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Gesamtbetriebsrat

 Normen 

§§ 47 - 53 BetrVG

 Information 

1. Allgemein

Der Gesamtbetriebsrat ist der Sonderbetriebsrat eines Unternehmens mit mehreren Einzel-Betriebsräten.

Der Gesamtbetriebsrat ist eine ständige Einrichtung und unterliegt daher keiner bestimmten Amtszeit.

2. Wahl und Einrichtung

Die Initiative zur Einrichtung eines Gesamtbetriebsrats muss ausgehen vom Betriebsrat des Unternehmenshauptsitzes oder - sofern ein solcher nicht besteht - von dem Betriebsrat des nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größten Betriebs. Dieser Betriebsrat muss zu der Wahl des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats einladen. Der Vorsitzende des einladenden Betriebsrats hat die Sitzung zu leiten, bis der Gesamtbetriebsrat aus seiner Mitte einen Wahlleiter bestellt hat.

Die Voraussetzungen der Bildung eines Gesamtbetriebsrates sind gemäß § 47 BetrVG, dass

  • dem Unternehmen mehrere Betriebe unterstehen, die ihm als Rechtsträger zugeordnet sind und

  • in dem Unternehmen tatsächlich mehrere Betriebsräte bestehen.

3. Mitglieder

Jeder Betriebsrat mit bis zu drei Mitgliedern entsendet eines seiner Mitglieder, bei mehr als drei Mitgliedern werden zwei Mitglieder entsandt. Die Geschlechter sind angemessen zu berücksichtigen.

Die Mitgliederzahl kann abweichend von der gesetzlichen Vorschrift durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt werden. Besteht der Gesamtbetriebsrat nach der gesetzlichen Regelung aus mehr als 40 Mitgliedern, so ist gemäß § 47 Abs. 5 BetrVG eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, nach der Betriebe, die regional oder durch gemeinsame Interessen verbunden sind, gemeinsame Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat entsenden.

4. Aufgaben

Die Aufgaben des Gesamtbetriebsrats sind in § 50 BetrVG dargestellt:

Hinweis:

Die Ausübung der Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz obliegt grundsätzlich dem von den Arbeitnehmern unmittelbar gewählten Betriebsrat.

  1. a)

    Der Gesamtbetriebsrat ist zuständig für solche Angelegenheiten,

    • die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen

      und

    • nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können.

    Erforderlich ist, dass es sich zum einen um eine mehrere Betriebe betreffende Angelegenheit handelt und zum anderen objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung besteht (BAG 12.06.2019 - 1 ABR 5/18; BAG 18.07.2017 - 1 ABR 59/15).

    Ob ein zwingendes Erfordernis gegeben ist, bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestands, der einer zu regelnden Angelegenheit zugrunde liegt. Maßgeblich sind stets die konkreten Gegebenheiten im Unternehmen und in den einzelnen Betrieben. Allein der Wunsch des Arbeitgebers nach einer unternehmenseinheitlichen oder betriebsübergreifenden Regelung, sein Kosten- oder Koordinierungsinteresse sowie reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte genügen nicht, um in Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zustimmung des Gesamtbetriebsrats zu begründen (BAG 18. Juli 2017 - 1 ABR 59/15BAG 17. März 2015 - 1 ABR 48/13).

    Beispiel:

    "Die Einführung und Anwendung von Microsoft Office 365 im Unternehmen unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. (...)

    Für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts ist der Gesamtbetriebsrat zuständig. Bei der Einführung und Anwendung der neuen Software handelt es sich um eine Angelegenheit, die mehrere Betriebe betrifft und nicht durch die einzelnen Betriebsräte geregelt werden kann.

    Die Administration der Software (...) kann nur einheitlich für das gesamte Unternehmen - den sog. Tenant - erfolgen. Entsprechend werden auch die Administrationsrechte zentral vergeben. Dadurch besteht die Möglichkeit einer Kontrolle des Nutzungsverhaltens von Arbeitnehmern in sämtlichen Betrieben. Diese zentrale Überwachungsmöglichkeit gebietet aus technischen Gründen zwingend eine betriebsübergreifende Regelung" (BAG 08.03.2022 - 1 ABR 20/21).

    Der Gesamtbetriebsrat nimmt diese Aufgaben auch in den Betrieben wahr, in denen kein Betriebsrat besteht.

    Diese Zuständigkeitsverteilung betrifft aber nur die im Betriebsverfassungsgesetz geregelten Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte, bei denen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat eine Regelungsbefugnis eröffnet ist.

    Nach der Entscheidung BAG 16.08.2011 - 1 ABR 22/10 findet "bei Beteiligungssachverhalten, die einer weiteren Ausgestaltung durch die Betriebsparteien nicht zugänglich sind oder einer solchen nicht bedürfen, § 50 BetrVG keine Anwendung, sodass es bei der Zuständigkeit des Betriebsrats verbleibt. Dies betrifft etwa die Geltendmachung von Rechtsansprüchen, die allein vom Vorliegen der im Gesetz bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig sind. (...) Zu diesen Beteiligungssachverhalten gehört auch die Wahrnehmung des Überwachungsrechts nach § 80 BetrVG."

  2. b)

    Daneben kann jeder Betriebsrat mit der Mehrheit der Stimmen Aufgaben auf den Gesamtbetriebsrat übertragen.

Der Gesamtbetriebsrat ist nicht befugt, in betriebsratslosen Betrieben zum Zwecke der Einleitung einer Betriebsratswahl zu Belegschaftsversammlungen einzuladen (BAG 16.11.2011 - 7 ABR 28/10).

5. Geschäftsführung

In der mindestens einmal jährlich vom Gesamtbetriebsrat einzuberufenden Betriebsräteversammlung gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG ist der Unternehmer neben den bisherigen Themenbereichen auch verpflichtet, über den Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern, der Integration der ausländischen Arbeitnehmer und dem Umweltschutz Auskunft zu geben.

6. Amtszeitende

Das Amt des Gesamtbetriebsrats endet nicht schon dann, wenn die Voraussetzungen für seine Errichtung vorübergehend entfallen, sondern erst, wenn von dem dauerhaften Wegfall der Errichtungsvoraussetzungen auszugehen ist (BAG 15.10.2014 - 7 ABR 53/12).

 Siehe auch 

Beschlussverfahren - Arbeitsgerichtsbarkeit

Betriebsrat

Betriebsversammlung

Jugend- und Auszubildendenvertretung

Konzernbetriebsrat

Hoffmann/Alles: Der "unternehmensübergreifende" Gesamtbetriebsrat; Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - NZA 2014, 757

Schipp: Die Regelungskompetenz des Gesamtbetriebsrats bei Betriebsänderungen. Zuständigkeitsprobleme zwischen örtlichem Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat; FS Ingrid Schmidt 2021, 515

Schwab: Der Gesamtbetriebsrat - Rechtsstatus und Kompetenz; Rechtsprechungsreport Arbeitsrecht - NZA-RR 2007, 505

Wollwert: Zulässigkeit der Errichtung eines Konzernbetriebsrats durch den konzernweit einzigen Gesamtbetriebsrat; Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - NZA 2011, 437