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Soziales Entschädigungsrecht

Autor:
 Normen 

SGB XIV

BT-Drs. 19/13824

§ 24 SGB I

 Information 

1. Einführung

Am 01.01.2024 ist das neue SGB XIV – Soziales Entschädigungsrecht – in Kraft getreten.

Hinweis:

Der damalige Sozialminister Hubertus Heil hat die Verwendung der »Unglückszahl 13« in der Gesetzesbezeichnung aus Rücksicht auf die Opfer von Gewalttaten abgelehnt. Ein SGB XIII existiert derzeit nicht.

Das Soziale Entschädigungsrecht wird insofern in einem eigenen Buch des Sozialgesetzbuchs geregelt. Das SGB XIV berücksichtigt sowohl die veränderten gesellschaftlichen Entwicklungen als auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse und die Entwicklungen im Recht der sozialen Sicherung.

In dem neuen SGB XIV wurden die schon zu den folgenden Rechtsbereichen bestehenden Einzelgesetze zusammengefasst, es wurden keine neuen Entschädigungsbereiche geschaffen:

Inhalte des neuen SGB IV sind:

  • Kapitel 1 beschreibt die Aufgabe, den Berechtigtenkreis sowie den Leistungskatalog der Sozialen Entschädigung.

  • Kapitel 2 fasst in Abschnitt 1 die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen zusammen und enthält in Abschnitt 2 Regelungen der einzelnen Entschädigungstatbestände.

  • Kapitel 3 stellt die allgemeinen Leistungsgrundsätze auf.

  • Kapitel 4 enthält die neuen Leistungen der Schnellen Hilfen.

  • Kapitel 5 umfasst die Leistungen der Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung.

  • Kapitel 6 regelt die Leistungen zur Teilhabe.

  • Kapitel 7 beschreibt die Leistungen bei Pflegebedürftigkeit.

  • Kapitel 8 regelt die Leistungen bei Blindheit.

  • Kapitel 9 regelt die Entschädigungszahlungen.

  • Kapitel 10 beschreibt den Berufsschadensausgleich.

  • Kapitel 11 fasst die Besonderen Leistungen im Einzelfall zusammen.

  • Kapitel 12 regelt Leistungen bei Überführung und Bestattung.

  • Kapitel 13 beinhaltet eine Härtefallregelung.

  • Kapitel 14 enthält Regelungen bei Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland.

  • Kapitel 15 erfasst die Besonderheiten der Leistungserbringung für einzelne Entschädigungstatbestände.

  • Kapitel 16 enthält Regelungen zum Einsatz von Einkommen und Vermögen.

  • In Kapitel 17 wird die Anpassung der Leistungshöhe geregelt.

  • Kapitel 18 behandelt Fragen der Organisation, der Durchführung des Gesetzes und des Verfahrens.

  • Kapitel 19 beschreibt die Aufgaben der Bundesstelle für Soziale Entschädigung.

  • In Kapitel 20 sind Regelungen zur Statistik und Berichtspflicht zusammengefasst.

  • Kapitel 21 regelt die Tragung der Kosten durch Bund und Länder.

  • Kapitel 22 enthält Übergangsvorschriften.

  • Kapitel 23 fasst die Vorschriften zu Besitzständen zusammen.

Das Bundesversorgungsgesetz, das Opferentschädigungsgesetz sowie weitere Regelungen zur Durchführung und Anwendung dieser Gesetze wurden aufgehoben.

Die möglichen Leistungen nach dem Recht der sozialen Entschädigung sind in § 24 SGB I aufgeführt.

2. Anwendungsbereich des SGB IX

Die Leistungen der Sozialen Entschädigung sind innerhalb des Systems der Sozialleistungen durch eine Sonderstellung gekennzeichnet. Sie sind nicht primär auf die Behebung einer sozialen Notlage ausgerichtet, sondern dienen der Entschädigung, dem angemessenen Ausgleich und der Abgeltung auch der immateriellen Nachteile nach einem schädigenden Ereignis, für das die staatliche Gemeinschaft eine besondere Verantwortung trägt.

Personen, die eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, für den die staatliche Gemeinschaft einzutreten hat, sollen angemessene und ihren Bedürfnissen entsprechende Leistungen erhalten. Die Leistungen der Sozialen Entschädigung sollen die Folgen des schädigenden Ereignisses, soweit dies möglich ist, beheben oder lindern. Eine völlige Schadlosstellung der Berechtigten wird nicht angestrebt, sondern eine unter sozialen Gesichtspunkten ausgestaltete Entschädigung.

Voraussetzungen für alle Leistungsansprüche des Sozialen Entschädigungsrechts sind eine gesundheitliche Schädigung oder der Tod des Geschädigten durch das schädigende Ereignis. Aus der gesundheitlichen Schädigung müssen gesundheitliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigungen folgen. Werden nur Sachen oder das Vermögen beschädigt, zerstört oder gemindert, besteht kein Anspruch auf Entschädigungsleistungen nach dem SGB XIV.

§ 1 Abs. 1 SGB XIV enthält den Kausalitätsgrundsatz als tragende und unverzichtbare Säule der Sozialen Entschädigung. Für die Erbringung einer staatlichen Entschädigung ist die ursächliche Verbindung sowohl zwischen schädigendem Ereignis und gesundheitlicher Schädigung als auch zwischen gesundheitlicher Schädigung und Schädigungsfolge unabdingbar. Die besondere Verantwortung der staatlichen Gemeinschaft im Sinne des § 5 SGB I besteht nur für auf diese Weise begründete Schädigungsfolgen.

Das SGB XIV regelt die Entschädigung von Opfern einer Gewalttat, von künftigen möglichen Kriegsopfern der beiden Weltkriege und von Entschädigungsberechtigten nach dem Infektionsschutzgesetz. Die Struktur des Gesetzes ermöglicht eine Erweiterung um weitere Entschädigungstatbestände.

Absatz 2 definiert das schädigende Ereignis als Grundlage jeglicher Entschädigung nach diesem Buch. Dabei wird durch Satz 2 klargestellt, dass nicht zwingend ein einmaliges Ereignis erforderlich ist. Vielmehr gelten auch mehrere aufeinander folgende Ereignisse, die sich in ihrer Gesamtheit schädigend auswirken, wie z.B. bei der Nachstellung oder im Bereich des Menschenhandels, aber auch anhaltende Situationen, wie z.B. während einer Gefangenschaft, als ein Ereignis im Sinne dieses Buches. Die in Betracht kommenden schädigenden Ereignisse unterscheiden sich je nach den Voraussetzungen der verschiedenen Anspruchsnormen der Sozialen Entschädigung.

Absatz 3 führt die relevanten schädigenden Ereignisse auf, die Grundlage für Leistungen der Sozialen Entschädigung sein können.

3. Berechtigte

Die Regelung definiert unterschiedliche Gruppen von Berechtigten der Sozialen Entschädigung, weil sich aus der Gruppenzugehörigkeit unterschiedliche Ansprüche auf Leistungen ergeben. Es handelt sich um Personengruppen, die grundsätzlich bei allen Entschädigungstatbeständen anspruchsberechtigt sein können. Soweit bei einzelnen Entschädigungstatbeständen weitere Personengruppen anspruchsberechtigt sein können, ergibt sich dies aus den Sonderregelungen in Kapitel 2 Abschnitt 2.

Nach Absatz 2 werden die unmittelbar durch ein schädigendes Ereignis betroffenen Personen einheitlich als Geschädigte bezeichnet. Im Bereich der Opferentschädigung können als Sonderfall auch Personen Geschädigte sein, die einen sogenannten Schockschaden erlitten haben (§ 14 Absatz 2).

In den Absätzen 3 bis 5 werden weitere berechtigte Personengruppen bestimmt. Angehörige nach Absatz 3 sind Ehegatten, Kinder und Eltern einer noch lebenden geschädigten Person, wobei definiert wird, wer als Kind gilt. Die Regelungen für Ehegatten gelten auch für eingetragene Lebenspartner. Durch die Gleichstellung gelten Kinder von eingetragenen Lebenspartnern als Stiefkinder des geschädigten eingetragenen Lebenspartners.

Berechtigte nach Absatz 4 sind Witwen oder Witwer sowie Waisen, wenn die geschädigte Person an den Folgen der Schädigung verstorben ist. Waisen sind nach der Definition in Absatz 3 Satz 2 Kinder von getöteten Personen. Berechtigte nach Absatz 4 Nummer 2 sind Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, wenn nach dem Tod des Partners die Betreuung eines gemeinsamen Kindes übernommen wird.

Im Absatz 5 wird die Personengruppe der Nahestehenden definiert. Dabei handelt es sich um Geschwister einer geschädigten oder getöteten Person sowie Personen, die mit dieser in einem eheähnlichen Verhältnis stehen. Bei der Einschätzung des eheähnlichen Verhältnisses ist eine gewisse, einer Ehe ähnliche Stabilität der Paarbeziehung erforderlich. Es ist auf die Umstände der Partnerschaft abzustellen; eine reine Wohngemeinschaft reicht nicht aus. Die verstärkte Einbeziehung des persönlichen Umfelds der geschädigten Person in den Kreis der Berechtigten des Sozialen Entschädigungsrechts berücksichtigt, dass eine Gewalttat oder ein anderes schädigendes Ereignis im Sinne dieses Gesetzes auch über die unmittelbar betroffene Person hinaus einen Einschnitt im Leben dieser Person darstellt. Daher wird auch Personen im Umfeld der oder des Geschädigten Zugang zu schnellen Hilfen ermöglicht.

4. Leistungen

§ 3 SGB XIV führt abschließend die in Betracht kommenden Leistungen der Sozialen Entschädigung auf. Sie konkretisiert die in § 5 SGB I und in § 24 Absatz 1 SGB I benannten Sozialleistungen.

5. Kausalität

§ 4 SGB XIV greift in Absatz 1 Satz 1 nochmals das Kausalitätsprinzip als tragende Säule der Sozialen Entschädigung auf und macht deutlich, dass ein Anspruch auf staatliche Entschädigung für kausal verursachte Schädigungsfolgen besteht. Satz 2 regelt, dass der Grundbescheid über das Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen der Sozialen Entschädigung nach Satz 1 nur dann erlassen wird, wenn dies ausdrücklich beantragt wurde.

 Siehe auch 

Ehewohnung

EU-Gewaltschutzverfahren

Gewalttaten – Entschädigung für Opfer

Heimkehrer

Hilfetelefon

Nachstellungen

Nebenklage

Opferschutz in der StPO

Psychosoziale Prozessbegleitung

Rehabilitation politisch Verfolgter der DDR

Rehabilitation wegen einvernehmlicher sexueller Handlungen verurteilten Personen

Schutz vor Gewalt in der Wohnung

Täter-Opfer-Ausgleich

Kunkel: Änderungen des SGB VIII durch das SGB XIV; Zeitschrift für das Fürsorgewesen – ZfF 2020, 162

Reinhard: Neuregelung des Sozialen Entschädigungsrechts im SGB XIV; Zeitschrift für Rechtspolitik – ZRP 2019, 221