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Bundesfinanzhof
Beschl. v. 11.11.2014, Az.: I B 91/13
Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde betreffend verfassungsrechtliche Bedenken gegen die eingeschränkte Anfechtbarkeit der Festsetzung von Steuerabzugsbeträgen gem. § 50a EStG
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 11.11.2014
Referenz: JurionRS 2014, 27911
Aktenzeichen: I B 91/13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Düsseldorf - 24.04.2013 - AZ: 15 K 1802/09 E

Fundstelle:

BFH/NV 2015, 204-206

BFH, 11.11.2014 - I B 91/13

Gründe

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine österreichische Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betrieb im Streitzeitraum 1998 und 1999 eine Konzertdirektion. Eine inländische Betriebsstätte unterhielt sie nicht. Sie verpflichtete Künstler und stellte sie im eigenen Namen und für eigene Rechnung Veranstaltern für Auftritte in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) zur Verfügung. Für drei von der beigeladenen Stadt S (Beigeladene) veranstaltete kulturelle Ereignisse meldete diese als Schuldnerin der vertraglich vereinbarten Vergütung Steuerabzugsbeträge gemäß § 50a des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997) i.V.m. § 73e der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV 1997) beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) an und führte die jeweiligen Beträge ab. Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Einspruch. Zur Begründung führte sie an, dass der Steuerabzug nicht von den Brutto-, sondern von den Nettobeträgen vorzunehmen sei.

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Nachdem die Klägerin dem Verlangen des FA, mit den Einnahmen in unmittelbarem Zusammenhang stehende Betriebsausgaben zu benennen, nicht nachgekommen war, wies das FA den Einspruch zurück. Auch die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf ging davon aus, dass die Klägerin als Vergütungsgläubigerin zwar die Aufhebung der Steueranmeldung aus eigenem Recht betreiben könne. Wegen der nur begrenzten Drittwirkung der Anmeldung sei die Klägerin bei bestehenden Zweifeln am Vorliegen der beschränkten Steuerpflicht aber gehalten, ihre Einwendungen im Rahmen eines eigenständigen Freistellungs- oder Erstattungsverfahrens geltend zu machen. Da nach Auffassung des FG aus der Sicht der Beigeladenen die ernstliche Möglichkeit der beschränkten Steuerpflicht der Klägerin gegeben war, wies es deren Klage gegen die Steueranmeldung ab.

3

Es ließ ferner die Revision gegen sein Urteil vom 24. April 2013 15 K 1802/09 E nicht zu. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

4

II. Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klägerin hat die Zulassungsgründe der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung und der Rechtsfortbildung nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt.

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1. a) Wird geltend gemacht, es bestünden verfassungsrechtliche Zweifel an der für die Entscheidung eines Streitfalls maßgeblichen Norm oder deren Auslegung durch die Rechtsprechung, so kann dies zwar die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache rechtfertigen. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotene Darlegung (Substantiierung) des Zulassungsgrundes ist es indes erforderlich, dass der Kläger sich mit den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinandersetzt und den gerügten Verfassungsverstoß näher begründet. Hierzu gehört nicht nur die substantiierte Auseinandersetzung mit den Erwägungen des vorinstanzlichen Urteils; hat der Bundesfinanzhof bereits über die Frage entschieden, so ist des Weiteren darzulegen, weshalb --und vor allem mit Rücksicht auf welche bisher nicht berücksichtigten Argumente-- gleichwohl eine erneute Befassung des Revisionsgerichts im Interesse der Rechtsfortbildung oder Rechtseinheit für erforderlich gehalten wird (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 11. Januar 2013 I B 96/12, BFH/NV 2013, 1236; vom 2. April 2014 I B 130/13, BFH/NV 2014, 1085, jeweils m.w.N.).

6

b) Die Klägerin hegt zwar verfassungsrechtliche Zweifel an der auf der Auslegung der §§ 50a, 50d EStG 1997 und 73e EStDV 1997 beruhenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit der vom Vergütungsschuldner (hier: die Beigeladene) abgegebenen Steueranmeldung durch den gebietsfremden Vergütungsgläubiger (hier: die Klägerin). Doch lassen ihre Ausführungen eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Verfassungsrecht und der einschlägigen Senatsrechtsprechung vermissen.

7

aa) Das FG hat seiner Entscheidung die ständige Rechtsprechung des Senats zugrunde gelegt. Die Klägerin war danach berechtigt, die von der Beigeladenen als Vergütungsschuldnerin dem FA gemäß § 73e Satz 2 EStDV 1997 übersandte und nach § 168 Satz 1 der Abgabenordnung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehende Steueranmeldung über den Gläubiger und die Höhe der Vergütungen i.S. des § 50a EStG 1997 und die Höhe des Steuerabzugs aus eigenem Recht anzufechten. Der Vergütungsgläubiger ist insoweit dazu verpflichtet, den Steuerabzug zu dulden. Die Steueranmeldung enthält allerdings keine Steuerfestsetzung gegen den Vergütungsgläubiger. Folglich kann im Rahmen des Einspruchs und der Klage (allein) des Vergütungsgläubigers gegen die Steueranmeldung nur die Rechtmäßigkeit des Steuerabzugs und damit nur geprüft werden, ob der Vergütungsschuldner, der sich selbst nicht gegen die Anmeldung wehrt, die Steueranmeldung vornehmen durfte oder nicht. Dazu ist dieser zur Vermeidung eines eigenen Haftungsrisikos (vgl. § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG 1997) aber schon dann berechtigt, wenn die sachliche Steuerpflicht der Vergütungen jedenfalls zweifelhaft ist. Liegen solche Zweifel vor, ist der Vergütungsgläubiger gehalten, seine Rechte im Rahmen eines eigenständigen Freistellungs- oder Erstattungsverfahrens in unmittelbarer, ggf. auch analoger Anwendung von § 50d Abs. 1 und 2 EStG 1997 durchzusetzen (zum Ganzen vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 7. November 2007 I R 19/04, BFHE 219, 300, BStBl II 2008, 228, [BFH 07.11.2007 - I R 19/04] m.w.N.).

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bb) Die Klägerin hält es sinngemäß für klärungsbedürftig, ob mit dieser Gesetzesauslegung ihre Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt werden, weil beschränkt Steuerpflichtige aus Österreich von der eigenständigen und uneingeschränkten Anfechtbarkeit ausgeschlossen werden, während unbeschränkt Steuerpflichtige gegen die sie betreffenden Steuerfestsetzungen uneingeschränkt vorgehen könnten. Sie stellt daher die Frage, ob der beschränkt Steuerpflichtige "einen eigenständigen und unabhängigen Anfechtungsanspruch (§ 347 AO) gegen eine Steueranmeldung des Vergütungsschuldners (§ 73e EStDV) ... insbesondere dann (hat), wenn sich der Vergütungsschuldner weigert, sich ... dem Begehren des Vergütungsgläubigers anzuschließen?"

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cc) Bei ihren grundrechtlichen Überlegungen nimmt die Klägerin jedoch zu einem für die verfassungsrechtliche Würdigung maßgeblichen Gesichtspunkt überhaupt keine Stellung. Es mag zwar sein, dass auf der Grundlage der Senatsrechtsprechung beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige --unter der äußerst zweifelhaften Prämisse ihrer Vergleichbarkeit im verfassungsrechtlichen Sinne-- auf zwei unterschiedliche Rechtsschutzwege verwiesen werden. Doch können hieraus allein noch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken hergeleitet werden, solange der beschränkt Steuerpflichtige in dem ihm zugewiesenen Verfahren Rechtsschutz auf einem Niveau zu erlangen vermag, der den Vergleich mit den Rechtsschutzmöglichkeiten des unbeschränkt Steuerpflichtigen nicht zu scheuen braucht. So verlangt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nach herrschender Meinung nicht allein eine Ungleichbehandlung von Personen (hier: Verweisung der beschränkt und der unbeschränkt Steuerpflichtigen in unterschiedliche Rechtsschutzsysteme), sondern darüber hinaus auch den Eintritt eines Nachteils für den Betroffenen (vgl. nur Osterloh in Sachs, Grundgesetz, 6. Aufl., Art. 3 Rz 84, m.w.N.). Nach höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung stehen dem beschränkt Steuerpflichtigen zur Wahrung seiner Rechte aber nicht nur die in ihrer Wirkung beschränkte Anfechtbarkeit der Steueranmeldung des Vergütungsschuldners zur Verfügung, sondern auch das Freistellungs- und das Erstattungsverfahren. In der Beschwerdebegründung hätte somit substantiiert unter Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur (z.B. Cordewener, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2006, 113; Gosch in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 50a Rz 39) aufgezeigt werden müssen, dass die Verweisung auf das Freistellungs- und das Erstattungsverfahren mit bestimmten (welchen?) Nachteilen verbunden ist und der Rechtsschutz des beschränkt Steuerpflichtigen somit hinter dem des unbeschränkt Steuerpflichtigen zurückbleibt.

10

An der gebotenen Auseinandersetzung mit dem rechtswissenschaftlichen Meinungsspektrum fehlt es im Übrigen auch im Hinblick auf die --in der Beschwerdebegründung lediglich angerissene-- vielschichtige verfassungsrechtliche Problematik der Wirkkraft völkerrechtlicher Verträge. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auf Art. 2 Abs. 2 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabesachen vom 4. Oktober 1954 (BGBl. II 1955, 833, BStBl I 1955, 434), wonach juristische Personen, die ihren Sitz in der Republik Österreich unterhalten und nach dessen Gesetzen errichtet sind, in Deutschland den gleichen Rechtsschutz genießen wie die entsprechenden eigenen Steuerpflichtigen. Sie meint weiterhin, dass ihr die danach gebotene Gleichbehandlung wegen der dem ausländischen Vergütungsgläubiger nur in einem eingeschränkten Umfang zugestandenen Anfechtbarkeit der Steueranmeldung verwehrt werde, was nach der Senatsrechtsprechung zum treaty override (Senatsbeschluss vom 10. Januar 2012 I R 66/09, BFHE 236, 304) als Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG gerügt werden könne. Hierbei übersieht die Klägerin jedoch, dass von einem solchen treaty override im Streitfall nicht gesprochen werden kann. Denn mit diesem Begriff wird die Problematik des bewussten und gewollten "Überschreibens" von in Doppelbesteuerungsabkommen getroffenen Regelungen durch den nationalen Gesetzgeber zusammengefasst (vgl. z.B. Gosch, IStR 2008, 413). Damit haben die streitgegenständlichen Regelungen in §§ 50a EStG 1997, 73e EStDV 1997 und die dazu ergangene Rechtsprechung ersichtlich aber nichts zu tun.

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2. Soweit die Klägerin den Revisionszulassungsgrund der Rechtsfortbildung geltend macht, kann auch dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Bei diesem Zulassungsgrund handelt es sich lediglich um einen speziellen Unterfall der Grundsatzrevision. Deshalb muss auch hier der Klärungsbedarf substantiiert in der Beschwerdebegründung aufgezeigt werden (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 38). Daran fehlt es vorliegend aber.

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3. Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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