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Bundesgerichtshof
Urt. v. 03.12.2014, Az.: RiZ(R) 1/14
Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit durch Formulierungen in einem außerordentlichen Geschäftsprüfungsbericht
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 03.12.2014
Referenz: JurionRS 2014, 30811
Aktenzeichen: RiZ(R) 1/14
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OLG Celle - 16.12.2013 - AZ: DGH 3/13

Verfahrensgegenstand:

Feststellung und Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht

BGH, 03.12.2014 - RiZ(R) 1/14

Der Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - hat ohne mündliche Verhandlung am 3. Dezember 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Bergmann, den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Drescher, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Menges und die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Koch und Gericke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Antragstellerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Dienstgerichtshofs für Richter vom 16. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragstellerin durch Formulierungen in einem außerordentlichen Geschäftsprüfungsbericht des Antragsgegners zu 1., des Landgerichts Lüneburg, vom 13. Juni 2012 in ihrer richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt ist. Darüber hinaus wendet sich die Antragstellerin gegen die auf ihren Widerspruch gegen den Geschäftsprüfungsbericht ergangenen Widerspruchsbescheide des Antragsgegners zu 2.

2

Die im Jahr geborene Antragstellerin ist Richterin am Amtsgericht C. . Seit dem Jahr 2006 war sie mit einem Arbeitskraftanteil von 0,115 Pensen Beisitzerin in der Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts L. . Am 3. Dezember 2011 begann für die Antragstellerin der Mutterschutz.

3

Im Mai 2012 wandte sich der Präsident des Antragsgegners zu 2., des Oberlandesgerichts Celle, schriftlich an die damalige Präsidentin des Antragsgegners zu 1. und bat vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2333/08), nach dem bis spätestens zum 31. Dezember 2011 über die Fortdauer von nachträglich verhängter Sicherungsverwahrung zu entscheiden war, um Bericht über die Verfahrensabläufe in der Strafvollstreckungskammer. Darin sollte der Antragsgegner zu 1. auch darauf eingehen, ob mögliche Versäumnisse ihre Ursache in der Organisation der Arbeitsabläufe der auswärtigen Strafvollstreckungskammer haben könnten.

4

Der Antragsgegner zu 1. führte daraufhin eine außerordentliche Geschäftsprüfung durch und verfasste darüber den die verfahrensgegenständlichen Formulierungen enthaltenden Bericht vom 13. Juni 2012. Dieser ging der Antragstellerin am 17. Januar 2013 per E-Mail zu; sie legte mit Schreiben vom Folgetag Widerspruch ein, den sie damit begründete, dass sie sich in ihrer richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt sehe, weil der Bericht und die darin enthaltenen Wertungen eine Missbilligung ihrer richterlichen Tätigkeiten darstellten.

5

Der Antragsgegner zu 1. half dem Widerspruch nicht ab. Der Antragsgegner zu 2. erließ unter dem 13. Mai 2013 einen Widerspruchsbescheid, der von einer beauftragten Richterin am Oberlandesgericht unterzeichnet ist. Mit einem zweiten, inhaltsgleichen, nunmehr von dem Präsidenten des Antragsgegners zu 2. unterschriebenen Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2013 beschied der Antragsgegner zu 2. den Widerspruch der Antragstellerin erneut.

6

Die Antragstellerin hat im Verfahren vor dem Dienstgerichtshof die Auffassung vertreten, der Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2013 sei rechtswidrig gewesen, weil er nicht vom Präsidenten des Antragsgegners zu 2. unterzeichnet worden sei. Der Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2013 sei gleichfalls rechtswidrig gewesen, weil die Widerspruchsbehörde nach Erlass des ersten Bescheids keinerlei Entscheidungskompetenz mehr gehabt habe und der Bescheid deshalb nicht habe ergehen dürfen.

7

Im Übrigen ist sie der Ansicht gewesen, einzelne Formulierungen in dem Geschäftsprüfungsbericht griffen in unzulässiger Weise in ihre richterliche Unabhängigkeit ein, und hat die Feststellung der Unzulässigkeit der Äußerungen gegenüber beiden Antragsgegnern begehrt.

8

Die Antragstellerin hat hinsichtlich des Antragsgegners zu 1. beantragt,

  1. 1.

    festzustellen, dass die folgenden Äußerungen in dem Geschäftsprüfungsbericht des Antragsgegners zu 1. vom 13. Juni 2012 - Aktenzeichen 3132 I - in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Antragsgegners zu 2. vom 13. Mai 2013,

    hilfsweise in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Antragsgegners zu 2. vom 4. Juli 2013,

    unzulässig sind:

    "In den Maßregelvollzugssachen betreffend E. K. , I. K. und A. S. ist eine stringente, sorgfältige und auf Verfahrensförderung bedachte Bearbeitung der Akten nicht durchgehend erfolgt."

    "In dem Verfahren E. K. ist nicht nachvollziehbar, warum von der Einholung eines allgemein-medizinischen Gutachtens abgesehen worden ist, nachdem ein solches Gutachten zunächst in Auftrag gegeben worden war."

    "In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass einzelne Arbeitsschritte, wie zum Beispiel telefonisch erfolgte Beratungen mit dem Vorsitzenden oder die Übersendung von Beschlüssen zur Unterschrift an den Vorsitzenden in den Akten vielfach nicht dokumentiert werden, was zur Unvollständigkeit und damit auch zur Unübersichtlichkeit der Akten führt."

    "Die Versäumnisse betreffen darüber hinaus in erster Linie Sicherungsverwahrungen in den so genannten Altfällen, für die das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 4.5.2011 eine Überprüfung bis zum 31.12.2011 angeordnet hatte."

    "Ein Anlass, gegen die Richterin disziplinarrechtlich tätig zu werden, wird deshalb von hier aus nicht gesehen."

    "Die Schwangerschaft der Richterin lässt die Versäumnisse in milderem Licht erscheinen."

    "Sie wird allerdings mit den Feststellungen konfrontiert werden müssen."

  2. 2.

    festzustellen, dass es unzulässig ist, dass ihr Widerspruch vom 18. Januar 2013 mit Widerspruchsbescheid des Antragsgegners zu 2. vom 13. Mai 2013 durch eine beauftragte Richterin beschieden worden ist.

9

Der Antragsgegner zu 1. hat beantragt

die gegen ihn gerichteten Anträge zurückzuweisen.

10

Hinsichtlich des Antragsgegners zu 2. hat die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    den Widerspruchsbescheid des Antragsgegners zu 2. vom 4. Juli 2013 aufzuheben und

  2. 2.

    festzustellen, dass die folgenden Äußerungen in dem Geschäftsprüfungsbericht des Antragsgegners zu 1. vom 13. Juni 2012 - Aktenzeichen 3132 I - in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Antragsgegners zu 2. vom 4. Juli 2013, Aktenzeichen 9 L 234 SH, unzulässig sind:

    "In den Maßregelvollzugssachen betreffend E. K. , I. K. und A. S. ist eine stringente, sorgfältige und auf Verfahrensförderung bedachte Bearbeitung der Akten nicht durchgehend erfolgt."

    "In dem Verfahren E. K. ist nicht nachvollziehbar, warum von der Einholung eines allgemein-medizinischen Gutachtens abgesehen worden ist, nachdem ein solches Gutachten zunächst in Auftrag gegeben worden war."

    "In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass einzelne Arbeitsschritte, wie zum Beispiel telefonisch erfolgte Beratungen mit dem Vorsitzenden oder die Übersendung von Beschlüssen zur Unterschrift an den Vorsitzenden in den Akten vielfach nicht dokumentiert werden, was zur Unvollständigkeit und damit auch zur Unübersichtlichkeit der Akten führt."

    "Die Versäumnisse betreffen darüber hinaus in erster Linie Sicherungsverwahrungen in den sogenannten Altfällen, für die das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 4.5.2011 eine Überprüfung bis zum 31.12.2011 angeordnet hatte."

    "Ein Anlass, gegen die Richterin disziplinarrechtlich tätig zu werden, wird deshalb von hier aus nicht gesehen."

    "Die Schwangerschaft der Richterin lässt die Versäumnisse in milderem Licht erscheinen."

    "Sie wird allerdings mit den Feststellungen konfrontiert werden müssen."

11

Der Antragsgegner zu 2. hat beantragt,

die gegen ihn gerichteten Anträge zurückzuweisen.

12

Der Dienstgerichtshof hat mit dem angefochtenen Urteil festgestellt, dass die Äußerungen:

"In dem Verfahren E. K. ist nicht nachvollziehbar, warum von der Einholung eines allgemein-medizinischen Gutachtens abgesehen worden ist, nachdem ein solches Gutachten zunächst in Auftrag gegeben worden war."

und

"In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass telefonisch erfolgte Beratungen mit dem Vorsitzenden in den Akten vielfach nicht dokumentiert werden, was zur Unvollständigkeit und damit auch zur Unübersichtlichkeit der Akten führt."

13

in dem Geschäftsprüfungsbericht des Antragsgegners zu 1. vom 13. Juni 2012 - Aktenzeichen 3132 I - unzulässig seien, und hat die Anträge im Übrigen - ganz überwiegend als unzulässig - zurückgewiesen.

14

Zur Begründung hat er ausgeführt, der Antragstellerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis, soweit sie in den Feststellungsantrag zu 1. gegenüber dem Antragsgegner zu 1. den Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2013 einbezogen habe, nachdem der Antragsgegner zu 2. sowohl vorgerichtlich als auch im gerichtlichen Verfahren erklärt habe, dass sein Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2013 vollständig an die Stelle des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2013 getreten sei und diesen ersetzt habe. Gleiches gelte hinsichtlich des gegen den Antragsgegner zu 1. gerichteten Feststellungsantrags zu 2. Soweit die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner zu 2. beantragt habe, den Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2013 aufzuheben, fehle ihr ebenfalls das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Widerspruchsbescheid gegenüber den angegriffenen Äußerungen keine neue und selbständige Beschwer enthalte; auch der dem Bescheid vermeintlich anhaftende Verfahrensmangel rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Zudem sei der Zweck des Widerspruchsverfahrens erreicht worden, so dass es für das Prüfungsverfahren nicht darauf ankomme, ob die Widerspruchsbescheide rechtsfehlerfrei erlassen worden seien. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass § 108 Abs. 7 NRiG für das Prüfungsverfahren eine von § 113 VwGO abweichende Urteilsformel vorschreibe, so dass auch bei erfolgreicher Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht nur deren Unzulässigkeit festgestellt, nicht aber die Maßnahme aufgehoben werden könne. Soweit die Antragstellerin schließlich auch gegenüber dem Antragsgegner zu 2. die Feststellung der Unzulässigkeit der streitgegenständlichen Äußerungen begehre, könne dieser nicht Gegner eines Prüfungsverfahrens nach § 80 Abs. 1 NRiG sein, weil die angegriffene Maßnahme der Dienstaufsicht allein in dem von dem Antragsgegner zu 1. verfassten Geschäftsprüfungsbericht vom 13. Juni 2012 zu sehen sei.

15

Der nach Auffassung des Dienstgerichtshofs allein zulässige, gegen den Antragsgegner zu 1. gerichtete Antrag, die Unzulässigkeit der im Einzelnen benannten Äußerungen in dem Geschäftsprüfungsbericht vom 13. Juni 2012 festzustellen, sei nur im Umfang der Entscheidungsformel begründet. Im Übrigen stellten die Äußerungen lediglich nach § 26 Abs. 2 DRiG zulässige Ermahnungen an die Antragstellerin dar, ihre Amtsgeschäfte ordnungsgemäß und unverzögert zu erledigen. Soweit sich die Antragstellerin gegen die Verwendung des Begriffs "Versäumnisse" wende, sei diese nicht zu beanstanden, weil es in dem Bericht zulässige, nicht in die richterliche Unabhängigkeit eingreifende Beanstandungen gebe, die der Antragsgegner als "Versäumnisse" habe bezeichnen dürfen. Ob die Antragstellerin ihre Amtsgeschäfte tatsächlich nicht ordnungsgemäß erledigt habe, sei nicht Gegenstand des richterdienstgerichtlichen Prüfungsverfahrens. Bei den Äußerungen, dass ein Anlass, gegen die Antragstellerin disziplinarrechtlich vorzugehen, nicht gesehen werde, sie aber mit den Feststellungen zu konfrontieren sei, handele es sich nicht um Maßnahmen der Dienstaufsicht, sondern um bloße Informationen bzw. die Wiedergabe der Tatsache, dass ihr rechtliches Gehör zu gewähren sei.

16

Die Antragstellerin verfolgt im Revisionsverfahren ihre Anträge - soweit sie erfolglos geblieben sind - weiter. Sie rügt insoweit die Verletzung materiellen Rechts.

17

Die Antragsgegner beantragen,

die Revision der Antragstellerin zurückzuweisen.

18

Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

19

Die gemäß § 80 Nr. 1 NRiG, § 79 Abs. 2, § 80 Abs. 2 DRiG zulässige Revision ist nicht begründet.

20

I. Die Revision hat hinsichtlich der gegen den Antragsgegner zu 2. gerichteten Anträge keinen Erfolg.

21

1. Der Antrag zu 1., den Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2013 aufzuheben, ist jedenfalls unbegründet.

22

a) Soweit der Dienstgerichtshof den Antrag mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen hat, er enthalte gegenüber dem ersten Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2013 keine neue selbständige Beschwer, begegnet dies allerdings rechtlichen Bedenken. Die Antragstellerin macht - indem sie die fehlende Sachbefugnis des Antragsgegners zu 2. rügt - die Unzuständigkeit der Widerspruchsbehörde und damit die Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften geltend (vgl. Eyermann/Happ, VwGO, 14. Aufl., § 79 Rn. 25). Nach der Regelung des § 79 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist in diesen Fällen die isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheids zulässig; die Klage ist nach § 78 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Nds. AG VwGO gegen die Widerspruchsbehörde zu richten. Die Anfechtung des ursprünglichen Verwaltungsakts - hier des Geschäftsprüfungsberichts des Antragsgegners zu 1. - und diejenige des Widerspruchsbescheids können miteinander verbunden werden (vgl. Eyermann/Happ, VwGO, 14. Aufl., § 79 Rn. 29). Ob der behauptete Verfahrensmangel vorliegt, ist hingegen eine Frage der Begründetheit des Antrags, nicht seiner Zulässigkeit.

23

b) Der Antrag, den Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2013 aufzuheben, kann in der vorliegenden Form indes schon deshalb keinen Erfolg haben, weil nach § 108 Abs. 7 NRiG im Prüfungsverfahren nach § 80 Nr. 1 NRiG entweder die Unzulässigkeit der Maßnahme festzustellen oder aber der Antrag zurückzuweisen ist. Die Aufhebung des Widerspruchsbescheids ist im Prüfungsverfahren hingegen kein statthaftes Antragsbegehren.

24

c) Aber auch bei einer Auslegung des Antrags dahin, dass damit - im Prüfungsverfahren statthaft - jedenfalls die Unzulässigkeit des (erneuten) Erlasses des Widerspruchsbescheids als Maßnahme der Dienstaufsicht festgestellt werden solle, dringt die Antragstellerin mit ihrem Begehren nicht durch.

25

Insoweit trifft es zwar zu, dass die Widerspruchsbehörde grundsätzlich jedenfalls mit der Zustellung des Widerspruchsbescheids die Sachherrschaft verliert und deshalb zur Änderung der Entscheidung oder - wie hier - zu ihrem erneuten Erlass nicht befugt ist (BVerwG, Urteil vom 11. Mai 1979 - 6 C 70/78, BVerwGE 58, 100, 105; Eyermann/Rennert, VwGO, 14. Aufl., § 73 Rn. 24 mwN; Schoch/Schneider/Bier/Dolde/Porsch, VwGO, Stand: September 2007, § 73 Rn. 49 mwN). Anderes gilt indes, wenn der Widerspruchsbescheid nach § 79 Abs. 2 VwGO zum Streitgegenstand und die Widerspruchsbehörde deswegen nach § 78 Abs. 2 VwGO zur Beklagten wird. In diesen Fällen bleibt die Widerspruchsbehörde sachbefugt und ist auch schon vor Klageerhebung bis zum Eintritt der Bestandskraft berechtigt, ihre rechtswidrige Entscheidung zu korrigieren (Schoch/Schneider/Bier/Dolde/Porsch, VwGO, Stand: September 2007, § 73 Rn. 48 mwN).

26

So verhält es sich hier: Die Antragstellerin hat den Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2013 bereits mit ihren gegen den Antragsgegner zu 1. gerichteten Anträgen aus der Antragsschrift vom 14. Juni 2013 auch insoweit angegriffen, als er durch die - unzuständige - beauftragte Richterin beim Oberlandesgericht, nicht aber durch dessen Präsidenten erlassen worden war. Damit rügte sie wiederum einen wesentlichen Verfahrensmangel, der nach § 79 Abs. 2 Satz 2 VwGO eine zusätzliche Beschwer darstellen konnte, die gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 VwGO zur isolierten Anfechtung auch des Widerspruchsbescheides berechtigt hätte. Der Antragsgegner zu 2. musste bei dieser Sachlage nicht abwarten, bis die Antragstellerin die Anträge auch gegen ihn richtete, und war befugt, den Widerspruchsbescheid erneut - nunmehr durch den zur Dienstaufsicht befugten Präsidenten des Oberlandesgerichts - zu erlassen. Für die fortbestehende Sachbefugnis des Antragsgegners zu 2. spricht zudem, dass er die Antragstellerin durch die nachträgliche Behebung des Zuständigkeitsmangels - jedenfalls teilweise - klaglos stellte (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. August 1990 - 8 C 66/89, NVwZ-RR 1991, 307; vom 16. Oktober 1980 - 8 C 58/79, Rn. 14; aA insoweit VGH Mannheim, Urteil vom 23. Dezember 1994 - 9 S 653/93, NVwZ-RR 1995, 476, 477 mwN). War der Antragsgegner zu 2. als Widerspruchsbehörde mithin zum erneuten Erlass des Widerspruchsbescheids befugt, stellte dieses Vorgehen keine unzulässige Maßnahme der Dienstaufsicht dar.

27

2. Die Revision ist auch hinsichtlich des Antrages zu 2. auf Feststellung der Unzulässigkeit mehrerer Äußerungen des Antragsgegners zu 1. in dem Geschäftsprüfungsbericht vom 13. Juni 2012 gegenüber dem Antragsgegner zu 2. nicht begründet.

28

Da der Widerspruchsbescheid in der Sache keine zusätzliche selbständige Beschwer enthielt, ist Gegenstand des (verbleibenden) Prüfungsverfahrens nach § 80 Nr. 1 NRiG in entsprechender Anwendung des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nur der ursprüngliche Verwaltungsakt - der Geschäftsprüfungsbericht des Antragsgegners zu 1. vom 13. Juni 2012 - in der Gestalt des Widerspruchsbescheids.

29

Die angegriffene Maßnahme der Dienstaufsicht stammt mithin von dem Präsidenten des Antragsgegners zu 1., der die verfahrensgegenständlichen Äußerungen getätigt hat, nicht aber von dem Antragsgegner zu 2.; letzterer ist - worauf auch der Dienstgerichtshof im Ergebnis zutreffend abgestellt hat - mithin nicht passiv legitimiert.

30

II. Soweit die Antragstellerin ihre gegen den Antragsgegner zu 1. gerichteten Anträge mit der Revision weiter verfolgt, hat ihr Rechtsmittel ebenfalls keinen Erfolg.

31

1. Dies gilt zunächst hinsichtlich des Antrags zu 2., mit dem die Antragstellerin die Feststellung begehrt, dass die Bescheidung ihres Widerspruchs durch eine beauftragte Richterin am Oberlandesgericht unzulässig war. Denn insoweit ist der Antragsgegner zu 1. nicht passiv legitimiert.

32

Wie dargelegt macht die Antragstellerin mit diesem Antrag einen wesentlichen Verfahrensmangel - den Erlass des Widerspruchsbescheids durch eine nicht zur Dienstaufsicht befugte und damit unzuständige Richterin - geltend, der zu einer gegenüber dem Ausgangsbescheid zusätzlichen Beschwer führen würde. In diesen Fällen ist die Klage nach § 78 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Nds. AG VwGO gegen die Widerspruchsbehörde zu richten, nicht gegen die Ausgangsbehörde. Passiv legitimiert wäre insoweit also lediglich der Antragsgegner zu 2., nicht aber der Antragsgegner zu 1.

33

2. Auch hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 1., mit dem sie die Feststellung der Unzulässigkeit der verfahrensgegenständlichen Äußerungen in dem Geschäftsprüfungsbericht des Antragsgegners zu 1. begehrt, bleibt die Revision erfolglos.

34

a) Insoweit hat der Dienstgerichtshof zutreffend angenommen, dass der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, in ihren Antrag den Widerspruchsbescheid des Antragsgegners zu 2. vom 13. Mai 2013 einzubeziehen. Abgesehen davon, dass die Bescheidung des Widerspruchs durch eine beauftragte Richterin möglicherweise unzulässig war (siehe oben II. 1.), entfaltet dieser Widerspruchsbescheid keine Wirkungen mehr, nachdem der Antragsgegner zu 2. - berechtigterweise (siehe oben I. 1.) - den Widerspruch erneut - nunmehr durch den zuständigen Präsidenten des Oberlandesgerichts - beschieden hat.

35

b) Ebenfalls zu Recht ist der Dienstgerichtshof weiter davon ausgegangen, dass im Verfahren nach § 80 Nr. 1 NRiG die Überprüfung einer Maßnahme der Dienstaufsicht darauf beschränkt ist, ob sie in die richterliche Unabhängigkeit aus Art. 97 Abs. 1 GG eingreift. Nach der ständigen Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes befinden die Richterdienstgerichte nach § 26 Abs. 3 DRiG hingegen nicht darüber, ob eine Maßnahme der Dienstaufsicht auch aus anderen Gründen rechtswidrig und damit unzulässig ist (vgl. BGH, Urteile vom 31. Januar 1984 - RiZ (R) 3/83, BGHZ 90, 41, 48 ff.; vom 27. Januar 1995 - RiZ (R) 3/94, DRiZ 1995, 352, 353; vom 14. April 1997 - RiZ (R) 1/96, DRiZ 1997, 467, 468). Zu dem damit der Prüfung der Richterdienstgerichte entzogenen Bereich der allgemeinen Rechtmäßigkeit der dienstaufsichtsrechtlichen Maßnahmen zählt auch - entgegen der Auffassung der Revision - die Frage, ob die vom Antragsgegner zu 1. in seinem Geschäftsprüfungsbericht getroffenen Feststellungen sachlich richtig sind; dies ist nicht von den Richterdienstgerichten zu prüfen, vielmehr ist insoweit der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet (vgl. BGH, Urteile vom 31. Januar 1984 - RiZ (R) 3/83, BGHZ 90, 41, 48; vom 14. April 1997 - RiZ (R) 1/96, DRiZ 1997, 467, 468). Soweit also die Antragstellerin weiterhin darauf abstellt, sie habe entgegen den Feststellungen in dem Geschäftsprüfungsbericht ihre Amtsgeschäfte ordnungsgemäß erledigt, weshalb ihr die ordnungswidrige Art der Ausführung der Amtsgeschäfte nicht habe vorgehalten werden dürfen, kann sie damit im Prüfungsverfahren nicht durchdringen.

36

c) Auch im Übrigen zeigt die Revision Rechtsfehler in der angegriffenen Entscheidung des Dienstgerichtshofes nicht auf.

37

Dieser hat die einzelnen angegriffenen Äußerungen aus dem Geschäftsprüfungsbericht einer eingehenden Überprüfung unterzogen und ist mit rechtsfehlerfreier Begründung jeweils zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragstellerin durch diese - soweit der Dienstgerichtshof ihren Anträgen nicht stattgegeben hat - nicht in ihrer richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt worden ist.

38

Im Einzelnen:

39

aa) Der Dienstgerichtshof hat ausgeführt, die erste beanstandete Äußerung enthalte den Vorwurf, die Antragstellerin arbeite nicht zügig, fördere die Verfahren nicht und ihre Aktenführung sei mangelhaft. Diese Kritik beziehe sich eindeutig nicht auf Inhalte von Entscheidungen oder entscheidungsvorbereitender Verfahrensschritte, sondern nur auf die Art und Weise, wie die Antragstellerin die Akten führe und den ordnungsgemäßen Geschäftsablauf sicherstelle. Damit hat der Dienstgerichtshof die insoweit gerügten richterlichen Tätigkeiten der Antragstellerin als dem Bereich der äußeren Ordnung zugehörig angesehen, in dem einem Richter die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorgehalten und er zur ordnungsgemäßen Erledigung gemahnt werden kann (vgl. insoweit Schmidt-Räntsch, DRiG, 6. Aufl. § 26 Rn. 24 f. mwN). Dies ist mit Blick auf die beanstandete Formulierung in dem Geschäftsprüfungsbericht revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf, solche sind auch sonst nicht ersichtlich.

40

In einem zweiten Schritt hat der Dienstgerichtshof hervorgehoben, dass richterliche Unabhängigkeit in erster Linie Weisungsfreiheit bedeute, und insoweit festgestellt, dass die beanstandete Äußerung keine konkrete, verfahrensoder fallbezogene Anweisung enthalten habe. Es liege mithin nur eine im Sinne von § 26 Abs. 2 DRiG zulässige Ermahnung der Antragstellerin vor, ihre Amtsgeschäfte ordnungsgemäß zu erledigen. Auch insoweit hat die Überprüfung des Urteils Rechtsfehler zum Nachteil der Antragstellerin nicht ergeben. Die Auffassung des Dienstgerichtshofs, dass eine Maßnahme, die nicht geeignet ist, einen Richter auf direkte oder indirekte Weise zu veranlassen, eine Verfahrens- oder Sachentscheidung künftig in einem anderen Sinne zu treffen, diesen nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletze, entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes (vgl. etwa BGH, Urteile vom 23. Oktober 1963 - RiZ 1/62, BGHZ 42, 163, 169 ff.; vom 17. Oktober 1977 - RiZ (R) 2/77, BGHZ 70, 1, 4; vom 31. Januar 1984 - RiZ (R) 3/83, BGHZ 90, 41, 44 mwN).

41

bb) Rechtsfehlerfrei ist auch die Einordnung und Beurteilung der - nach dem Urteil des Dienstgerichtshofs verbleibenden - Anmerkung, "dass einzelne Arbeitsschritte, wie zum Beispiel die Übersendung von Beschlüssen zur Unterschrift an den Vorsitzenden in den Akten vielfach nicht dokumentiert" würden, "was zur Unvollständigkeit und damit auch zur Unübersichtlichkeit der Akten" führe. Auch insoweit ist nur der äußere Ablauf der Aktenführung angesprochen; ein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit ist nicht ersichtlich und wird von der Revision auch nicht aufgezeigt.

42

cc) Hinsichtlich zweier weiterer Formulierungen beanstandet die Antragstellerin erkennbar allein die Verwendung des Begriffs "Versäumnisse". Wie der Dienstgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, zeigt der Bericht Umstände auf, die Versäumnisse im Sinne einer nicht ordnungsgemäßen Amtsführung darstellen könnten, auf die der Antragsgegner zu 1. - ohne die richterliche Unabhängigkeit der Antragstellerin zu beeinträchtigen - hinweisen durfte. Ob die vom Antragsgegner zu 1. getroffenen Feststellungen sachlich richtig waren, mithin, ob es die genannten Versäumnisse tatsächlich gegeben hat, ist nach obigen Darlegungen (siehe oben II. 2. b) im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.

43

dd) Auch die Behandlung der verbleibenden Äußerungen durch den Dienstgerichtshof begegnet keinen Bedenken. Die Mitteilung, der Antragsgegner zu 1. habe keinen Anlass für ein disziplinarrechtliches Vorgehen gesehen, stellt keine Maßnahme der Dienstaufsicht sondern eine bloße Information dar, zu der der Antragsgegner zu 1., der bei Vorliegen von dienstlichem Fehlverhalten disziplinarrechtliche Folgen zu prüfen hatte, jedenfalls befugt war. Die Erklärung, die Antragstellerin sei mit den Feststellungen zu konfrontieren, ist schließlich ersichtlich nicht geeignet, der Antragstellerin in irgendeiner Weise nahe zu legen, wie sie in Zukunft verfahren oder entscheiden solle, und stellt deshalb ebenfalls keine unzulässige Maßnahme der Dienstaufsicht dar.

44

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 Abs. 1 DRiG, § 154 Abs. 2VwGO.

Bergmann

Drescher

Menges

Koch

Gericke

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