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Verkehrsunfall - Allgemein

Autor:
 Normen 

§§ 823 ff. BGB

§§ 7, 18 StVG

§ 116 SGB X

 Information 

1. Allgemein

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Unfall im Straßenverkehr im Sinne des § 142 StGB jedes Schadensereignis, in dem sich ein verkehrstypisches Unfallrisiko realisiert hat. Nicht erfasst werden z.B. Unfälle aufgrund einer deliktischen Planung.

Der Schädiger hat grundsätzlich alle sich aus dem Unfall kausal ergebenden Schäden zu ersetzen, siehe für die Fahrzeugschäden insofern den Beitrag »Verkehrsunfall - Kfz-Schaden«. Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zur Geltendmachung der Unfallschäden ist jedoch dann nicht von der Ersatzpflicht erfasst, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Versicherer seiner Leistungspflicht nicht nachkommen würde (BGH 08.05.2012 – VI ZR 196/11).

Zur Geltendmachung des Schadens aktivlegitimiert ist bei Personenschäden grundsätzlich nur der direkt Verletzte. Als einzige Ausnahme eines Fernwirkungsschadens werden die sogenannten Schockschäden (Schadensersatz – psychischer Schaden) angesehen, die dann zu einer Ersatzpflicht des Schädigers führen, wenn die Gesundheitsverletzung einen echten Krankheitswert hat und es sich um dem Geschädigten nahestehende Personen handelt. In diesen Fällen kann der Verletzte direkt gegen den Schädiger vorgehen.

Mittelbare Schäden sind nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zu ersetzen.

2. Erklärungen am Unfallort

2.1 Schriftliche Erklärungen am Unfallort

###»Einer schriftlichen Einlassung am Unfallort kommt als nicht rechtsgeschäftliches Anerkenntnis im Rahmen der Beweiswürdigung Bedeutung zu (…). Rückt der Anerkennende später von seiner Erklärung ab, so wird er, falls nicht auch das übrige Beweisergebnis gegen seine Schuld spricht, dem Richter plausibel machen müssen, weshalb er sich zu dem objektiv falschen Anerkenntnis hat bewegen lassen. Dies wird ihm umso schwerer fallen, je konkreter seine Erklärung war (…). Im Rahmen der Beweiswürdigung ist auch zu berücksichtigen, ob das Anerkenntnis zu einer Beeinträchtigung der Beweismöglichkeiten des Gegners geführt hat, z.B. weil er im Hinblick hierauf auf die Zuziehung der Polizei verzichtete (OLG Nürnberg 29.03.2022 – 3 U 4188/21).

2.2 Schuldanerkenntnisse am Unfallort

Grundsätzlich kann das Bestehen oder Nichtbestehen einer Schuld aufgrund der Vertragsfreiheit frei vereinbart werden.

Erklärungen von Unfallbeteiligten am Unfallort, in denen die Schuld für den Unfall übernommen wird, sind im Hinblick auf die weitreichenden Folgen jedoch nach der Rechtsprechung nicht als Schuldanerkenntnis zu werten. Die Erklärung kann ggf. bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden. Nicht zuletzt ist der Unfallbeteiligte gemäß der Regelung zu § 7 Ziff. II Abs. 1 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) bei Haftpflichtschäden nicht berechtigt, ohne vorherige Zustimmung des Versicherers einen Anspruch anzuerkennen (OLG Düsseldorf 16.06.2008 – I-1 U 246/07).

3. Regress des Sozialversicherungsträgers

Einige Ansprüche des Geschädigten gehen aufgrund eines im Gesetz verankerten Forderungsübergangs (§ 116 SGB X) unmittelbar auf den leistenden Sozialversicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über.

Gemäß der Entscheidung BVerfG 12.10.2010 – 1 BvL 14/09 ist § 116 Abs. 6 SGB X dahin gehend auszulegen, dass auch derjenige Elternteil die Tatbestandsvoraussetzung eines Lebens in häuslicher Gemeinschaft erfüllt, der zwar getrennt von seinem Kind lebt, jedoch seiner Verantwortung für das Kind in dem ihm rechtlich möglichen Maße nachkommt und regelmäßigen wie längeren Umgang mit dem Kind pflegt, sodass dieses zeitweise auch in seinen Haushalt integriert ist.

4. Unfallhelfer

Einem Unfallhelfer kann nicht zwangsläufig ein (Mit-)Verschuldensvorwurf gemacht werden, wenn er unmittelbar nach einem Unfall im Straßenverkehr nicht die aus nachträglicher Sicht vernünftigste Maßnahme ergreift. Dies gilt nach dem Urteil BGH 05.10.2010 – VI ZR 286/09 insbesondere dann, wenn »der Verkehrsteilnehmer in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht voraussehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt«.

5. Haftung der Unfallbeteiligten für einen Zweitunfall

»Die Beteiligten eines Erstunfalls, bei dem Teile vom Kraftfahrzeug des Beklagten auf die Fahrbahn gelangen, die von einem nachfolgenden Kraftfahrer überfahren werden (Zweitunfall), haften dem durch den Zweitunfall geschädigten Kläger mit einer Gesamtquote als eine Haftungseinheit« (OLG Hamm 08.11.2019 – 9 U 10/19).

 Siehe auch 

Abrechnung auf Neuwagenbasis

Dashcam

Fahrzeugführer – Haftung

Fahrzeughalter – Haftung

Fahrzeughalter – Haftung – Schwarzfahrt

Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr

Nutzungsausfallentschädigung

Quotenvorrecht – Kfz-Versicherung

Unabwendbares Ereignis

Verkehrsunfall – Ausland – Ausländer

Verkehrsunfall – Kfz-Schaden

Verkehrsunfall – Personenschaden

Verkehrsunfall – Rechtsanwaltsgebühren

Verkehrsunfall – Wild

http://www.verkehrsportal.de

http://www.verkehrsanwaelte.de

Bachmeier/Müller: Verkehrsrecht Kommentar (frühere Bezeichnung: Fachanwaltskommentar Verkehrsrecht); 3. Auflage 2017

Balzer/Nugel: Das Auslesen von Fahrzeugdaten zur Unfallrekonstruktion im Zivilprozess; Neue Juristische Wochenschrift – NJW 2016, 193

Himmelreich/Halm: Handbuch Verkehrsrecht; 7. Auflage 2022

Kappus: Der Verkehrsunfall in der anwaltlichen Beratungspraxis; Neue Juristische Wochenschrift – NJW 2008, 891

Kirchhoff: Der Verkehrsunfall im Zivilprozess. Hinweise zur Verbesserung der Zeugenvernehmung; Monatsschrift für Deutsches Recht – MDR 2000, 186

Kirchhoff: Der Verkehrsunfall im Zivilprozess. Auswirkungen von Haftungsbeschränkungen auf die Haftung Dritter; Monatsschrift für Deutsches Recht – MDR 1999, 330

Kreutner/Nugel: Auslesen von Daten aus dem EU-Ereignisspeicher von Fahrzeugen zur Unfallrekonstruktion; Neue Juristische Wochenschrift – NJW 2023, 177

Nugel: Wichtige Grundsätze der Quotenbildung bei einem Verkehrsunfall; Neue Juristische Wochenschrift – NJW 2018, 2941

Nugel: Die Quotenbildung bei einem Verkehrsunfall und der Anscheinsbeweis; Quotenvorschläge bei Unfällen mit einem Kfz des Gegenverkehrs; Deutsches Auto-Recht – DAR 2009, 105

Schulz: Vorschäden in der Unfallregulierung; Neue Juristische Wochenschrift – NJW 2023, 565

Timme: Zur kollisionsrechtlichen Behandlung von Straßenverkehrsunfällen; NJW 2000, 3259

Weber: Vom Freistellungsanspruch zum Zahlungsanspruch; Neue Juristische Wochenschrift – NJW 2015, 1841