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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 11.11.2010, Az.: 4 StR 489/10
Angemessenheit eines Schuldspruchs aufgrund einer Körperverletzung in fünf Fällen und einer versuchten Nötigung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 11.11.2010
Referenz: JurionRS 2010, 29305
Aktenzeichen: 4 StR 489/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Saarbrücken - 16.06.2010

Rechtsgrundlage:

§ 223 Abs. 1 StGB

Verfahrensgegenstand:

Körperverletzung u. a.

BGH, 11.11.2010 - 4 StR 489/10

Redaktioneller Leitsatz:

Werden Schläge als Körperverletzung abgeurteilt, ist jedenfalls für die Strafzumessung von Bedeutung, wie oft und wie heftig der Täter zugeschlagen hat, ob das Opfer durch die Schläge über die körperliche Misshandlung hinaus an der Gesundheit geschädigt worden ist und in welchem Ausmaß es gegebenenfalls solche Beeinträchtigungen erlitten hat.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers
am 11. November 2010
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 16. Juni 2010 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

  2. 2.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht - Strafrichter - Saarlouis zurückverwiesen.

  3. 3.

    Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in fünf Fällen und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1.

Die Verfahrensvoraussetzungen nach § 230 Abs. 1 Satz 1 StGB hinsichtlich der Körperverletzungsdelikte liegen vor. Die Staatsanwaltschaft hat bereits in der Anklageschrift das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht, "soweit erforderlich".

3

2.

Während der Schuldspruch wegen Körperverletzung in fünf Fällen gerade noch durch die Feststellungen getragen wird, hält der Strafausspruch in diesen Fällen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zu den Körperverletzungen lediglich festgestellt, dass der Angeklagte die Nebenklägerin im Jahr 2007 am ganzen Körper schlug (Fall 1 der Anklage), dass er sie am 5. oder 6. August 2008 beschimpfte und schlug (Fall 7 der Anklage), dass er sie am 2. oder 3. September 2008 erneut beschimpfte und ihr Schläge mit der Hand versetzte (Fall 11 der Anklage), und dass er sie ebenso am Abend des 30. November 2008 (Fall 14 der Anklage) und am Morgen des 3. Dezember 2008 (Fall 15 der Anklage) schlug. Für jeden dieser Fälle hat das Landgericht eine Einzelstrafe von sechs Monaten festgesetzt. Dabei hat es berücksichtigt, dass die Folgen der Taten für die Nebenklägerin nicht gravierend waren und weiter ausgeführt: "Innerhalb der Bandbreite möglicher Begehungsweisen des Tatbestandes des § 223 Abs. 1 StGB ... sind die Taten des Angeklagten durchweg am unteren Rand der denkbaren Tatschwere angesiedelt. Die einzelnen Körperverletzungshandlungen waren jeweils als gleichwertig einzustufen." (UA S. 9).

4

Diese Begründung begegnet durchgreifenden Bedenken. Aus den Feststellungen ergibt sich nicht, wie oft und wie heftig der Angeklagte zugeschlagen hat, ob die Nebenklägerin durch die Schläge über die körperliche Misshandlung hinaus an der Gesundheit geschädigt worden ist und in welchem Ausmaß sie gegebenenfalls solche Beeinträchtigungen erlitten hat. Insbesondere ist nicht erkennbar, ob die Tathandlungen in allen Fällen gleich schwer wogen, zumal lediglich in einem Fall mitgeteilt ist, wohin der Angeklagte die Nebenklägerin geschlagen hat. Insgesamt ist nicht nachvollziehbar, dass Freiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten für den nicht vorbestraften Angeklagten tat- und schuldangemessen sind.

5

3.

Der Senat hat auch die Geldstrafe wegen versuchter Nötigung, hinsichtlich derer das Landgericht die Tagessatzhöhe nicht bestimmt hatte, aufgehoben, um dem neuen Tatrichter eine insgesamt ausgewogene Strafzumessung zu ermöglichen.

6

4.

Soweit in den Ausführungen des Angeklagten zur Haftentschädigung, die ausdrücklich im Rahmen der Sachrüge erfolgen, überhaupt eine sofortige Beschwerde als einzig mögliches Rechtsmittel gegen die Entschädigungsentscheidung gesehen werden könnte, wäre sie mangels Fristwahrung (§ 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG, § 311 Abs. 2 Satz 1 StPO) bereits unzulässig.

7

5.

Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 3 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Amtsgericht - Strafrichter - Saarlouis zurück, da dessen Strafgewalt hier ausreicht.

Ernemann
Roggenbuck
Cierniak
Mutzbauer
Bender

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