Schriftform
1 Einführung
Die Schriftform erfordert die Erstellung eines Schriftstücks, dass dann von dem/den Aussteller(n) bzw. seinem Vertreter eigenhändig unterzeichnet wird. Das Schriftstück selbst muss, von wenigen Ausnahmen wie z.B. dem Testament abgesehen, nicht handschriftlich erstellt werden.
2 Anforderungen an die Schriftform
2.1 Allgemein
Bei der in § 126 BGB geregelten Schriftform muss das Dokument vom Aussteller bzw. dessen Vertreter unterschrieben sein.
Die Schriftform kann durch die elektronische Form ersetzt werden – es sei denn, dies ist in der Vorschrift ausdrücklich ausgeschlossen.
Hinweis:
Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses muss zwingend schriftlich erfolgen.
Hinweis:
Weder die Unterschrift auf einem Tablet-Computer mit dem damit verbundenen auf dem Schreibtablett gespeicherten elektronischen Dokument noch der Ausdruck in Papierform entsprechen der gebotenen Schriftform oder elektronischen Form eines Verbraucherdarlehenvertrags (OLG München 04.06.2012 – 19 U 771/12).
Die neuen Kommunikationsformen De-Mail und E-Postbrief (siehe E-Mail) erfüllen weder die gesetzlichen Anforderungen der Schriftform noch der elektronischen Form.
Die Schriftform kann grundsätzlich nicht durch die Textform ersetzt werden, aber Folgendes ist zu beachten:
Nach der Rechtsprechung des BAG (BAG 07.07.2010 – 4 AZR 549/08) ist das in § 126 BGB vorgesehene Formerfordernis trotz des offenen Wortlauts der Vorschrift auf Rechtsgeschäfte beschränkt. Auf rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen/Handlungen ist die Bestimmung nicht unmittelbar anzuwenden.
Hinweis:
Definition rechtsgeschäftsähnliche Handlungen:
Solche Handlungen sind auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtete Erklärungen, deren Rechtsfolgen nicht wie bei Willenserklärungen kraft des ihnen innewohnenden Willensaktes, sondern kraft Gesetzes eintreten. Regelmäßig ermöglichen oder verhindern sie den Eintritt gesetzlich angeordneter Folgen des Tätigwerdens oder Untätigbleibens.
Beispiel:
Mängelrüge des Käufers
im Arbeitsrecht z.B. das Geltendmachen eines Anspruchs zu Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist (BAG 11. Oktober 2000 – 5 AZR 313/99)
Für die Erklärung der Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 3 BetrVG genügt Schriftlichkeit. Der Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB bedarf die Erklärung nicht (BAG 11.06.2002 – 1 ABR 43/01).
Auf rechtsgeschäftliche Erklärungen sind die §§ 126 ff. BGB allenfalls analog anwendbar. Entscheidend für die Frage, ob eigenhändige Namensunterschrift oder die Textform (Fax, Mail) ausreichend ist, sind der Normzweck und die Interessenlage (Informations- oder Klarstellungszweck oder Beweis-, Warnfunktion – siehe BAG 2010 oben).
Beispiel:
Ein per Telefax übermitteltes Elternzeitverlangen ist gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig. Denn durch dieses ist die nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG a.F. i.V.m. § 126 Abs. 1 BGB erforderliche Schriftform nicht gewahrt. Nach § 126 Abs. 1 BGB muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden, wenn durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben ist (BAG 10.05.2016 – 9 AZR 145/15).
2.2 Schriftform bei GbR
Für die Einhaltung der Schriftform bei einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist es erforderlich, dass alle Gesellschafter die Vertragsurkunde unterzeichnen. Unterzeichnet für eine Vertragspartei ein Vertreter den Vertrag, muss dies in der Urkunde durch einen das Vertretungsverhältnis anzeigenden Zusatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Das Vertretungsverhältnis wird dabei bereits durch den der Unterschrift beigefügten Stempelabdruck angezeigt, ohne dass es dazu weiterer Unterschriften der übrigen geschäftsführenden Gesellschafter bedarf (BGH 23.01.2013 – XII ZR 35/11).
2.3 Schriftform bei GmbH
Handelt es sich bei einer der Parteien eines Mietvertrages um eine GmbH und wird der Mietvertrag nicht von den nach der Satzung bevollmächtigten Personen, sondern mit dem Zusatz »i.V.« von einem Dritten unterschrieben, so ist nach der Entscheidung BGH 19.09.2007 – XII ZR 121/05 dennoch die Schriftform gewahrt.
3 Schriftformklausel
3.1 Allgemein
Es wird bei Schriftformklauseln zwischen folgenden Formen unterschieden:
Deklaratorische Schriftformklauseln:
De Schriftform soll in erster Linie aus Beweisgründen erfolgen:
»Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages haben schriftlich zu erfolgen.«Konstitutive Schriftformklauseln:
Einfache Schriftformklauseln:
Einfache Schriftformklauseln sind insbesondere durch folgende Formulierungen gekennzeichnet:
»Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.«Eine derartige Konstitutivwirkung kann nach der Rechtsprechung durch eine mündliche Vereinbarung aufgehoben werden, mit der Folge, dass die mündliche Vereinbarung wirksam ist.
Qualifizierte/Doppelte Schriftformklauseln:
Doppelte/Qualifizierte Schriftformklauseln sind durch folgende Formulierungen gekennzeichnet:
Beispiel:
»Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies gilt auch für diese Klausel.«
oder
»Auf das Erfordernis der Schriftform kann nur durch eine schriftliche Erklärung verzichtet werden.«
Der BGH hat die umstrittene Frage »ob eine doppelte Schriftformklausel im Falle ihrer formularmäßigen Vereinbarung eine mündliche oder auch konkludente Änderung der Vertragsabreden ausschließen kann« im Urteil BGH 25.01.2017 – XII ZR 69/16 ausdrücklich offen gelassen. Er hat in dem Urteil jedoch entschieden, dass »eine in einem Mietvertrag über Gewerberäume enthaltene sog. doppelte Schriftformklausel im Falle ihrer formularmäßigen Vereinbarung wegen des Vorrangs der Individualvereinbarung nach § 305b BGB eine mündliche oder auch konkludente Änderung der Vertragsabreden nicht ausschließen kann«.
Nach der Rechtsprechung des OLG Rostock (19.05.2009 – 3 U 16/09) ist eine doppelte Schriftformklausel bei einem Verbrauchervertrag unwirksam. Der BGH hat die Gültigkeit bei einem Verbrauchervertrag bisher noch nicht entschieden.
Hinweis:
Zur Wirksamkeit einer Schriftformklausel im Arbeitsrecht siehe den Beitrag »Schriftformklausel - Arbeitsvertrag«.
3.2 Schriftformheilungsklausel im Mietvertrag
Als Schriftformheilungsklausel wird im Mietvertragsrecht eine Klausel bezeichnet, die die Vertragsparteien verpflichtet, alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis Genüge zu tun, und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform vorzeitig zu kündigen.
Lange Zeit war es umstritten, ob derartige Klauseln zulässig sind. Nunmehr hat der BGH entschieden, dass die Schriftformheilungsklauseln mit der nicht abdingbaren Vorschrift des § 550 BGB unvereinbar sind und sie daher unwirksam sind. Sie können deshalb für sich genommen eine Vertragspartei nicht daran hindern, einen Mietvertrag unter Berufung auf einen Schriftformmangel ordentlich zu kündigen. (BGH 27.09.2017 – XII ZR 114/16).
Dies geht einher mit einer früheren Entscheidung: Eine Schriftformheilungsklausel hindert den Grundstückserwerber für sich genommen nicht, den Mietvertrag unter Berufung auf einen Schriftformmangel zu kündigen, ohne zuvor von dem Mieter eine Heilung des Mangels verlangt zu haben (BGH 22.01.2014 – XII ZR 68/10).
4 Rechtsmissbrauch bei Berufung auf den Formmangel
Grundsätzlich darf sich jede Vertragspartei darauf berufen, die für einen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten. Nur ausnahmsweise, wenn die vorzeitige Beendigung des Vertrags zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, kann es gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich (Treu und Glauben) sein, wenn die Partei sich darauf beruft, der Vertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar oder unwirksam. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder sich sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat oder wenn bei Formnichtigkeit die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht wäre. Eine Treuwidrigkeit folgt bei einem Mietvertrag nicht bereits aus dem Umstand, dass die vereinbarte Vertragslaufzeit noch sechs Jahre beträgt, weil es gerade die langfristige Bindung ist, die von der Einhaltung der Schriftform abhängt (BGH 25.11.2015 – XII ZR 114/14).