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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 23.11.2011, Az.: IV ZR 40/11
Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache bei auf Umständen des Einzelfalles beruhenden Beurteilung der zwischen der HEROS-Gruppe und Versicherungsunternehmen abgeschlossenen Policen
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 23.11.2011
Referenz: JurionRS 2011, 30782
Aktenzeichen: IV ZR 40/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Hannover - 14.08.2009 - AZ: 8 O 256/08

OLG Celle - 27.01.2011 - AZ: 8 U 195/09

nachgehend:

BGH - 18.01.2012 - AZ: IV ZR 40/11

BGH, 23.11.2011 - IV ZR 40/11

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Die Arglistanfechtung kann nicht in den Versicherungsbedingungen wirksam ausgeschlossen werden.

  2. 2.

    Eine grundsätzliche Bedeutung iSd. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO besteht nicht, wenn sich die Rechtssache auf einen abgeschlossenen Kreis von Geschädigten bezieht (ausschließlich Versicherte eines Versicherungsvertrages).

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Wendt, Felsch, die Richterinnen Harsdorf-Gebhardt und Dr. Brockmöller

am 23. November 2011

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 27. Januar 2011 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Streitwert: bis 1.950.000 €

Gründe

1

I. Die Klägerin fordert von der Beklagten als führendem Versicherer anteilige Versicherungsleistungen aus einer von der HEROS -Gruppe mit mehreren Versicherungsunternehmen abgeschlossenen "Valorenversicherung", deren Bedingungen auszu gsweise im Senatsurteil vom 25. Mai 2011 (IV ZR 117/09 - Geldtransporte HEROS I, VersR 2011, 918 Rn. 1) und im Senatsbeschluss vom 21. September 2011 (IV ZR 38/09 Geldtransporte HEROS II, [...] Rn. 1) wiedergegeben sind. Die Klägerin, Betreiberin zahlreicher Drogeriemärkte, ist Versicherte dieses Vertrages. Sie hatte die HEROS-Transport GmbH unter anderem damit beauftragt, Bargeld von ihren Filialen abzuholen und nach Auszählung zu Bundesbankfilialen zu transportieren, ferner ihre Filialen mit Münzgeld zu versorgen. Nach ihrer Behauptung hat sie infolge vertragswidrigen Verhaltens der HEROS-Gruppe sowohl im Rahmen der Bargeldentsorgung als auch der Bargeldversorgung erhebliche Schäden erlitten, deren anteilige Erstattung sie von der Beklagten verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.

2

II. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine Zulassung der Revision war schon im Zeitpunkt de r Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geboten, so dass es auf die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Revision im Übrigen nicht ankommt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2004 - IV ZR 386/02, VersR 2005, 809 unter II 2 m.w.N.).

3

1. Soweit das Berufungsgericht für den Schaden der Klägerin aus unterbliebener Bargeldversorgung einen Versicherungsfall verneint, liegt ein Revisionszulassungsgrund schon deshalb nicht vor, weil sein Urteil auf den von der Beschwerde behaupteten Rechtsfehlern jedenfalls nicht beruht. Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage im Weiteren auch darauf gestützt, dass die Beklagte ihre Annahme des Versicherungsvertrages mit der Policennummer 7509 wirksam nach § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung angefochten habe. Die Gründe, die den Senat bewogen haben, zur Klärung der Voraussetzungen des Versicherungsfalles die Revision in der Sache IV ZR 117/09 (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2011 aaO) zuzulassen, liegen mithin hier nicht vor.

4

2. Die Zulassung der Revision ist aber auch insoweit nicht geboten, als das Berufungsgericht die Arglistanfechtung hat durchgreifen lassen.

5

a) Zwar hat der Senat in der Sache IV ZR 38/09, in der die Klage einer anderen Versicherten vom Berufungsgericht ebenfalls mit der Begründung abgewiesen worden war, die Beklagte habe den Versicherungsvertrag mit der HEROS-Gruppe wirksam angefochten, die Revision mit Beschluss vom 21. September 2011 (Geldtransporte HEROS II -aaO) zugelassen. Alleiniger Zulassungsgrund war dort jedoch, dass d as Berufungsgericht einen Beweisantritt auf Vernehmung zweier Zeugen zur Frage der Kenntnis der Beklagten vom Anfechtungsgrund übergangen und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen hatte (aaO Rn. 12 ff.). Der Senat hat deshalb das dortige Beru fungsurteil nach § 544 Abs. 7 ZPO im Beschlusswege aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Eine solche Verfahrensrüge erhebt die Beschwerdeführerin hier nicht.

6

b) Keiner grundsätzlichen Klärung bedarf, inwieweit die Arglistanfechtung in Ziffer 13.4 der Versicherungsbedingungen wirksam ausgeschlossen werden konnte. Der Bundesgerichtshof hat einen vergleichbaren vertraglichen Anfechtungsausschluss bereits mit Urteil vom 17. Januar 2007 (VIII ZR 37/06, VersR 2007, 1084 Rn. 6 [BGH 17.01.2007 - VIII ZR 37/06]) für unwirksam erachtet. Ergänzend wird dazu auf den Senatsbeschluss vom 21. September 2011 (aaO Rn. 27-33) verwiesen.

7

c) Darin hat der Senat allerdings im Rahmen eines Hinweises für die neue Verhandlung (aaO Rn. 53-59) die Begründung beanstandet, mit der das Berufungsgericht es bisher auch im vorliegenden Rechtsstreit verneint hat, dass die Arglistanfechtung über den Abschluss des Versicherungsvertrages Nr. 7509 hinaus auch die zeitgleiche einvernehmliche Aufhebung der Vorgänger-Police Nr. 7265 erfasst und im Ergebnis zu deren Wiederaufleben führt. Wenngleich dem Berufungsgericht mithin bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 139 BGB ein Rechtsfehler unterlaufen ist, gebietet dies nicht die Zulassung der Revision.

8

An einer grundsätzlichen Bedeutung i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO fehlt es schon deshalb, weil die allein auf Umständen des Einzelfalles beruhende Entscheidung nur für die beiden zwischen der HEROS-Gruppe und der Beklagten abgeschlossenen Versicherungspolicen und die dazu erklärte Arglistanfechtung bedeutsam ist. Zwar ist mittelbar eine Reihe Versicherter dieser beiden Verträge mit behaupteten Schäden von mehreren Millionen Euro betroffen, doch handelt es sich insoweit sämtlich um ehemalige Auftraggeber der Versicherungsnehmerin (HEROS-Gruppe) und damit um einen abgeschlossenen Kreis von Geschädigten, weshalb sich die vom Berufungsgericht entschiedene Rechtsfrage nicht in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Oktober 2002 XI ZR 71/02, BGHZ 152, 181, 191; vom 4. Juli 2002 V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 223). Einen verallgemeinerungsfähigen unrichtigen Rechtssatz hat das Berufungsgericht bei Prüfung der Voraussetzungen des § 139 BGB nicht aufgestellt. Seine Entscheidung steht deshalb nicht in Divergenz zum Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 16. Mai 2007 (VersR 2007, 1681 [OLG Saarbrücken 16.05.2007 - 5 U 590/06]), so dass die Zulassung der Revision nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfolgen muss (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Dass das Berufungsgericht Verfahrensgrundrechte der Klägerin bei der Prüfung des § 139 BGB verletzt hätte, ist nicht ersichtlich.

9

Es kommt hinzu, dass Zulassungsgründe in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt werden müss en (§ 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO), die Beschwerdeführerin den vorgenannten Rechtsfehler des Berufungsgerichts jedoch nicht beanstandet.

10

3. Wegen der weiteren Rügen der Beschwerdeführerin wird ergänzend auf den Senatsbeschluss vom 21. September 2011 (IV ZR 38/09 aaO) verwiesen. Die Rügen der Verletzung von Verfahrensgrundrechten hat der Senat auch im Übrigen geprüft, sie greifen nicht durch. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Dr. Kessal-Wulf

Wendt

Felsch

Harsdorf-Gebhardt

Dr. Brockmöller

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