Betriebsbedingte Kündigung – nicht sehr häufig, aber einschneidend

Betriebsbedingte Kündigung – nicht sehr häufig, aber einschneidend
01.09.2017357 Mal gelesen

Das Ende ihres Arbeitsvertrags durch Kündigung von Seiten des Arbeitgebers oder wegen Betriebsstilllegung erleben rund 20 Prozent aller Beschäftigten, die ihre Arbeit verlieren. Weitaus häufiger ist die eigene Kündigung (31%), das Ende eines befristeten Arbeitsvertrags (17,5%) oder die Verrentung bzw. der Auflösungsvertrag (je knapp 9%) – so die statistischen Zahlen (2013).

Auch wenn vier Fünftel aller Beschäftigungsverhältnisse ohne „dramatische“ Kündigung vonstattengehen, sehen sich – angesichts der Masse der Arbeitsverträge – trotzdem viele Arbeitnehmer in der oft unangenehmen Situation, ihr Berufsleben neu regeln zu müssen. Wird das Arbeitsverhältnis von Seiten des Arbeitgebers gekündigt, erfolgt dies in rund zwei Drittel der Fälle betriebsbedingt – die übrigen Fälle betreffen außerordentliche, also „fristlose“ Kündigungen aus persönlichen Gründen.

Wie ist die betriebsbedingte Kündigung rechtlich definiert?

Eine betriebsbedingte Kündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis kündigt, weil es aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist, den Arbeitnehmer weiterhin zu beschäftigen. Es handelt sich dabei um Gründe, die primär im betriebswirtschaftlichen Ermessen des Arbeitgebers liegen, beispielsweise, weil er die Zahl seiner Mitarbeiter an eine erwartete Auftragslage anpassen möchte oder der technische Fortschritt ein Beschäftigungsverhältnis unwirtschaftlich macht. Anders als bei einer Kündigung, deren Gründe in der Person des Arbeitnehmers liegen – beispielsweise nach einer Störung des Betriebsfriedens oder einer Straftat zulasten des Unternehmens – ist der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung prinzipiell nicht verpflichtet, sich wegen dieser Gründe zu rechtfertigen.

Welche Voraussetzungen müssen bestehen, damit der Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen kann?

Weil der Arbeitgeber betriebswirtschaftlich rational handeln darf, steht ihm – ganz grundsätzlich gesehen – die Kündigung aus betrieblichen Gründen zunächst frei. Greift allerdings das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), ist dieses Recht des Arbeitgebers eingeschränkt (siehe unten). In Kleinbetrieben kann der Arbeitgeber hingegen – sofern nicht besondere gesetzliche Hinderungsgründe vorliegen – weitgehend frei betriebsbedingt kündigen. Einen besonderen gesetzlichen Schutz in allen Beschäftigungsverhältnissen bieten aber das Schwerbehinderten- oder das Mutterschutzrecht. Zudem darf auch der „kleine“ Arbeitgeber nicht nach Lust und Laune kündigen, da auch Beschäftigte in Betrieben unter zehn Mitarbeitern ein Recht darauf haben, dass z.B. langjährige Mitarbeit berücksichtigt wird. Auch beispielsweise ein vom Arbeitgeber aktiv gewecktes Vertrauen darauf, dass der Arbeitnehmer weiterbeschäftigt wird, kann eine Kündigung nach dem allgemeinen Prinzip von Treu und Glauben rechtsunwirksam machen.

Welche Auswirkung hat der gesetzliche Kündigungsschutz auf eine betriebsbedingte Kündigung?

Unter gesetzlichem Kündigungsschutz werden allgemein die Rechte aus dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) verstanden, die allen Arbeitnehmern zugutekommen. Der Kündigungsschutz für spezielle Gruppen (wie schwangere Frauen oder Schwerbehinderte) ist zwar auch gesetzlich geregelt, kann aber in diesem Zusammenhang noch nicht vorgestellt werden.

Sind in dem Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, greift regelmäßig das Kündigungsschutzgesetz – die Errechnung der Beschäftigtenzahl nach § 23 KSchG kann bei Teilzeitbeschäftigungen allerdings schon eine Kunst für sich sein. Wichtig ist auch, dass der Schutz für den Betrieb gilt, also für eine räumliche bzw. organisatorische Einheit, die nicht zwingend mit „der Firma“ identisch ist. Ist das Kündigungsschutzgesetz zu beachten, ist die Kündigung nach § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam, wenn sie „sozial ungerechtfertigt ist“. Eine betriebsbedingte Kündigung kann dann unwirksam sein, wenn der Arbeitnehmer im gleichen Betrieb oder einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann oder eine zwischen Unternehmer und Betriebsrat vereinbarte Richtlinie verletzt wurde und der Betriebsrat der Kündigung widerspricht.

Nach § 1 Abs. 3 KSchG ist eine Kündigung auch bei Vorliegen dringender betrieblicher Gründe für die Kündigung sozialwidrig, wenn bei der Auswahl der zu entlassenen Beschäftigen soziale Aspekte wie Betriebszugehörigkeit oder Unterhaltspflichten der Betroffenen nicht oder nicht genug berücksichtigt wurden (sogenannte Sozialauswahl).

Ist der Betriebsrat bei Bestehen in den Prozess miteingebunden?

Besteht ein Betriebsrat, fungiert dieser als eine Art Wächter über die Möglichkeit, eine Kündigung durch Weiterbeschäftigungsalternativen abzuwenden oder die Wirksamkeit der Kündigung anhand von Richtlinien zu prüfen, die nach § 95 Betriebsverfassungsgesetz zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber vereinbart wurden. Insbesondere in Großbetrieben ab 500 Mitarbeitern ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass solche Richtlinien bestehen. Der Betriebsrat ist entsprechend ordnungsgemäß zur Kündigung anzuhören. Ähnliches gilt für Dienststellen des öffentlichen Dienstes, für die Personalvertretungen gebildet werden.

Ein weitgehendes Ausnahmefeld sind Betriebe mit sogenanntem Tendenzschutz nach § 118 Betriebsverfassungsgesetz: Politische, gewerkschaftliche, religiöse oder wissenschaftliche sowie Medien-Unternehmen und -Betriebe sind teilweise von Regeln des Betriebsverfassungsrechts ausgenommen, bilden beispielsweise regelmäßig keinen Betriebsrat.

Kann eine betriebsbedingte Kündigung durch einen Insolvenzverwalter ausgesprochen werden?

Um eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen, hat der Insolvenzverwalter grundsätzlich die üblichen Voraussetzungen zu beachten, also Anhörung des Betriebsrats (soweit vorhanden), Formge-rechtigkeit der Kündigung und erfolgte Sozialauswahl (siehe oben). Die Kündigungsfrist ist allerdings bei Insolvenz des Arbeitgebers nach § 113 Abs. 1 Satz 1 Insolvenzordnung auf regulär drei Monate zum Monatsende (Abweichendes kann sich aus Arbeits- oder Tarif-vertrag ergeben) verkürzt. Das dient auch Arbeitnehmern, die viel-leicht schneller aus ihrer Vertragsbindung herauskommen möchten.

Welche Rolle kann ein Aufhebungsvertrag im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung spielen (Abfindung)?

Ein Aufhebungsvertrag ist ein Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, mit dem sie einvernehmlich das Beschäftigungsverhältnis beenden. Er ersetzt damit eine Kündigung und kann, um dem Arbeitnehmer das Ausscheiden zu erleichtern, eine Abfindung vorsehen. Dies geschieht im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit. Allgemein und grundsätzlich haben Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf, wegen einer Kündigung eine Abfindung zu erhalten.

Aus dem Arbeitsvertrag (inklusive dem Aufhebungsvertrag) oder dem Tarifvertrag sowie aus dem Gesetz kann sich allerdings gelegentlich eine Abfindungspflicht ergeben. Bei grundlegenden Umstrukturierungen wird z.B. oftmals zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein Sozialplan verabredet, der die Folgen für die vom Unternehmensumbau betroffenen Arbeitnehmer auffangen soll. Nicht selten sind Abfindungszahlungen vorgesehen. Es kann im Interesse des Arbeitgebers liegen, sich solcher Zahlungen durch Aufhebungsverträge zu entziehen. Betroffene Arbeitnehmer sollten daher prüfen lassen, ob sie mit dem Sozialplan nicht „besser fahren“.

Was kann der Arbeitnehmer bei Erhalt einer betriebsbedingten Kündigung tun?

Bestand das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate und sind im Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, besteht die Möglichkeit der Kündigungsschutzklage nach dem Kündigungsschutzgesetz. Diese Klage ist regelmäßig binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben, sollen die Rechte aus dem Kündigungsschutzgesetz nicht wieder verlorengehen. Der Arbeitgeber könnte aber auch aus tarifvertraglichen Regelungen an der Kündigung gehindert sein oder es ergibt sich arbeitsvertraglich eine längere als die von ihm kalkulierte Kündigungsfrist. Derlei betrifft dann unter Umständen auch Arbeitnehmer, die in kleinen Betrieben tätig sind, die nicht vom Kündigungsschutzgesetz erfasst sind. Daher ist aus Arbeitnehmersicht eine umfassende Prüfung der Kündigung durch den Arbeitnehmer und seinen Anwalt, unverzüglich nach ihrem Zugang sinnvoll. Selbst wenn das Ende des Beschäfti-gungsverhältnisses nicht abgewendet werden kann, mag dem Arbeitgeber ein für den Arbeitnehmer günstiger Aufhebungsvertrag wirtschaftlich sinnvoller erscheinen, wenn ihm qualifiziert Paroli geboten wird.

Kann eine betriebsbedingte Kündigung während der Elternzeit ausgesprochen werden?

Für Menschen im Mutterschutz und in der Elternzeit gilt ein Kündigungsverbot. Ausnahmen können dem Arbeitgeber in seltenen Fällen durch die Aufsichtsbehörde erlaubt werden.

Kann eine betriebsbedingte Kündigung trotz Krankheit ausgesprochen werden?

Eine betriebsbedingte Kündigung ist von einer Kündigung zu unterscheiden, die wegen einer Erkrankung ausgesprochen wird. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist in einigen Fällen zulässig, beispielsweise bei häufigen Kurzerkrankungen, einer dauernden Arbeitsunfähigkeit oder einer krankheitsbedingten Leistungsminderung. Alle diese Fälle mögen zwar auch das Unternehmen stark belasten, gelten aber als Kündigung aus Gründen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen – ihre Zulässigkeit hängt davon ab, dass die Grenzen der Zumutbarkeit für den Arbeitgeber überschritten und auch sonst Maßnahmen eines Interessensausgleichs, z.B. eine Wiedereingliederunghilfe für den chronisch Kranken, ergriffen wurden und gescheitert sind. Bei einer betriebsbedingten Kündigung stehen dagegen die betriebswirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers im Vordergrund, beispielsweise möchte er eine Abteilung schließen oder die bisher intern erbrachten Leistungen künftig extern einkaufen.

Sind von einer solchen Kündigung auch erkrankte Arbeitnehmer betroffen, unterfallen sie grundsätzlich den allgemeinen Regeln der Sozialauswahl (siehe oben) und zur Suche nach einer alternativen Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb oder Unternehmen. Bei kleineren Unternehmen könnte eine „personenbedingte Kündigung durch die Hintertür“ in Betracht kommen, wenn etwa die „Ein-Mann-Abteilung“ des häufig erkrankten Betroffenen geschlossen wird. Ist dies zu beweisen, stärkt es die Verhandlungsposition des ausscheidenden Arbeitnehmers.