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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 04.06.2013, Az.: 2 StR 4/13
Vorliegen der Voraussetzungen einer Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen (hier: der besonders schweren räuberischen Erpressung)
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 04.06.2013
Referenz: JurionRS 2013, 38366
Aktenzeichen: 2 StR 4/13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Darmstadt - 13.09.2012

Fundstellen:

NStZ 2013, 6

NStZ 2013, 578-579

Verfahrensgegenstand:

Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung

BGH, 04.06.2013 - 2 StR 4/13

Redaktioneller Leitsatz:

1.

Eine Garantenstellung aus vorangegangenem Tun setzt voraus, dass ein Vorverhalten die nahe Gefahr eines Eintritts gerade des tatbestandmäßigen Erfolges herbeigeführt hat.

2.

Dagegen haftet der Angeklagte für einen Exzess des (Mit-)Täters, der nicht durch sein Vorverhalten bestärkt worden ist, nicht als Ingerent.

3.

Der Vorsatz bei unechten Unterlassungsdelikten muss auch die tatsächlichen Umstände umfassen, welche die Garantenpflicht begründen.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 4. Juni 2013 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 13. September 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.

  2. 2.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

2

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloss sich der Angeklagte wegen eines ihm von einer Gruppe unbekannter Osteuropäer gewährten Darlehens, das er nicht zurückzahlen konnte, eine Bank zu überfallen, deren örtliche Begebenheiten er als ehemaliger Kunde kannte. Da der Angeklagte ein Fluchtfahrzeug samt Fahrer benötigte, selbst aber über keinen Pkw verfügte, wandte er sich an seine Geldgeber. Diese erklärten sich bereit, ihm ein Fahrzeug nebst Fahrer zur Verfügung zu stellen, der den Angeklagten an seinem Wohnort abholen, zur Bank und nach dem Überfall wieder nach Hause fahren sollte. Ferner erklärten sich die Geldgeber bereit, dem Angeklagten eine einsatzbereite Schreckschusswaffe zur Verfügung zu stellen.

3

Am Morgen des 3. März 2011 ließ sich der Angeklagte, ausgerüstet mit einer Sturmhaube und Handschuhen, von einem ihm unbekannten Osteuropäer in die Nähe des vorgesehenen Tatorts bringen. Nachdem der Unbekannte sein Fahrzeug geparkt hatte, fühlte sich der Angeklagte nicht mehr in der Lage, den Banküberfall auszuführen und war "wie gelähmt". Er teilte dem Fahrer mit, dass er die Bank nicht überfallen werde, verließ trotz dessen Drohungen den Pkw und entfernte sich. Handschuhe und Sturmhaube ließ der Angeklagte zurück, wobei er "damit rechnete und billigend in Kauf nahm, dass der Überfall nun statt seiner von dem Fahrer unter Nutzung seiner Handschuhe und Sturmhaube begangen würde" (UA S. 5). Der Fahrer zog sich Handschuhe und Sturmhaube des Angeklagten über und betrat bewaffnet mit der von ihm mitgebrachten geladenen Schreckschusspistole die Bank. Mit der Waffe bedrohte er die sich hinter dem Tresen befindliche Zeugin M. und forderte Geld. Die Zeugin M. holte unter dem Eindruck der Drohung insgesamt 15.990 ? aus dem Tresor und übergab das Geld dem Unbekannten. Bei seiner anschließenden Flucht nahm der Unbekannte den zwischenzeitlich zum Fluchtfahrzeug zurückgekehrten Angeklagten mit und erzählte ihm während der Fahrt, wie sich der Überfall im Einzelnen abgespielt habe. Zugleich forderte er den Angeklagten aber auf, niemanden davon zu erzählen und sich gegenüber der Polizei ggf. selbst als Täter des Überfalls zu bekennen. Von der Beute behielt der Unbekannte 12.000 ? für sich, den Rest sowie die Tatwaffe übergab er dem Angeklagten.

4

2. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

5

a) Die Strafkammer wertet ohne Begründung die "Zurverfügungstellung von Handschuhen und Sturmhaube" als Beihilfehandlung. Dabei hat sie nicht bedacht, dass nach den Feststellungen dem Angeklagten der Sache nach ein Unterlassen, nämlich die unterlassene Mitnahme der späteren Tatmittel, vorzuwerfen ist. Zwar handelt es sich bei dem Verlassen des Fahrzeugs um ein aktives Tun, hierdurch hätte der Angeklagte für sich genommen aber die nachfolgende Tatbegehung nicht gefördert.

6

b) Die insoweit lückenhaften Feststellungen belegen die Voraussetzungen einer Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen nicht.

7

Eine Garantenstellung aus vorangegangenem Tun, die hier allein in Betracht kommt, setzt voraus, dass ein Vorverhalten die nahe Gefahr eines Eintritts gerade des tatbestandmäßigen Erfolges herbeigeführt hat. Dagegen würde der Angeklagte für einen Exzess des Fahrers, der nicht durch sein Vorverhalten bestärkt worden ist, nicht als Ingerent haften (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2012 - 3 StR 446/11, NStZ 2012, 379, 380 mwN). Auch muss der Vorsatz bei unechten Unterlassungsdelikten die tatsächlichen Umstände umfassen, welche die Garantenpflicht begründen (vgl. BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 29. Mai 1961 - GSSt 1/61, BGHSt 16, 155, 158; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 13 Rn. 87; Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 15 Rn. 96). An der gebotenen Erörterung dieser Umstände hat es die Strafkammer fehlen lassen. Aus den Feststellungen ergibt sich nicht, auf Grund welcher konkreten Umstände der Angeklagte den - hier nicht auf der Hand liegenden - Schluss gezogen haben könnte, der ihm unbekannte und mit den örtlichen Begebenheiten nicht vertraute Fahrer selbst werde nun möglicherweise den Überfall unter Verwendung der vom Angeklagten zurückgelassenen Handschuhen und Sturmhaube begehen.

8

c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung wegen Beihilfe - durch aktives Tun oder Unterlassen - oder auch wegen Täterschaft rechtfertigen könnten. Die Urteilsgründe lassen vielmehr besorgen, dass die Strafkammer vor dem Hintergrund der Täterbeschreibung durch die Zeugin J. ihren Feststellungen vorschnell die lebensfremde Einlassung des Angeklagten zu Grunde gelegt hat, ohne - wie es geboten gewesen wäre - diese zuvor auf ihre Plausibilität zu überprüfen und sodann in die Gesamtschau der ansonsten festgestellten Tatumstände einzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2010 - 5 StR 75/10, NStZ 2010, 503, 504). Bei dieser Sachlage hebt der Senat das Urteil mit sämtlichen Feststellungen auf.

9

3. Der Senat sieht Anlass zu folgendem Hinweis:

10

Der neue Tatrichter wird, anders als bisher, die konkrete Wahrnehmungssituation der Zeugin J. in den Blick zu nehmen haben, die den Täter nur kurz durch das lamellenbehangene Bürofenster der Bank sah, als dieser die Sturmhaube vom Kopf zog (vgl. UA S. 6). Diese Umstände werden, ebenso wie die festgestellten erheblichen Belastungsindizien, in eine Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses miteinzubeziehen sein, anhand derer der neue Tatrichter zu beurteilen haben wird, ob die Einlassung des Angeklagten geeignet ist, die Überzeugungsbildung des Gerichts zu beeinflussen. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. April 2007 - 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324, 325 mwN).

Becker

Fischer

Schmitt

Berger

Eschelbach

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