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Bundesfinanzhof
Urt. v. 17.12.2009, Az.: III R 102/06
Wohnungsverkäufe auf Drängen der Bank zur Erfüllung der Pflichten aus einem Darlehensvertrag als gewerblicher Grundstückshandel
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 17.12.2009
Referenz: JurionRS 2009, 34029
Aktenzeichen: III R 102/06
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Köln - 26.10.2006 - AZ: 6 K 397/04

Fundstelle:

BFH/NV 2010, 1118-1119

BFH, 17.12.2009 - III R 102/06

Gründe

1

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wird mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann erzielt als Einzelunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Klägerin war in den Streitjahren als kaufmännische Angestellte in seinem Unternehmen beschäftigt.

2

Mit notariellem Kaufvertrag vom 9. Juli 1992 erwarb die Klägerin ein Grundstück. Auf diesem befand sich ein Einfamilienhaus, das die Klägerin und ihr Ehemann in der Folgezeit renovierten und seit November 1994 selbst bewohnen. Von 1992 bis zum 1. Februar 1995 errichtete die Klägerin auf dem Grundstück zusätzlich ein Mehrfamilienhaus mit zehn Wohnungen, einem Büro-, einem Werkstatt- und Lagerraum sowie acht Garagen, die den Wohnungen nicht zugeordnet waren. Nach Fertigstellung wurden zwei der Wohnungen verbilligt an ihre beiden Kinder und die anderen acht auf unbestimmte Dauer an Dritte vermietet. Die Mietverträge enthielten jeweils eine Staffelmietvereinbarung für zehn Jahre. Die Büro-, Lager- und Werkstatträume vermietete die Klägerin an ihren Ehemann zur gewerblichen Nutzung.

3

Die Herstellungskosten für den Neubau waren auf 2.495.000 DM veranschlagt worden. Tatsächlich beliefen sie sich auf 2.689.000 DM. Sie wurden --bis auf Eigenmittel von 4.000 DM-- vollständig durch eine Bank fremdfinanziert. Am 31. Dezember 1998 standen den vorgenannten Herstellungskosten Darlehen in Höhe von 2.981.945 DM gegenüber.

4

Mit Teilungserklärung vom 4. September 1995, d.h. sieben Monate nach Fertigstellung, wurde das Mehrfamilienhaus in Wohnungseigentum aufgeteilt. Die Klägerin verkaufte --zu über den Herstellungskosten liegenden Preisen-- jeweils eine Wohnung am 24. Oktober 1997, am 1. März 1999, am 6. April 1999, am 10. Mai 1999, am 23. Juni 1999 und am 11. April 2000.

5

Für 1999 erklärte sie Verluste aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 83.636 DM und für 2000 von 42.163 DM.

6

Die Gewinne aus dem Einzelunternehmen des Ehemannes hatten vor 1991 jährlich ca. 160.000 DM und mehr betragen. Danach entwickelten sie sich rückläufig. In den Jahren 1993 und 1994 lagen sie bei ca. 60.000 DM, 1995 bei 110.000 DM, in den Jahren 1996 bis 1998 zwischen 70.000 und 80.000 DM, 1999 bei 95.000 DM und im Jahr 2000 bei 55.000 DM.

7

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) forderte die Klägerin in den Erläuterungen des Einkommensteuerbescheides für 1999 erfolglos auf, für die Jahre 1992 bis 1999 Gewinnermittlungen für ihren gewerblichen Grundstückshandel vorzulegen und Gewerbesteuererklärungen abzugeben.

8

Am 1. Februar 2002 erließ das FA einen Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr 1999, der einen Messbetrag von 9.637,85 EUR auswies. Dies beruhte auf einer Schätzung, in der der Gewinn aus dem Grundstückshandel mit 513.000 DM angenommen wurde.

9

Nach dem Einspruch der Klägerin wurden die Veräußerungsgewinne auf Grundlage der zwischenzeitlich einzelnen Wohnungen zugeordneten Herstellungskosten und AfA-Beträge für 1999 mit 219.530 DM der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt. Im Übrigen hielt das FA in der Einspruchsentscheidung vom 23. Dezember 2003 daran fest, dass die Klägerin mit dem Verkauf der sechs Eigentumswohnungen einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben habe.

10

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Klägerin habe den Bereich der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten und daher keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Zwar habe die Klägerin innerhalb von fünf Jahren seit der Errichtung mehr als drei Eigentumswohnungen veräußert. Gewichtige Umstände sprächen aber gegen eine auch nur bedingte Veräußerungsabsicht der Klägerin bereits bei Errichtung des Hauses. Die sechs Wohnungen seien in den Jahren 1997, 1999 und 2000 nicht aus freien Stücken, sondern auf Druck der finanzierenden Bank veräußert worden, um einer Zwangsversteigerung des gesamten Objektes zu entgehen. Die Bank habe zur Begutachtung des Kreditengagements bereits einen Mitarbeiter herangezogen, dessen Einschaltung der Einleitung von Zwangsmaßnahmen über die Rechtsabteilung stets unmittelbar vorangegangen sei. Die Höhe der Darlehen zum 31. Dezember 1998 und der rückläufige Gewinn im Betrieb des Ehemannes verdeutlichten die Zwangslage. Die fehlende Veräußerungsabsicht der Klägerin dokumentiere sich auch dadurch, dass sie die im Finanzierungsangebot vom 4. April 1995 von der Bank eingeforderte Bestätigung ihrer Verkaufsabsichten nicht erteilt habe. Der als Zeuge vernommene Geschäftsstellenleiter der Bank habe glaubhaft dargelegt, dass die Klägerin von einem Verkauf nichts habe wissen wollen und weiterhin davon ausgegangen sei, das Objekt aus den Erträgen finanzieren zu können. Auch die in dem Gesprächsprotokoll der Bank vom 26. Oktober 1995 getroffene Feststellung, dass die Klägerin hinsichtlich des notwendig werdenden Verkaufs von Eigentumswohnungen nicht einsichtig sei, spreche gegen eine zu diesem Zeitpunkt bestehende Veräußerungsabsicht. Die Abfolge der Veräußerungen --nur sukzessive, lediglich nach den Erfordernissen der Finanzierungssituation sowie erstmals mehr als zwei Jahre nach der Teilung des Objekts-- belegten eine fehlende Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt der Errichtung. In diesem Zusammenhang sei auch bedeutsam, dass die Klägerin seit 2000 keine weiteren Wohnungen mehr veräußert habe. Die durch sie abgeschlossenen unbefristeten Mietverträge mit jeweils zehn Jahre umfassender Staffelmietvereinbarung wiesen ebenfalls darauf hin, dass sie an langfristigen Mietverhältnissen und an einer Fruchtziehung im Wege der Vermietung interessiert gewesen sei. Die im Betrieb des Ehemannes mitarbeitenden Kinder hätten zugleich mit der Wohnungsüberlassung an den Sitz des Familienunternehmens gebunden werden sollen. Die Klägerin habe den Verkauf auch nicht z.B. durch Werbung "wie ein Händler" gestaltet.

11

Das FA trägt zur Begründung der Revision vor, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (z.B. Urteil vom 16. Oktober 2002 X R 74/99, BFHE 200, 380, BStBl II 2003, 245) lasse eine Veräußerung aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten die Indizwirkung der Drei-Objekt-Grenze nicht entfallen. Nach dem Urteil des Hessischen FG vom 17. März 1999 8 K 3872/94 (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2000, 904) komme Zwangsmaßnahmen der finanzierenden Banken für die Frage der anfänglichen Veräußerungsabsicht keine Bedeutung zu. Das FG habe seine Entscheidung auf das BFH-Urteil vom 7. November 1990 X R 170/87 (nicht amtlich veröffentlicht) gestützt, dessen Sachverhalt aber mit dem Streitfall nicht vergleichbar sei; es sei dort nicht aus freien Stücken veräußert worden, sondern um einer drohenden Verpflichtung zur Rückübertragung an den Konkursverwalter zuvorzukommen. Im Streitfall sei die Klägerin seit der erstmaligen Aufforderung durch die Bank im April 1995, Wohnungen zu verkaufen, keinen Zwangsmaßnahmen ausgesetzt gewesen und hätte frei entscheiden können, welche Wohnungen sie zu welchem Zeitpunkt habe verkaufen wollen. Die Finanzierung des Objektes nahezu ohne Eigenmittel indiziere eine bedingte Veräußerungsabsicht, da mit dem Risiko eines Liquiditätsengpasses habe gerechnet werden müssen (BFH-Urteil vom 5. Mai 2004 XI R 25/03, BFH/NV 2004, 1399) und dann nur die Veräußerung von Objekten in Betracht komme. Dies gelte im Streitfall umso mehr wegen der verbilligten Vermietung an Angehörige.

12

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

13

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

14

Sie meint, wegen ihrer besonderen Bindung an das Objekt, das neben ihrem Einfamilienhaus und zur Altersvorsorge errichtet worden und mit dem Betrieb verbunden sei, wegen der unbefristeten Vermietung, der fehlenden Freiwilligkeit der Verkäufe, der langfristigen Finanzierung und dem Fehlen von Vermarktungsanstrengungen entsprächen die Wohnungsveräußerungen nicht dem Bild eines Gewerbebetriebes. Dieses habe das FG --gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend-- festgestellt. Schließlich sei zu überdenken, ob für die Ermittlung des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Herstellung und Veräußerung noch auf die Fertigstellung des Objektes und nicht auf den Zeitpunkt der Bindung des Eigentümers durch Abschluss des Bauvertrages --hier 1992-- abzustellen sei; zumindest die Veräußerungen ab 1999 seien dann außerhalb des sog. Fünfjahreszeitraums erfolgt.

15

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).

16

Das FG hat die Wohnungsverkäufe der Klägerin zu Unrecht als private Vermögensverwaltung angesehen und das Vorliegen der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien für die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels (§ 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes, § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes) verneint. Zur Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 17. Dezember 2009 III R 101/06 (Rechtsstreit des FA gegen die Klägerin und ihren Ehemann wegen Einkommensteuer 1999, 2000).

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