Rechtswörterbuch

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Streik

 Normen 

Art. 9 Abs. 3 GG

 Information 

1. Allgemein

Kampfmittel im Arbeitsrecht: Die gemeinsame Druckausübung der Arbeitnehmer durch Arbeitsniederlegung, um den Abschluss eines neuen Tarifvertrages zu erreichen, der Verbesserungen der Gehalts- und Arbeitsbedingungen enthalten soll.

Das Streikrecht ist in Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich garantiert, es ist jedoch ansonsten nicht gesetzlich geregelt. Das Streikrecht wird insofern von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestimmt. Das Bundesarbeitsgericht hat folgende Rechtmäßigkeitsanforderungen aufgestellt:

  1. a)

    Die Tarifverhandlungen müssen gescheitert sein.

  2. b)

    Der Streik muss ein Ziel haben, das Gegenstand eines Tarifvertrages sein kann.

    Zugleich bedeutet dies, dass der Tarifvertrag, der kampfweise durchgesetzt werden soll, einen rechtmäßigen Inhalt haben muss. Ein auf eine gesetzwidrige tarifliche Regelung gerichteter Arbeitskampf ist nicht erlaubt.

    Dabei reicht es aus, wenn eine "Kampfziel" auch der Durchsetzung einer friedenspflichtverletzenden oder tarifwidrigen Forderung dient. Der Einwand einer streikführenden Gewerkschaft, sie hätte den Streik auch ohne die inkriminierte Forderung mit denselben Streikfolgen geführt (rechtmäßiges Alternativverhalten), ist unbeachtlich (BAG 26.07.2016 - 1 AZR 160/14).

  3. c)

    Der Streik darf erst beginnen, wenn die Friedenspflicht des gültigen Tarifvertrages erloschen ist.

    Die Friedenspflicht muss nicht besonders vereinbart werden. Sie ist vielmehr dem Tarifvertrag als einer Friedensordnung immanent. Dies gilt auch, wenn gegenüber einem verbandsangehörigen Arbeitgeber ein Firmentarifvertrag erstreikt werden soll (BAG 10.12.2002 - 1 AZR 96/02).

  4. d)

    Der Streik muss verhältnismäßig sein, er muss insbesondere das letzte denkbare Mittel sein.

  5. e)

    Der Streik muss von den zuständigen Organen der Gewerkschaft ordnungsgemäß beschlossen worden sein. Diese müssen den Arbeitgeber informiert haben.

Während eines rechtmäßigen Streiks ruht das Arbeitsverhältnis mit u.a. der Folge, dass die Vergütung nicht weitergezahlt wird. Streikende Arbeitnehmer, die Mitglied der Gewerkschaft sind, erhalten das Streikausfallgeld zur Kompensation des Vergütungsausfalls. Die Bedingungen der Zahlung des Streikausfallgeldes sind in den Satzungen der Gewerkschaften geregelt.

Unabhängig hiervon kann der Arbeitnehmer auch während des Streiks einen Anspruch auf die Sonderzahlungen haben, dies richtet sich nach dem der Sonderzahlung zugrunde liegenden Zweck.

Wie ein Streik kann auch schon der Aufruf zu Arbeitsniederlegungen unmittelbar in das Recht des zu bestreikenden Arbeitgebers an seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingreifen. Dies verpflichtet bei Rechtswidrigkeit der Kampfmaßnahme und bei schuldhaftem Handeln zum Schadensersatz gegenüber dem Kampfgegner (BAG 25.08.2015 - 1 AZR 875/13).

2. Beamte

Das Streikverbot für Beamte ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums (BVerwG 26.02.2015 - 2 B 6/15). Diese Rechtsansicht hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 bestätigt: "Das Streikverbot für Beamte ist als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums vom Gesetzgeber zu beachten. Es weist eine enge Verbindung auf mit dem beamtenrechtlichen Alimentationsprinzip, der Treuepflicht, dem Lebenszeitprinzip sowie dem Grundsatz der Regelung des beamtenrechtlichen Rechtsverhältnisses einschließlich der Besoldung durch den Gesetzgeber" (BVerfG 12.06.2018 - 2 BvR 646/15).

Aber: Der Arbeitgeber darf bei einem Streik zur Erfüllung der anstehenden Aufgaben Beamte einsetzen, sofern diese freiwillig arbeiten (ArbG Bonn - Mai 2015). Unzulässig ist der angeordnete Einsatz (BVerfG 02.03.1993 - 1 BvR 1213/85).

3. Historische Entwicklung

Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts erfüllte der Streik den Tatbestand der Erpressung und war nach Ansicht des Gerichts dadurch in § 253 StGB gesetzlich geregelt.

Nach dem Urteil BAG 28.01.1955 GS 1/54 berechtigte der von einer Gewerkschaft ohne fristgemäße Kündigung der Arbeitsverhältnisse durchgeführte Streik dazu, im Wege der kollektiven Aussperrung die Arbeitsverhältnisse fristlos zu lösen. Eine Wiedereinstellung der Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitskampfes stand im Ermessen der Arbeitgeber.

Diese Rechtsprechung wurde durch das Urteil BAG 21.04.1971 GS 1/68 gemildert: Danach haben sowohl Streiks als auch Aussperrungen im Allgemeinen nur suspendierende Wirkung. In Ausnahmefällen kann nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit eine Aussperrung mit lösender Wirkung zulässig sein.

 Siehe auch 

Arbeitskampf

Aussperrung

Betriebsrat

Betriebsvereinbarung

Betriebsverfassung

Gewerkschaften

Tarifeinheit

Tarifvertrag

BAG 24.04.2007 - 1 AZR 252/06 (Streik für firmenbezogenen Verbandstarifvertrag)

Dommermuth-Alhäuser: Sonntagsarbeit im Streik; Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - NZA 2016, 522

Gaul: Die "Streikbruchprämie" als zulässiges Arbeitskampfmittel; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 1994, 1025

Hettlage: Sind Streiks ohne Urabstimmung "wildeStreiks?; NJW 2004, 3299

Kamanabrou: Der Streik durch Spartengewerkschaften - Zulässigkeit und Grenzen; Zeitschrift für Arbeitsrecht - ZFA 2008, 241

Wendeling-Schröder: Die Ermittlung der Schadenshöhe bei Betriebsunterbrechungen. Dargestellt am Beispiel kurzzeitiger rechtswidriger Streiks; Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht - NZA 1993, 49