Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Beschl. v. 28.10.2010, Az.: 4 StR 388/10
Wirksame Rücknahme einer Revision durch einen Angeklagten i.R.e. Verfahrens wegen versuchter schwerer Körperverletzung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 28.10.2010
Referenz: JurionRS 2010, 26790
Aktenzeichen: 4 StR 388/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Hagen - 05.03.2010

LG Hagen - 01.10.2010

Verfahrensgegenstand:

Versuchte gefährliche Körperverletzung u.a.

BGH, 28.10.2010 - 4 StR 388/10

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Ein Verwerfungsbeschluss nach § 346 Abs. 1 StPO steht einer Rücknahme der Revision solange nicht entgegen, bis dieser seinerseits Rechtskraft erlangt hat.

  2. 2.

    Für den Nachweis der Ermächtigung des Verteidigers gemäß § 302 Abs. 2 StPO, der noch nach Abgabe der Erklärung geführt werden kann, genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers
am 28. Oktober 2010
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hagen vom 5. März 2010 wirksam zurückgenommen ist.

  2. 2.

    Der Beschluss des Landgerichts Hagen vom 1. Juni 2010 ist gegenstandslos.

  3. 3.

    Die Anträge des Angeklagten auf "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" werden verworfen.

  4. 4.

    Die weitere Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hagen vom 5. März 2010 wird verworfen.

  5. 5.

    Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen.

Gründe

1

Der Angeklagte wurde am 5. März 2010 vom Landgericht Hagen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und anderem zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt; zudem wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen das Urteil hat der Verteidiger des Angeklagten am 8. März 2010 Revision eingelegt; ihm wurde das landgerichtliche Urteil am 20. April 2010 zugestellt. Da eine Revisionsbegründung nicht eingegangen war, verwarf das Landgericht mit Beschluss vom 1. Juni 2010 das Rechtsmittel als unzulässig. Diese Entscheidung wurde dem Verteidiger des Angeklagten am 8. Juni 2010 zugestellt. Mit einem am 9. Juni 2010 eingegangenen Schreiben beantragte der Angeklagte selbst eine Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO. Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2010, eingegangen am 14. Juni 2010, nahm der Verteidiger des Angeklagten die Revision zurück.

2

In mehreren am oder nach dem 23. Juni 2010 eingegangenen Schreiben legte der Angeklagte selbst "weitere Revision" ein, beantragte erneut eine Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO und die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses, ferner begehrte er "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand". Die Anträge haben keinen Erfolg; die erneut eingelegte Revision ist unzulässig.

3

1.

Die Revision ist wirksam gemäß § 302 Abs. 1 StPO zurückgenommen.

4

Die Rücknahme einer Revision ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung über sie möglich. Ein Verwerfungsbeschluss nach § 346 Abs. 1 StPO steht daher einer Rücknahme solange nicht entgegen, bis dieser seinerseits Rechtskraft erlangt hat (BGH, Beschluss vom 17. September 2008 - 2 StR 399/08 m.w.N.). Vorliegend ist die Rücknahme noch vor Ablauf der Wochenfrist des § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO beim Landgericht eingegangen.

5

Der Verteidiger hatte auch die gemäß § 302 Abs. 2 StPO zur Zurücknahme eines Rechtsmittels erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten. Dessen bei der Besprechung mit dem Verteidiger erklärte Zustimmung reicht hierfür aus. Eine bestimmte Form ist für die Ermächtigung nicht vorgeschrieben. Für den Nachweis der Ermächtigung, der noch nach Abgabe der Erklärung geführt werden kann, genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 8. März 2005 - 4 StR 573/04, NStZ-RR 2005, 211; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 302 Rn. 33 m.w.N.).

6

Der Angeklagte war bei der Abgabe der Erklärung über die Ermächtigung auch verhandlungsfähig. Weder die Urteilsgründe noch der Schriftsatz seines Verteidigers vom 14. Juli 2010, in dem dieser das vor der Revisionsrücknahme geführte Gespräch mit dem Angeklagten schildert, ergeben einen Hinweis darauf, dass Bedenken gegen die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten gerechtfertigt sein könnten, zumal der beim Angeklagten in dem Urteil des Landgerichts diagnostizierte "Querulantenwahn" nicht zu einer Aufhebung seines Einsichts- oder Steuerungsvermögens geführt hat. In einem derartigen Fall kann die Verhandlungsfähigkeit grundsätzlich auch vom Revisionsgericht ohne weitere Ermittlungen bejaht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2001 - 3 StR 502/99 m.w.N.).

7

Die Rücknahmeerklärung ist unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr.; vgl. Meyer-Goßner aaO § 302 Rn. 9 m.w.N.).

8

Der Senat hat daher festzustellen, dass die Revision des Angeklagten wirksam zurückgenommen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2008 - 2 StR 399/08 m.w.N.).

9

2.

Der Verwerfungsbeschluss des Landgerichts vom 1. Juni 2010 ist damit gegenstandslos. Ein Wiedereinsetzungsantrag ist rechtlich ausgeschlossen, ebenso ein Antrag nach § 346 Abs 2 StPO (vgl. auch hierzu BGH, Beschluss vom 17. September 2008 - 2 StR 399/08 m.w.N.).

10

Die vom Angeklagten erneut eingelegte Revision ist unzulässig; sie ist verspätet erklärt, zudem steht ihr die zuvor erklärte Rechtsmittelrücknahme entgegen (vgl. Meyer-Goßner aaO § 302 Rn. 12).

11

3.

Da der Angeklagte die Revision wirksam zurückgenommen und er dieses Rechtsmittel unzulässig erneut eingelegt hat, hat er die Kosten dieser Rechtsmittel zu tragen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

12

4.

Die am 19. und 21. Oktober 2010 eingegangenen Schreiben des Angeklagten haben im Zeitpunkt der Entscheidung vorgelegen.

Ernemann
Solin-Stojanovic
Cierniak
Franke
Mutzbauer

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.