Trennungsjahr: Wie die Zerrüttung der Ehe festgestellt wird

Trennungsjahr: Wie die Zerrüttung der Ehe festgestellt wird - Mann und Frau streiten vor einer Holzwand
24.10.20173740 Mal gelesen
Diese Einladung, „schmutzige Wäsche zu waschen“, kann man sich heute kaum noch vorstellen: Bis zu einer Scheidungsrechts-Reform im Jahr 1976 galt, dass einer der Eheleute für die Trennung „schuldig“ gesprochen wurde – und dann z.B. in Sachen Unterhalt und Altersversorgung leiden musste.

An die Stelle dieses Schuldprinzips ist das Zerrüttungsprinzip getreten: Als wichtigster Anhaltspunkt dafür, dass die Ehe gescheitert ist, gilt heute das Trennungsjahr.

Wie ist das Trennungsjahr rechtlich definiert?

Eine Ehe kann auf Antrag der Partner geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Um zu belegen, dass es ihnen mit der Scheidungsabsicht ernst und keine Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft zu erwarten ist, wird nach einer einjährigen Trennung – dem sogenannten Trennungsjahr – das Scheitern der Ehe vermutet, sofern beide Partner die Scheidung beantragen oder der andere Partner dem einseitigen Scheidungsantrag zustimmt, §§ 1565, 1566 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Dass Trennungsjahr einzuhalten, ist der gängigste Weg in die Scheidung. Härtefall-Scheidungen (siehe unten) werden deutlich seltener ausgesprochen. Trennung heißt, dass die Ehepartner sich sichtbar voneinander lösen, insbesondere einen jeweils eigenen Hausstand gründen, also nicht mehr länger unter einem Dach wohnen. Eine Trennung kann auch bei Verbleiben in der Wohnung erfolgen, sollte dann aber durch sichtbare Separation und durch Zeugen und schriftliche Vereinbarung bewiesen werden können.

Kann das Trennungsjahr verkürzt werden?

Nein, das Gesetz verlangt – abgesehen von Härtefällen, die aber unabhängig vom Trennungsjahr zu sehen sind –, dass die Partner ein Jahr getrennt lebten. Es genügt also nicht, wenn sie erklären, dass sie nicht mehr zusammenleben wollen und aus ihrer Ehe nichts mehr wird – der Gesetzgeber sieht in der Ehe keinen Vertrag, den man durch neue vertragliche Übereinkunft einfach wieder beseitigen kann.

Was bedeutet gemeinsame/einzelne Veranlagung?

Von der Veranlagung als Einzelperson oder als Eheleute hängt insbesondere der Tarif bei der Einkommensteuer ab. Im Rahmen des sogenannten Ehegatten-Splittings stehen sich Eheleute bei der gemeinsamen Veranlagung meist besser. Während des Trennungsjahrs haben die Eheleute das Recht, zwischen der Zusammenveranlagung und der getrennten Veranlagung zu wählen. Wählt ein Gatte die getrennte Veranlagung, folgt das Finanzamt grundsätzlich diesem Wunsch. Eine profunde steuerrechtliche Beratung kann unter Umständen Auswege aus einer ungünstigen getrennten Veranlagung weisen.

Was bedeutet Härtefall?

Liegt ein sogenannter Härtefall vor, kann eine Scheidung ohne eine Trennungszeit erfolgen. Das gilt, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller eine unzumutbare Härte bedeuten würde und der Grund hierfür in der Person des anderen Ehepartners liegt, § 1565 Abs. 2 BGB.Wichtig: Bei der sogenannten Härtescheidung kommt es auf objektive Gründe an, nicht die seelische Befindlichkeit, z.B. nach einem Seitensprung des Partners.

In Betracht kommen Verfehlungen des Ehepartners, die nach Ansicht eines besonnenen, außenstehenden Dritten ausreichen, die Fortsetzung der Ehe für unzumutbar zu halten. Das kann z.B. die fortlaufende Erniedrigung des Partners vor den Kindern sein, der fortgesetzte Missbrauch von Alkohol oder anderen Drogen bei hartnäckigem Scheitern, davon Abstand zu nehmen, Prostitution, sexuelle Perversionen oder erhebliche Straftaten zum Schaden des Ehepartners.

Einzelne körperliche Übergriffe, Seitensprünge, Beleidigungen genügen dagegen z.B. in der Regel nicht. Wichtig: Für das Vorliegen von Härtefallgründen muss der antragstellende Ehepartner den Beweis führen. Aufgrund der notwendigen Beweisaufnahme kann sich daher eine Härtefallscheidung derart hinziehen, dass das Abwarten eines Trennungsjahrs schneller und weniger belastend ausfallen kann. Hinzu kommen wirtschaftliche Erwägungen, vor allem mit Blick auf den Versorgungsausgleich.

Welche Voraussetzungen müssen für ein Trennungsjahr erfüllt sein?

Im Wesentlichen gilt es, dass der Beginn des Trennungsjahrs im Scheidungsverfahren nachgewiesen werden kann.Die Eheleute trennen ihre bisherige häusliche und wirtschaftliche Gemeinschaft, die sogenannte Trennung von Tisch und Bett. Mitunter wird es nicht möglich sein, sofort einen eigenen Hausstand zu gründen, also aus einer gemeinsamen Wohnung auszuziehen.

Die Trennung kann hier auch bewirkt werden, indem die Eheleute in unterschiedlichen Betten/Räumen schlafen, ihre Haushalte getrennt führen (z.B. beim Kochen und bei der Wäsche), getrennte Konten führen – und nur noch Gemeinschaftsräume wie Badezimmer und Küche miteinander teilen. Das ist im Zweifel weniger gut zu beweisen, als eine neue Wohnung zu beziehen.

Wirkt sich ein neuer Partner auf die Gültigkeit des Trennungsjahrs ein?

Ein neuer Partner, eine neue Partnerin ist ein starker Beweis dafür, dass die Ehe zerrüttet ist und stärkt die gesetzliche Vermutung, dass das Trennungsjahr das Scheitern der Ehe belegt. Erhält der getrennt lebende Ehepartner vom anderen Trennungsunterhalt, ist aber z.B. schon bei einem neuen Partner untergekommen, beeinflusst dies unter Umständen Grund und Höhe des Unterhaltsanspruchs.

Wo muss das Trennungsjahr beantragt werden?

Es gibt keine staatliche Stelle, die hierüber Aufsicht führt. Wird eine getrennte Veranlagung bei der Einkommensteuer gewünscht, ist das Finanzamt zuständig. Zieht ein Partner aus, stützt die Ummeldung beim Einwohnermeldeamt die Vermutung, dass die Trennung eine ernste Sache ist. In Fällen sprunghaft erotisch-emotionaler Verstrickungen (mit theatralischen Versöhnungsversuchen und nachfolgender Anfeindung etc.) könnten derartige Indizien „beim Amt“ dazu beitragen, das Trennungsjahr im Scheidungsverfahren glaubwürdig zu belegen. Sinnvoll kann es auch sein, z.B. bei einem gemeinsam geführten Gehalts-Girokonto für getrennte Verhältnisse zu sorgen – wenngleich dies möglicherweise zu unvorteilhaften Fragen hinsichtlich der bisher gemeinsam erzielten Kreditwürdigkeit führt.

Muss das Trennungsjahr dem Finanzamt gemeldet werden?

Sofern die Getrenntveranlagung angestrebt wird, ja.

Kann das Trennungsjahr in einer gemeinsamen Wohnung absolviert werden?

Grundsätzlich ja, aber die Trennung von „Tisch und Bett“, also die getrennte Haushaltsführung und das Ende der gegenseitigen ehelichen Fürsorge müssen eindeutig sein. Je weniger nach außen sichtbar die Trennung wird, desto wichtiger sind förmliche Absprachen, z.B. eine ausdrückliche Trennungsvereinbarung bzw. Trennungserklärung.

Wirkt sich das Trennungsjahr auf den Hartz-IV-Bezug aus?

Es sind viele Konstellationen denkbar. Trennen sich z.B. die Partner räumlich, zieht also etwa einer der Partner in eine neue Wohnung, endet nach außen erkennbar die Bedarfsgemeinschaft. Hat einer der Partner ein Einkommen, steht dem anderen Partner ggf. Trennungsunterhalt zu. Dieser würde dann bei der Berechnung des Arbeitslosengeld-II-Anspruchs berücksichtigt.

Der Versuch, das Trennungsjahr in einer gemeinsamen Wohnung zu bewältigen, dürfe dagegen problematisch sein. Hier würde das Jobcenter regelmäßig kaum von einer Auflösung der Bedarfsgemeinschaft ausgehen und die trennungswilligen Eheleute wären genötigt, sozusagen vorab vor dem Sozialgericht ein Verfahren zur Beendigung der Bedarfsgemeinschaft zu führen, um mit Blick auf den Hartz-IV-Bezug – unter Umständen – getrennt behandelt zu werden.

Wie kann das Trennungsjahr nachgewiesen werden?

Der Bezug getrennter Wohnungen ist ein sicheres Indiz. Ein Schriftwechsel, per Einschreiben ausgetauscht, mit dem sich die Partner erklären, jedenfalls Tisch und Bett getrennt zu führen, sowie der Beweis getrennter Miet-, Versicherungs-, Lebensführungskosten, belegt das Trennungsjahr, sollte man weiterhin unter einem Dach wohnen bleiben.

Ist es möglich ein Trennungsjahr ohne Anwalt durchzuführen? Was bringt das?

Sind beide Eheleute in Sachen Einkommen und Vermögen einigermaßen gleich ausgestattet, wird es oft ausreichen, wenn der erste Termin mit einem Scheidungsanwalt vereinbart wird, wenn also der Scheidungsantrag bevorsteht. Jedoch fällt mit Beginn des Trennungsjahrs meist so viel an sozialer/räumlicher Kontrolle über die bisherigen Lebens- und Vermögensumstände fort, dass eine anwaltliche Beratung bereits bei oder vor Beginn des Trennungsjahrs sinnvoll erscheint.

Beginnt das Trennungsjahr nicht mit der Einigkeit der Eheleute darüber, dass sie nunmehr auf zivilisierte Weise uneinig sein wollen und sind die Vermögens-/Erwerbsverhältnisse asymmetrisch, wird anwaltlicher Rat unbedingt sinnvoll sein. Zu denken ist hier z.B. schon an Situationen, in denen das Geld, das der aus der gemeinsamen Wohnung ausziehende Partner benötigt, um sich in einer neuen Wohnung einzurichten, auf gemeinsamen Konten festliegt, oder ein Partner während der Ehe einen deutlich höheren Zugewinn erzielt (etwa in typischen Hausfrauenehen): Hier darf der „reichere“ Partner während des Trennungsjahrs das Ersparte zwar durchaus nicht willkürlich „auf den Kopf hauen“, sondern muss damit rechnen, später im Zugewinnausgleich reichlich davon abzugeben.

Allerdings nützt dieses Recht wenig, wenn das Geld fort ist. Insbesondere bei wirtschaftlich und/oder intellektuell unterschiedlich ausgestatteten Partnern ist anwaltlicher Rat daher außerordentlich nützlich. Stehen neben dem Trennungsunterhalt des künftigen Ex-Gatten noch Unterhaltsansprüche von gemeinsamen Kindern auf dem Spiel, wird dies doppelt sinnvoll sein.

Kann ein Trennungsjahr rückwirkend geltend gemacht werden?

Die Eheleute können nicht privatautonom entscheiden, wann das Trennungsjahr begonnen hat. Leben sie allerdings ohnehin weitgehend getrennt – man denke hier z.B. an eine Akademikerehe mit Lehraufträgen: sie in München, er in Hamburg, der Ehevertrag sieht Gütertrennung vor – würden die Partner im Konsens relativ frei auch rückwirkend festlegen können, wann ihr Trennungsjahr glaubwürdig begann.

Wirkt sich das Trennungsjahr auf die Leistungen der Krankenversicherung aus?

Bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils, also auch im Trennungsjahr, bleibt es regelmäßig z.B. bei der bestehenden Familienversicherung.

Beeinflusst das Trennungsjahr die Unterhaltsansprüche?

Während der Trennungszeit kann der eine Ehegatte vom anderen „nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt“ verlangen, § 1361 BGB. Der wesentliche und wohl fast immer als schmerzhaft erlebte Schnitt besteht hier gegenüber dem Unterhalt, den sich zusammen lebende Eheleute schulden – neben den Kosten für die Führung z.B. des neuen Haushalts – darin, dass die ehelichen Unterhaltsansprüche nun „durch Zahlung einer Geldrente“ zu gewähren sind – an die Stelle wechselseitiger, auch immaterieller Fürsorge tritt hier also das bare Geld.

Sind beide Ehepartner für gemachte Schulden eines Ehepartners während des Trennungsjahrs verantwortlich?

Grundsätzlich gilt schon bei bestehender, ganz normal laufender Ehe: Für Schulden haftet grundsätzlich nur der, der sie macht. Allerdings werden z.B. Banken regelmäßig versuchen, beide Ehepartner zur gemeinsamen Haftung zu verpflichten, was z.B. beim Kauf eines Hauses oder einer Wohnung völlig sachgemäß ist. Man darf einerseits davon ausgehen, dass sich ein getrennt lebender Ehepartner noch weniger dazu „breitschlagen“ lässt, für die Verbindlichkeiten seines künftigen „Ex“ einzustehen als dies während der regulären Ehezeit der Fall war.

Andererseits ist besonders darauf zu achten, ob und wie der in Trennung lebende Partner bereits gemeinsam aufgenommene Schulden bedient. Vorsichtige Entwarnung kann also eher nur für neue Schulden des künftigen Ex-Partners gegeben werden.