, dass angesichts der hochgradigen Altersdemenz des Klägers dessen Erklärung allein nicht ausreiche, um den Nachweis einer darlehensweisen Übergabe des Geldbetrages zu führen, handelt es sich nicht um eine abweichende Würdigung der Aussagen der Zeugen vor dem Landgericht. Insoweit hat das Berufungsgericht lediglich die Bedeutung der von den Zeugen bekundeten Erklärung des Klägers anders beurteilt, so dass dieser Umstand für sich keine Verpflichtung zur erneuten Anhörung der Zeugen begründet.

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Soweit das Berufungsgericht allerdings angenommen hat, dass sich der Aussage des Zeugen P. F. , soweit dieser über ein Gespräch zwischen ihm und dem Beklagten berichtet hat, in dem er gegenüber dem Beklagten den Erhalt des Geldes zur Sprache gebracht habe, keine Bestätigung seitens des Beklagten über den Erhalt des Geldes entnehmen lasse, hat es die Aussage abweichend vom Landgericht gewürdigt. Da die Aussage des Zeugen in diesem Punkt nicht eindeutig war, weil er einerseits bekundet hat, den Beklagten auf den Erhalt der 35.000 € angesprochen zu haben, und andererseits ausgeführt hat, er habe dem Beklagten nicht konkret vorgehalten, dass er das Geld bekommen habe, hätte sich das Berufungsgericht durch eine erneute Vernehmung des Zeugen einen eigenen Eindruck verschaffen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2002 - VIII ZR 337/00, NJW-RR 2002, 1500; Beschluss vom 18. April 2013 - V ZR 231/12 Rn. 10). Da es hiervon abgesehen hat, hat es den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Die Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Würdigung gelangt wäre, wenn es den Zeugen F. erneut zum Verlauf des Gesprächs mit dem Beklagten vernommen hätte.

Meier-Beck

Grabinski

Hoffmann

Deichfuß

Kober-Dehm

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