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Unterhaltsvorschuss

 Normen 

UhVorschG

 Information 

1. Allgemein

Die Unterhaltsleistung ist eine besondere Hilfe für alleinerziehende Elternteile und ihre Kinder. Durch das Unterhaltsvorschussgesetz soll der Mindestunterhalt für Kinder gesichert werden, wenn die unterhaltspflichtige Person den Unterhalt nicht oder nur schleppend und unregelmäßig zahlt.

Die Durchführung des Verfahrens und die Auszahlung des Unterhaltsvorschusses erfolgt durch die Jugendämter. Mit der Zahlung geht ein eventuell bestehender Unterhaltsanspruch des Kindes in der Höhe der Zahlung auf den Landkreis über (gesetzlicher Forderungsübergang).

Der das Kind betreuende Elternteil ist verpflichtet, Auskunft über den anderen Elternteil zu geben. Auch muss er versucht haben, den Unterhalt einzutreiben.

Sozialhilfe ist dem Unterhaltsvorschuss gegenüber nachrangig.

2. Voraussetzungen

2.1 Grundanspruch

Die Leistungsgewährung unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 UhVorschG folgenden Voraussetzungen:

  1. a)

    Das Kind lebt im Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem seiner Elternteile und dieser ist ledig, verwitwet, geschieden oder getrennt lebend:

    Das Bundesverwaltungsgericht hat Kriterien entwickelt zur Beurteilung der Fallgestaltung, in der das Kind auch teilweise bei dem anderen Elternteil lebt, d.h. bei der Durchführung des Wechselmodells (BVerwG 11.10.2012 - 5 C 20/11):

    "Ein Kind lebt bei einem seiner Elternteile, wenn es mit ihm eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft unterhält, in der es auch betreut wird. Dem Sinn und Zweck des Unterhaltsvorschussgesetzes entsprechend ist das Merkmal nur dann erfüllt, wenn der alleinstehende leibliche Elternteil wegen des Ausfalls des anderen Elternteils die doppelte Belastung mit Erziehung und Unterhaltsgewährung in seiner Person zu tragen hat. Abgrenzungsprobleme entstehen, wenn das Kind regelmäßig einen Teil des Monats auch bei dem anderen Elternteil verbringt. Für die Beantwortung der Frage, ob das Kind in derartigen Fällen nur bei einem seiner Elternteile lebt, ist (...) entscheidend auf die persönliche Betreuung und Versorgung, die das Kind bei dem anderen Elternteil erfährt, und die damit einhergehende Entlastung des alleinerziehenden Elternteils bei der Pflege und Erziehung des Kindes abzuheben. Trägt der den Unterhaltsvorschuss beantragende Elternteil trotz der Betreuungsleistungen des anderen Elternteils tatsächlich die alleinige Verantwortung für die Sorge und Erziehung des Kindes, weil der Schwerpunkt der Betreuung und Fürsorge des Kindes ganz überwiegend bei ihm liegt, so erfordert es die Zielrichtung des Unterhaltsvorschussgesetzes, das Merkmal "bei einem seiner Elternteile lebt" als erfüllt anzusehen und Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zu gewähren. Wird das Kind hingegen weiterhin auch durch den anderen Elternteil in einer Weise betreut, die eine wesentliche Entlastung des den Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteils bei der Pflege und Erziehung des Kindes zur Folge hat, ist das Merkmal zu verneinen."

    Das OVG Nordrhein-Westfalen hat mit der Entscheidung OVG Nordrhein-Westfalen 04.07.2022 - 12 A 3583/20 diese Grundsätze übernommen und den Anspruch in dem zu entscheidenden Fall abgelehnt.

    Heiratet der das Kind betreuende Elternteil, entfällt der Anspruch. Nach dem Urteil BVerwG 02.06.2005 - 5 C 24/04 haben die Kinder einer in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Mutter ebenfalls keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, da ihre Mutter weder ledig noch verwitwet, geschieden oder getrennt lebend ist.

  2. b)

    Der andere Elternteil zahlt keinen oder keinen regelmäßigen Unterhalt.

    oder

    Nach Versterben des anderen Elternteils oder eines Stiefelternteils erhält das Kind keine Waisenbezüge in mindestens der in § 2 UhVorschG genannten Höhe.

  3. c)

    Das Kind hat seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.

  4. d)

    Das Kind hat das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet.

Sind die Voraussetzungen nicht mehr gegeben, so ist der das Kind betreuende Elternteil verpflichtet, die Änderung unverzüglich dem Jugendamt anzuzeigen. Bei Verletzung dieser Pflicht sind die gezahlten Gelder durch den betreuenden Elternteil oder das Kind zurückzuzahlen.

2.2 Erweiterter Anspruch für das 12. - 17. Lebensjahr

Die Altersgrenze für Kinder für den Bezug von Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz wurde zum 01.07.2017 von der Vollendung des 12. Lebensjahres auf die Vollendung des 18. Lebensjahres zielgenau anhand der Bedarfslagen für diejenigen angehoben, die dadurch besser gestellt werden. Voraussetzungen sind gemäß § 1 Abs. 1a UhVorschG dass zusätzlich die folgende Sachlage gegeben ist:

  • Mit der Regelung in Satz 1 Nummer 1 erhalten jene Kinder Zugang zum Unterhaltsvorschussgesetz, die keine Leistungen nach dem SGB II beziehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn für den gesamten Haushalt keine Hilfebedürftigkeit besteht oder das Kind durch eigenes Einkommen oder Vermögen seinen Bedarf im Sinne des SGB II decken kann. Hierzu zählt auch der Unterhaltsvorschuss. In Einzelfällen wird durch Unterhaltsvorschussleistungen zusammen mit dem Kindergeld die Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II vermieden; z.B. in Fällen mit geringen oder keinen Wohnkosten.

  • Nach Satz 1 Nummer 2 wird der Zugang zum Unterhaltsvorschussgesetz außerdem ab einem Einkommen des betreuenden Elternteils von wenigstens 600,00 EUR brutto im Monat eröffnet. Das bereits erzielte Einkommen ist die Basis für die Annahme, dass grundsätzlich das Potential für eine zumindest perspektivisch selbstständige Bedarfsdeckung vorliegt. Deshalb können auch in dieser Situation für Kinder über 12 Jahren parallel zu Leistungen nach dem SGB II Unterhaltsvorschussleistungen bezogen werden. Für die Alleinerziehenden mit den älteren Kindern soll von der Einkommensuntergrenze ein Impuls ausgehen, perspektivisch, mithilfe eines weiteren Ausbaus ihrer Erwerbstätigkeit die Hilfebedürftigkeit zu überwinden. Denn es wird so erkennbar, wie groß bei Bezug von Unterhaltsvorschuss noch die verbleibende Bedarfslücke der Betroffenen ist.

3. Höhe des Anspruchs

Die Höhe des Anspruchs bestimmt sich gemäß § 2 UhVorschG nach den für die jeweilige Altersstufe festgelegten Beträgen des gesetzlichen Mindestunterhalts gemäß § 1612a BGB.

Auf den Unterhaltsvorschuss werden die Unterhaltsleistungen des unterhaltspflichtigen Elternteils angerechnet, ebenso wie ein ggf. gezahltes Waisengeld. Nicht angerechnet wird ein eigenes Einkommen des Kindes sowie das Einkommen des betreuenden Elternteils.

Der Unterhaltsvorschuss wird monatlich im Voraus gezahlt.

4. Dauer des Anspruchs

Die zeitliche Begrenzung der Leistung durch eine Höchstbezugsdauer von 72 Monaten wurde zum 01.07.2017 vollständig aufgehoben. Damit wurde berücksichtigt, dass die besondere Belastungssituation alleinerziehender Elternteile nicht nur vorübergehend besteht, sondern gegebenenfalls über einen langen Zeitraum anhält und möglicherweise erst mit der Volljährigkeit des Kindes endet.

Rückwirkend kann der Unterhaltsvorschuss gemäß § 4 UhVorschG für höchstens einen Monat vor der Antragstellung geltend gemacht werden, sofern die Voraussetzungen bereits zu diesem Zeitpunkt erfüllt waren. Der Anwalt muss einen neuen Mandanten, der ihn am Ende eines Monats aufsucht, auf diese Möglichkeit hinweisen.

5. Nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer

Die Anspruchsvoraussetzungen sind in § 1 Abs. 2a UhVorschG geregelt. Danach besteht der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, wenn der nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer oder sein Elternteil eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt:

  • Besitz einer Niederlassungserlaubnis.

  • Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, es sei denn, einer der in § 1 Abs. 2a Nrn. 2a - c UhVorschG genannten Sachverhalte ist gegeben.

  • Besitz einer Aufenthaltserlaubnis wegen eines Krieges in seinem Heimatland, in Härtefällen, zum vorübergehenden Schutz oder aus humanitären Gründen und der Inhaber

    • hält sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet auf

      und

    • hat eine Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, bezieht Leistungen nach dem SGB III oder befindet sich in der Elternzeit.

6. Übergang von Ansprüchen des Berechtigten

Die Unterhaltsvorschusskasse kann wegen der gemäß § 7 Abs. 1 UhVorschG auf sie übergegangenen Unterhaltsforderung Ansprüche des Schuldners gegen Dritte als privilegierter Gläubiger ohne die sich aus § 850c ZPO ergebenden Einschränkungen zunächst pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, wenn nicht feststeht, ob der Unterhaltsberechtigte von dem Schuldner Unterhalt nach § 7 Abs. 3 S. 2 UhVorschG verlangt (BGH 17.09.2014 - VII ZB 21/13).

Solange der Elternteil, bei dem der Berechtigte nicht lebt, Leistungen nach dem SGB II bezieht und über kein eigenes Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II verfügt, wird gemäß § 7a UhVorschG der nach § 7 UhVorschG übergegangene Unterhaltsanspruch nicht verfolgt.

 Siehe auch 

Rechtswahrungsanzeige

Regress

Verzug mit Unterhalt

BVerwG 16.05.2013 - 5 C 28/12 (Kein Unterhaltsvorschuss bei anonymer Samenspende)

BVerwG 23.10.2008 - 5 C 5/08 (Unterhaltsvorschuss für Angehörige eines Mitglieds der Truppe oder des zivilen Gefolges eines NATO-Mitgliedstaates)

BVerwG 24.02.2005 - 5 C 17/04 (Tilgung von Verbindlichkeiten für ein Familienheim keine Unterhaltszahlung)

BVerwG 23.11.1995 - 5 C 29/93

BGH 23.08.2006 - XII ZR 26/04 (Titulierung des Unterhaltsanspruchs)

BGH 18.06.1986 - IVb ZR 43/85

Roßmann/Lentz: Taktik im Unterhaltsrecht; 5. Auflage 2024

Schürmann: Unterhaltsvorschuss (Rechtsprechungsübersicht); Familie und Recht - FuR 2012, 532

Többen: Die Neuregelungen nach dem Unterhaltsvorschussentbürokratisierungsgesetz; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2013, 1841