Rechtswörterbuch

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Gutschein

 Normen 

§ 793 BGB

§ 808 BGB

Art. 240 § 5 EGBGB

§ 3 Abs. 13 - 15 UStG

RL 2016/1065

 Information 

1. Formen

Gutscheine nehmen im Geschäftsleben eine immer größere Bedeutung ein. In der Praxis wird der Gutschein dabei zumeist als Geschenkgutschein oder bei dem Umtausch einer Ware aus Kulanzgründen bei Fehlen eines Sachmangels ausgestellt. Der Empfänger des Gutscheins hat keinen Anspruch auf Auszahlung des dem Gutschein zugrunde liegenden Geldbetrages.

Bei der rechtlichen Beurteilung von Gutscheinen sind zwei Formen zu unterscheiden:

  • Nicht inhaberbezogene Gutscheine:

    Nicht auf einen individuellen Inhaber ausgestellte Gutscheine sind Inhaberschuldverschreibungen gemäß § 793 BGB (= der Normalfall des Geschenkgutscheins):

    Der Aussteller hat an den jeweiligen Inhaber zu leisten.

  • Inhaberbezogene Gutscheine:

    Namentlich ausgestellte Gutscheine gemäß § 808 BGB sind qualifizierte bzw. hinkende Inhaberpapiere. Die Übertragung des Gutscheins auf einen anderen Inhabers erfordert die Zustimmung des Ausstellers.

    Voraussetzung ist, dass die Nennung des Namens tatsächlich den Ausschluss der Übertragung bewirken soll und nicht nur zur Dokumentation des Geschenkempfängers, zur Vervollständigung des Geschenks bzw. aus anderen Gründen in dem Gutschein aufgeführt wird.

2. Gültigkeitsdauer / Verjährung

Bei der Frage, wie lange der Anspruch aus dem Gutschein geltend gemacht werden kann, ist zwischen inhaberbezogenen und nichtinhaberbezogenen Gutscheinen zu unterscheiden:

2.1 Nicht inhaberbezogene Gutscheine

In dem Gutschein wurde keine Gültigkeitsfrist festgelegt: Der Anspruch aus dem Gutschein verjährt nach der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB in drei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Gutschein ausgestellt wurde.

Beispiel:

Der Gutschein wurde im August 2020 gekauft. Der Anspruch auf die im Gutschein verbriefte Leistung kann letztmalig am 31.12.2023 verlangt werden.

In dem Gutschein wurde eine Gültigkeitsfrist vereinbart:

  • Bei einer individuell vereinbarten Frist ergibt sich eine Kontrolle der Befristung nur nach den Grundsätzen der Sittenwidrigkeit, d.h. wenn die Frist zu kurz bemessen ist. Dabei besteht keine allgemein vorgegebene Grenze. Die Beurteilung bestimmt sich nach der Art der Leistung und den Gepflogenheiten des jeweiligen Geschäftsverkehrs.

  • Wird die Frist durch den Aussteller des Gutscheins vorgegeben (Normalfall; in der Regel ist die Befristung auf den Gutschein aufgedruckt) unterliegt die Befristung dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, d.h. es ist zu prüfen, ob der Inhaber durch die Frist unangemessen benachteiligt wird.

    Das Landgericht München I hat in der Entscheidung LG München 05.04.2007 12 O - 22084/06 die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Internethändlers Amazon enthaltene Befristung des Gutscheins auf ein Jahr ab Ausstellungsdatum für ungültig erklärt. Die Gutscheine können danach innerhalb der Drei-Jahres-Frist eingelöst werden.

    Die gegen das Urteil eingelegte Berufung wurde mit der Entscheidung OLG München 17.01.2008 - 29 U 3193/07 abgewiesen.

2.2 Inhaberbezogene Gutscheine

Die Verjährung richtet sich nach § 801 BGB und beträgt grundsätzlich dreißig Jahre, es sei denn der Aussteller legt eine kürzere Frist fest, innerhalb derer der Gutschein einzulösen ist (§ 801 Abs. 3 BGB).

Das Amtsgericht Syke (AG Syke 19.02.2003 - 9 C 1683/02) hat den Gutschein für eine Fahrt mit einem Heißluftballon als inhaberbezogenen Gutschein qualifiziert und die Begrenzung der Einlösezeit durch den Aussteller auf ein Jahr für zulässig erachtet. Die Zuordnung als inhaberbezogener Gutschein beruhte nicht zuletzt auf der Verpflichtung des Ausstellers, für den Empfänger eine individuelle Haftpflichtversicherung abzuschließen.

Gemäß § 796 BGB kann der Aussteller dem Inhaber nur solche Einwendungen entgegensetzen, die die Gültigkeit der Ausstellung betreffen, sich aus der Urkunde ergeben oder dem Aussteller unmittelbar gegen den Inhaber zustehen.

Zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten sollte auf dem Gutschein immer ein Ausstellerdatum vermerkt sein und die Gutscheine sollten durchnummeriert sein. Beide Informationen sollten neben der Höhe des Gutscheins von dem Aussteller in seinen Unterlagen dokumentiert sein.

3. EU-Gutschein-Richtlinie

Mit der EU-Richtlinie RL 2016/1065 soll eine EU-weite einheitliche steuerliche Behandlung von Gutscheine betreffenden Umsätzen gewährleistet werden. Die Inhalte der Richtlinie sind im Wesentlichen in die § 3 Abs. 13 - 15 UStG eingearbeitet.

 Siehe auch 

Kaufvertrag

Wahlschuld

Knöfel: Gift Cards (Geschenkkarten) im Einzelhandel. Rechtsnatur, Funktionsweise, Probleme; Wertpapier-Mitteilungen - WM 2017, 833

Lehr: Geschenkgutscheine - Auswirkungen der Umsatzsteuererhöhung; Neue Wirtschafts-Briefe - NWB 2006, 4117

Zwickel: Vertragsbeziehungen, Leistungsstörungen und Gestaltungsmöglichkeiten beim Gutscheingeschäft; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2011, 2753