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Bundesfinanzhof
Beschl. v. 23.06.2016, Az.: V B 90/15
Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde betreffend die Berechtigung zum Vorsteuerabzug; Begriff des Besitzes einer Rechnung i.S. von § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 23.06.2016
Referenz: JurionRS 2016, 23053
Aktenzeichen: V B 90/15
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Köln - 27.08.2015 - AZ: 6 K 2892/12

Fundstelle:

BFH/NV 2016, 1498-1499

BFH, 23.06.2016 - V B 90/15

Redaktioneller Leitsatz:

Der Begriff des Besitzes in § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG ist, da er auf der Umsetzung der MwStSystRL beruht, in der gesamten Europäischen Union autonom und einheitlich unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des mit der betreffenden Regelung verfolgten Zwecks auszulegen.

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 27. August 2015 6 K 2892/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), ob für den "Besitz" i.S. von § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) die Entgegennahme von Rechnungen durch einen Empfangsvertreter gemäß § 130 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ausreicht oder ob sachenrechtlicher Besitz nach §§ 854 ff. BGB vorliegen muss. Die Frage ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden könnte (vgl. hierzu z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 8. September 2015 V B 5/15, BFH/NV 2016, 7, Rz 3).

3

a) Soweit § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug den Besitz einer Rechnung voraussetzt, beruht die Regelung auf Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach muss der Steuerpflichtige, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, eine gemäß den Art. 220 bis 236 sowie 238, 239 und 240 MwStSystRL ausgestellte Rechnung besitzen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) verlangen die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts und der Gleichheitssatz, dass Begriffe einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist —wie Art. 178 Buchst. a MwStSystRL—, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung finden müssen, die unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des mit der betreffenden Regelung verfolgten Zweckes zu ermitteln ist (z.B. EuGH-Urteil Zita Modes vom 27. November 2003 C-497/01, EU:C:2003:644, Rz 34, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH). Für den Begriff des Besitzes i.S. des Art. 178 Buchst. a MwStSystRL und damit auch für den des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ist deshalb die von der Klägerin aufgeworfene bürgerlich-rechtliche Fragestellung nicht entscheidungserheblich.

4

b) Zudem hat das Finanzgericht (FG) die Würdigung, dass der Rechnungsempfang durch den Zeugen A der Klägerin zuzurechnen ist, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung vorgenommen. Es ist zu diesem Ergebnis gelangt, weil der Zeuge A mit Kenntnis und Einverständnis der Klägerin als ihr Bevollmächtigter tätig geworden ist. Diese Würdigung hat das FG u.a. darauf gestützt, dass der Zeuge A die Bauleitung i.S. einer Geschäftsbesorgung von der Klägerin übernommen habe. Dabei habe er die Baustelle in Besitz genommen, Aufträge an Subunternehmer vergeben, Abnahmeerklärungen gegenüber Subunternehmern erklärt und die Stadtsparkasse veranlasst, die Subunternehmer zu bezahlen. Das sei der Klägerin bekannt gewesen und sie habe es für und gegen sich gelten lassen. Auch seien die vom Zeugen A an die Klägerin gestellten Rechnungen bezahlt worden. Die Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG ist für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), weil sie weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt und zumindest möglich ist (BFH-Urteil vom 16. Februar 2016 IX R 28/15, Rz 12).

5

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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