Rechtswörterbuch

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Raub

 Normen 

§§ 249 ff. StGB

 Information 

1. Tatbestand

Der Straftatbestand des Raubes entspricht dem des Diebstahls, hinzu kommen die Komponenten der Gewalt oder Drohung, d.h. einer Nötigung.

Tatbestandsmerkmale des Raubes sind:

  • Wegnahme einer fremden beweglichen Sache.

    Wegnahme ist der "Bruch" fremden und die Begründung neuen Gewahrsams (BGH 16.12.1987 - 3 StR 209/87). Ein Bruch des fremden Gewahrsams liegt aber nur vor, wenn der Gewahrsam gegen oder ohne den Willen des Inhabers aufgehoben wird" (BGH 16.11.2017 - 2 StR 154/17).

  • Durch Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben:

    Gewalt gegen eine Person i.S.d. § 249 StGB ist der körperlich wirkende Zwang zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes. Dabei muss sich die Gewalt nicht gegen den Gewahrsamsinhaber richten. Auch die Gewaltanwendung/-androhung gegen Dritte reicht zur Erfüllung des Tatbestandes, sofern der Dritte zum Schutz des Gewahrsams bereit ist bzw. er dies nach der Meinung des Täters ist.

    Der Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB in Form der Gewalt gegen eine Person unterliegt in Abgrenzung zur einfachen Gewalt im Sinne der §§ 240, 253 StGB erhöhten Anforderungen (...). Gewalt im Sinne des Tatbestandes des Raubs setzt eine unmittelbar oder mittelbar gegen den Körper des Opfers gerichtete Einwirkung voraus. Erforderlich ist, dass der Einsatz auch nur geringer Körperkraft durch den Täter eine körperliche Zwangswirkung beim Opfer zur Folge hat. Lediglich psychisch vermittelter Zwang reicht dagegen nicht aus. (BGH 18.09.2019 - 1 StR 129/19).

    Die Gewalt muss zur Überwindung des Widerstands eingesetzt werden. Eine erst nach der Wegnahme angewandte Gewalt erfüllt den Tatbestand nicht (dann ggf. räuberischer Diebstahl):

    Notwendige Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Raubes ist nach ständiger Rechtsprechung zunächst eine subjektiv-finale Verknüpfung zwischen dem Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittels und der Wegnahme. Gewalt oder Drohung müssen aus Sicht des Täters das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. Nach seiner Vorstellung soll mit dem Nötigungsmittel körperlicher Widerstand überwunden oder aufgrund der Zwangswirkung unterlassen und es ihm hierdurch ermöglicht werden, den Gewahrsam zu brechen (BGH 22.06.2016, Az.: 5 StR 98/16).

    Auch scheidet nach ständiger Rechtsprechung die Anwendung des Raubtatbestandes aus, wenn der Täter den Wegnahmeentschluss erst zu einem Zeitpunkt fasst, in dem die aus anderen Gründen verübte Gewaltanwendung selbst nicht mehr andauert, sondern allenfalls noch in der Weise fortwirkt, dass sich das Opfer im Zustand allgemeiner Einschüchterung befindet (BGH 15.04.2008 - 4 StR 42/08).

  • In der Absicht, die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen.

Der BGH hat die Erfüllung des Raubtatbestandes abgelehnt, wenn der Geschädigte die Bankkarte in den Automaten eingeschoben und seine Geheimnummer eingegeben hatte und der Täter ihn von dem Automaten wegstieß, einen Auszahlungsbetrag wählte und das vom Geldautomaten ausgegebene Bargeld entnahm, um sich zu Unrecht zu bereichern:

"Wird der Geldautomat technisch ordnungsgemäß bedient, erfolgt die tatsächliche Ausgabe des Geldes mit dem Willen des Geldinstituts. Dessen Gewahrsam wird nicht gebrochen" (BGH 16.11.2017 - 2 StR 154/17) - aber räuberische Erpressung bejaht, siehe unten.

2. Verwandte Delikte

Qualifizierungen zum Raub bzw. Raubelemente enthaltende Delikte sind:

  • Schwerer Raub gemäß § 250 StGB:

    Zur Erfüllung des Delikts des schweren Raubes im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist es nach der Rechtsprechung (so u.a. BGH 04.02.2003 - GSSt 2/02) ausreichend, wenn der Täter eine Schreckschusspistole verwendet.

    Setzt der Täter, vom Opfer wahrgenommen, nach Vollendung, aber noch vor Beendigung der Raubtat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug mit dem Ziel weiterer Wegnahme ein, so genügt dies für ein Verwenden "bei der Tat" auch dann, wenn die angestrebte weitere Wegnahme nicht vollendet wird (BGH 25.02.2010 - 5 StR 542/09).

  • Raub mit Todesfolge gemäß § 251 StGB:

    Bei dem Raub mit Todesfolge gemäß § 251 StGB muss der Tod kausal auf die Gewalt oder die Drohung zurückzuführen sein. Leichtfertig i.S.d. § 251 StGB bedeutet einen erhöhten Grad der Fahrlässigkeit. Die vorsätzliche Tötung des Opfers erfüllt den Tatbestand hingegen nicht.

    In der Entscheidung BGH 14.01.2016 - 4 StR 72/15 stellte der BGH folgende Leitsätze auf:

    • Eine Verurteilung wegen einer Straftat nach § 251 StGB setzt vorsätzliches Handeln voraus; nur hinsichtlich der schweren Folge genügt Leichtfertigkeit (§ 18 StGB).

    • Hat bei einem Raub mit Todesfolge lediglich einer von mehreren Tatbeteiligten den qualifizierenden Erfolg verursacht, so sind die anderen gemäß § 251 StGB nur strafbar, wenn sich ihr zumindest bedingter Vorsatz auf die Gewaltanwendungen erstreckt, durch welche der qualifizierende Erfolg herbeigeführt worden ist, und wenn ihnen in Bezug auf die Todesfolge wenigstens Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist.

    • Ein Beteiligter haftet als Mittäter nur für Folgen derjenigen Handlungen des den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Täters, die er in seine Vorstellungen von dem Tatgeschehen einbezogen hatte.

    • Bei § 251 StGB kann von einer leichtfertigen Todesverursachung "durch die Tat" nur dann ausgegangen werden, wenn nicht nur der Ursachenzusammenhang im Sinne der Bedingungstheorie gegeben ist, sondern sich im Tod des Opfers tatbestandsspezifische Risiken verwirklichen, die typischerweise mit dem Grundtatbestand einhergehen.

    • Der erforderliche qualifikationsspezifische Zusammenhang ist nicht nur gegeben, wenn der Täter durch eine Nötigungshandlung, die der Ermöglichung der Wegnahme dient, den Tod des Opfers herbeiführt.

    • Bei einer auf den Zweck der Vorschrift abstellenden Betrachtungsweise ist der besondere Zusammenhang auch dann gegeben, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht.

    • Daher kann der Tatbestand auch dann gegeben sein, wenn der Täter die zum Tode führende Gewalt nicht mehr zur Ermöglichung der Wegnahme, sondern zur Flucht oder Beutesicherung anwendet, sofern sich in der schweren Folge noch die spezifische Gefahr des Raubes realisiert, und der Raub bzw. die räuberische Erpressung noch nicht beendet war.

  • Räuberischer Diebstahl gemäß § 252 StGB:

    Im Falle des räuberischen Diebstahls gemäß § 252 StGB muss der Diebstahl im Zeitpunkt der Tatbegehung bereits vollendet sein. Der Täter ist auf frischer Tat betroffen, wenn er noch am Tatort oder in dessen unmittelbarer Nähe wahrgenommen wird. Die Gewaltanwendung muss (auch) in der Absicht geschehen, sich die Beute zu erhalten.

    Dabei liegt das Tatbestandsmerkmal "auf frischer Tat" auch dann noch vor, wenn der Täter noch in unmittelbarer Nähe zum Tatort und alsbald nach der Tatausführung wahrgenommen wird, wenn also im Moment der Wahrnehmung noch ein enger, sowohl örtlicher als auch zeitlicher Zusammenhang mit der Vortat besteht (BGH 04.08.2015 - 3 StR 112/15).

  • Räuberische Erpressung gemäß § 255 StGB:

    Bei der räuberischen Erpressung gemäß § 255 StGB muss die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen sein. Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen oftmals zum Raubtatbestand. Nach der Rechtsprechung ist auf das äußere Erscheinungsbild abzustellen: Bei dem Raub dominiert die eigenhändige Wegnahme durch den Täter, bei der räuberischen Erpressung wird die Sache von dem Opfer herausgegeben.

    Beispiel:

    Der BGH hat die Erfüllung des Tatbestands der räuberischen Erpressung bejaht, wenn der Geschädigte die Bankkarte in den Automaten eingeschoben und seine Geheimnummer eingegeben hatte und der Täter ihne von dem Automaten wegstieß, einen Auszahlungsbetrag wählte und das vom Geldautomaten ausgegebene Bargeld entnahm, um sich zu Unrecht zu bereichern:

    "Der Angeklagte hat durch Wegstoßen des Zeugen B. vom Geldautomaten Gewalt gegen diesen angewendet. Dadurch hat er diesen gezwungen, die Eingabe des Auszahlungsbetrages in den Geldautomaten und die Herausnahme der dem Zeugen zur Übereignung angebotenen Geldscheine zu dulden. Der Zeuge hat dabei einen Vermögensschaden erlitten; denn einerseits wurde sein Konto automatisch mit dem Ausgabebetrag belastet, andererseits hat er die ihm von der Sparkasse zur Übereignung angebotenen Geldscheine nicht erhalten. Der Angeklagte hat mit der Absicht rechtswidriger Bereicherung, ferner rechtswidrig und schuldhaft gehandelt und nach allem eine räuberische Erpressung begangen." (BGH 16.11.2017 - 2 StR 154/17).

  • Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer gemäß § 316a StGB.

 Siehe auch 

Bagatelldelikt

Diebstahl

Drohung

Hausfriedensbruch

Körperverletzung

BGH 08.04.2010 - 2 StR 17/10 (die die Lebensgefahr verursachende Handlung wurde nicht zur Beutesicherung vorgenommen)

BGH 25.03.2009 - 5 StR 31/09 (Voraussetzungen der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der schweren körperlichen Misshandlung)

BGH 01.10.2008 - 5 StR 445/08 (Beutesicherungsabsicht als Voraussetzung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB)

BGH 29.09.2005 - 4 StR 420/05 (Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme bei schwerem Raub)

Bockemühl: Handbuch des Fachanwalts Strafrecht; 7. Auflage 2018

Boettge: Zum Haftungsausschluss des Frachtführers nach Art. 17 Abs. 2 CMR bei Raub; Versicherungsrecht - VersR 2006, 1618

Brand: Die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung am Beispiel der Forderungserpressung; Juristische Schulung - JuS 2009, 899

Habetha: Subjektive Beschränkung "nachträglicher" Raubqualifikationen; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2010, 3133

Herzberg: Zum Merkmal "durch den Raub" in § 251 StGB und zum Rücktritt vom tödlichen Raubversuch; Juristenzeitung - JZ 2007, 615

Hinderer/Kneba: Der tatbestandstypische Zurechnungszusammenhang beim Raub mit Todesfolge; Juristische Schulung - JuS 2010, 590