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Bundesfinanzhof
Urt. v. 11.11.2009, Az.: IX R 13/09
Bestimmung des steuerlichen Zuflusses einer Abfindung
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 11.11.2009
Referenz: JurionRS 2009, 33714
Aktenzeichen: IX R 13/09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Niedersachsen - 19.02.2009 - AZ: 5 K 88/06

BFH, 11.11.2009 - IX R 13/09

Gründe

1

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war bis zum Streitjahr 2003 Angestellte der R GmbH. Ihr Arbeitsverhältnis wurde vom Arbeitgeber mit Schreiben vom 5. Dezember 2002 mit Wirkung zum 31. Dezember 2003 auf der Grundlage einer am 14. November 2002 zwischen der Geschäftsführung der R GmbH und dem Betriebsrat des Werkes O abgeschlossenen Betriebsvereinbarung gekündigt. Diese Betriebsvereinbarung sah die Zahlung einer Abfindung im Fall der Kündigung vor und enthielt hierzu u.a. folgende Regelung: "Die Abfindungssumme wird zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Bruttoabfindung nach Maßgabe der lohnsteuerrechtlichen Vorschriften steuerfrei gezahlt. Entstehende gesetzliche Abzüge trägt der Mitarbeiter." In sog. Trennungsgesprächen im Jahr 2003 vereinbarte der Arbeitgeber mit der Klägerin eine Abfindung, deren Betrag höher war als der nach der Betriebsvereinbarung ermittelte Betrag. Außerdem wurde vereinbart, dass die Abfindung nicht im Dezember 2003, sondern im Januar 2004 ausgezahlt werde. Die Auszahlung der Abfindung erfolgte mit der Entgeltabrechnung für Januar 2004 zum Ende dieses Monats.

2

Im Februar 2004 gab die Klägerin eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ab, in der sie einen Bruttoarbeitslohn von ... EUR erklärte. Die Abfindungszahlung wurde dabei nicht berücksichtigt. Sie wurde nicht auf der Lohnsteuerkarte für das Streitjahr erfasst, sondern auf der Lohnsteuerkarte für das Jahr 2004. Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) außerordentliche Einkünfte der Klägerin nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von ... EUR an. Die Abfindung sei im Dezember des Streitjahres steuerlich zugeflossen. Der Einspruch hiergegen hatte keinen Erfolg. Auf Nachfrage des FA teilte die R GmbH mit, u.a. die Klägerin habe aufgrund abweichender Fälligkeitsvereinbarungen erst später Anspruch auf Auszahlung der Abfindung gehabt. Der Anspruch auf Zahlung der Abfindung sei mit Wirksamwerden der Kündigung zum 31. Dezember 2003 entstanden; die Vereinbarung über die Zahlung im Januar 2004 sei vorher abgeschlossen worden.

3

Das Finanzgericht (FG) entschied, die streitbefangene Abfindung sei der Klägerin nicht im Streitjahr, sondern erst im Jahr 2004 zugeflossen. Im Streitjahr habe lediglich ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Abfindung bestanden, der noch nicht erfüllt worden sei. Allein die einvernehmliche Verschiebung einer Zahlung in ein Folgejahr aus steuerlichen Gründen führe noch nicht zu einem Zufluss i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG.

4

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der dieses die Verletzung von § 11 EStG rügt. Verzögere der Gläubiger die Fälligkeit aus eigenem Interesse, während der Schuldner leistungsbereit und -fähig sei, müsse er sich so behandeln lassen, als sei ihm der Gegenstand der Forderung bereits zugeflossen.

5

Das FA beantragt sinngemäß,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zutreffend hat das FG entschieden, dass die Abfindung der Klägerin erst im Januar 2004 mit der Auszahlung zugeflossen ist.

8

1.

Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Nicht laufend gezahlter Arbeitslohn ist in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zugeflossen ist. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können den Zeitpunkt des Zuflusses einer Abfindung oder eines Teilbetrags einer solchen beim Arbeitnehmer gestalten, indem sie deren ursprünglich vorgesehene Fälligkeit vor ihrem Eintritt auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Hinsichtlich der weiteren Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf das zur amtlichen Veröffentlichung bestimmte Urteil vom heutigen Tage in der Rechtssache IX R 1/09.

9

2.

Nach diesen Grundsätzen ist die Abfindung der Klägerin nicht bereits im Streitjahr, sondern erst im Januar 2004 zugeflossen.

10

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass durch das Hinausschieben der Fälligkeit der Abfindungszahlung die Klägerin nicht über diese selbst wirtschaftlich verfügt hat.

11

Der Abfindungsanspruch der Klägerin ist beim Ausscheiden der Klägerin aus ihrem Arbeitsvertrag zum Ablauf des 31. Dezember 2003 mit einer Fälligkeitsbestimmung auf den Januar 2004 entstanden. Die Motivations- und Interessenlage der Vertragsparteien, die zu dieser Gestaltung des Abfindungsanspruchs vor seiner ursprünglich vereinbarten Fälligkeit geführt hat, ist insoweit unerheblich. Damit wurde der Abfindungsbetrag im Streitjahr nicht fällig. Entsprechend konnte auch die Disposition über die Fälligkeit nicht als Disposition über die Forderung als solche auszulegen sein.

12

Dem steht auch nicht eine etwaige Vorrangigkeit der Fälligkeitsregelung in der Betriebsvereinbarung entgegen. Zwar gelten Betriebsvereinbarungen nach § 77 Abs. 4 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes unmittelbar und zwingend. Jedoch gilt zwischen Betriebsvereinbarung und einzelvertraglicher Regelung grundsätzlich das Günstigkeitsprinzip (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Januar 2004 1 AZR 148/03, BAGE 109, 244; Berg in Deubler/Kittner/Klebe, Betriebsverfassungsgesetz, 11. Aufl., § 77 Rz 19, m.w.N.). Diese Günstigkeit der einzelvertraglich vereinbarten Fälligkeit ergibt sich im Streitfall aus der von der Klägerin als Arbeitnehmerin intendierten günstigen steuerrechtlichen Auswirkung.

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