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Rehabilitation politisch Verfolgter der DDR

Autor:
 Normen 

StrRehaG

BT-Drs. 19/10817 (zu den am 29.11.2019 in Kraft getretenen Änderungen)

VwRehaG

BerRehaG

SGB XIV

 Information 

1. Allgemein

Die Rehabilitierung von Opfern der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR wird bei Vorliegen der Voraussetzungen durch die folgenden Gesetze gewährleistet:

  • Das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz

    • ermöglicht die Aufhebung strafrechtlicher Entscheidungen staatlicher deutscher Gerichte im Beitrittsgebiet aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990, die mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sind.

    • begründet Ansprüche auf soziale Ausgleichsleistungen (Kapitalentschädigung für Haftzeiten, besondere Zuwendung für Haftopfer – sog. Opferpension – und Versorgungsleistungen bei haftbedingten Gesundheitsschäden).

  • Durch das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz soll es zur Aufhebung elementar rechtsstaatswidriger Verwaltungsmaßnahmen der DDR-Organe oder zur Feststellung der Rechtsstaatswidrigkeit dieser Akte kommen.

  • Ziel des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes ist die Rehabilitierung von Eingriffen in den Beruf oder in die berufsbezogene Ausbildung, die der politischen Verfolgung gedient haben. Zudem werden soziale Ausgleichsleistungen gewährt. Der Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst auch Eingriffe während der Schulzeit.

Auch beinahe drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung und dem Ende des SED-Unrechtsregimes führen Betroffene noch Rehabilitierungsverfahren.

Zwar lässt sich seit Jahren ein Rückgang von Anträgen auf Rehabilitierung feststellen, die Zahl der Antragseingänge weist jedoch darauf hin, dass die Rehabilitierung von SED-Unrecht auch heute noch nicht abgeschlossen ist. Die Fristen in den Rehabilitierungsgesetzen wurden daher im November 2019 gestrichen.

2. Strafrechtliche Rehabilitierung

2.1 Besondere monatliche Zuwendung

Bei der besonderen Zuwendung handelt es sich um eine monatliche Dauerleistung als soziale Ausgleichsleistung.

Gemäß § 17a StrRehaG erhalten Haftopfer, die in ihrer wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt sind, auf Antrag eine besondere monatliche Zuwendung, wenn sie eine mit den wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Grundordnung nicht vereinbare Freiheitsentziehung von mindestens 90 Tage verbüßt haben.

Die monatliche besondere Zuwendung wird in einer Höhe von 330,00 EUR gezahlt. Ob bei dem Anspruchsteller eine besondere Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage besteht, ist gemäß § 17a Abs. 2 StrRehaG in folgenden Schritten zu berechnen:

  1. a)

    Ermittlung des Einkommens gemäß der Vorgaben des § 82 Abs. 1 SGB XII, wobei u.a. Renten wegen Alters, verminderte Erwerbsfähigkeit, Arbeitsunfällen, Berufsunfähigkeit sowie wegen Todes oder vergleichbare Leistungen, Arbeitsförderungsgeld und Kindergeld unberücksichtigt bleiben.

  2. b)

    Das ermittelte Einkommen darf die folgenden Einkommensgrenzen nicht übersteigen:

    • bei alleinstehenden Berechtigten das Dreifache

    • bei Verheirateten/in Lebenspartnerschaft/in nichtehelicher Lebensgemeinschaft Lebenden das Vierfache

    der Regelbedarfsstufe 1 nach § 27a Abs. 2 und 3 SGB XII i.V.m. der Anlage zu § 28 SGB XII

Bei einer nur geringfügigen Übersteigung der Einkommensgrenze besteht in § 17a Abs. 3 StrRehaG eine Härtefallregelung.

Gemäß § 17a Abs. 6 StrRehaG sind das SGB I und das SGB X entsprechend anwendbar.

2.2 Vorliegen einer besonderen Härte

Liegen die Voraussetzungen zur Gewährung einer Kapitalentschädigung oder einer besonderen Zuwendung nicht vor und kommt das Vorliegen einer besonderen Härte in Betracht, so kann gemäß § 19 StrRehaG die zuständige Behörde dem Antragsteller diese Leistung zuerkennen.

Eine besondere Härte liegt vor, wenn bei Würdigung des Gesamtinhalts des Gesetzes der Ausschluss von der besonderen Zuwendung dessen Sinn und Zweck trotz rechtsähnlicher Sachverhalte widerspräche. Dabei hat die Rechtsprechung eines besondere Härte anerkannt, wenn die 180-Tage-Frist zur Gewährung einer besonderen Zuwendung um zwei Tage verfehlt wird, weil ein Gericht die weitere Strafvollstreckung zur Bewährung ausgesetzt hatte (OLG Naumburg 29.02.2012 – 2 Ws 319/11). In der Gesetzesbegründung wurde zudem seinerzeit das Beispiel genannt, dass die Haftentlassung wenige Tage vor Verbüßung von 180 Tagen von der Strafvollzugseinrichtung verfügt worden war.

2.3 Ausschluss der besonderen monatlichen Zuwendung

Mit § 17a Abs. 7 StrRehaG bestehen zwei alternative Ausschlusstatbestände für die besondere Zuwendung. Anknüpfungspunkt ist bei beiden Alternativen eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren.

Die Bestimmung führt zum Ausschluss des Anspruchs auf die besondere Zuwendung, wenn die Vollstreckung dieser Strafe am 2. Oktober 1990 noch nicht erledigt war und die strafrechtliche Entscheidung nicht durch Rehabilitierung nach § 1 für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben worden ist (erste Alternative). Somit werden gegebenenfalls auch Verurteilungen nach dem Strafrecht der früheren DDR erfasst. Im Fall einer nur teilweisen Rehabilitierung muss der von der Rehabilitierung ausgenommene Teil der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren geführt haben. Durch den gewählten Stichtag für die Erledigung der Strafvollstreckung und den Vorbehalt einer diesbezüglichen Rehabilitierung ist gewährleistet, dass solche Verurteilungen aus heutiger Sicht rechtsstaatlichen Maßstäben genügt haben und die Anknüpfung daran unter dem Gesichtspunkt der »Würdigkeit« des Verurteilten für die besondere Zuwendung gerechtfertigt ist.

Nach der zweiten Alternative setzt der Ausschluss des Anspruchs ausschließlich voraus, dass das Strafurteil nach dem 2. Oktober 1990 ergangen ist. Dabei kommen nicht nur Urteile deutscher Gerichte in Betracht. Auch entsprechende Strafurteile von Gerichten in anderen europäischen oder außereuropäischen Staaten können zum Ausschluss führen, wenn kein Zweifel besteht, dass sie in einem rechtsstaatlichen Verfahren zustande gekommen sind. Für den Ausschluss ist jeweils die Höhe der Einzelstrafe maßgebend.

2.4 Fehlende Mitwirkungspflicht

Die Leistung der besonderen Zuwendung kann gemäß § 66 SGB I versagt werden, wenn der Antragsteller seine Mitwirkungspflicht verletzt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Die Erschwerung ist erheblich, wenn der Antragsgegner aufgrund der ihn ungeachtet der Mitwirkungspflicht treffenden Amtsermittlungspflicht einen beträchtlichen eigenständigen Verwaltungsaufwand betreiben müsste (OLG Naumburg 27.02.2012 – 2 Ws 308/11).

2.5 Einkommen

Es bedarf bei der Ermittlung des Einkommens einheitlicher Kriterien. Hierbei ist es jedoch erforderlich, neben der Einkommensdefinition über § 82 Absatz 1 SGB XII auch die Regelungen zur Durchführung der Einkommensermittlung anzuwenden. Diese speziellen Regelungen und Pauschalierungen zur Einkommensermittlung in den einzelnen Einkunftsarten enthält die Verordnung zur Durchführung des § 82 Absatz 1 SGB XII, die über den § 17a Abs. 2 S. 2 StrRehaG Anwendung findet.

Das Kindergeld ist gemäß § 17a Abs. 2 S. 2 StrRehaG nicht als Einkommen des Berechtigten zu berücksichtigen.

Mit § 17a Abs. 2 S. 4 – 6 StrRehaG wurde eine ausdrückliche Ermächtigung geschaffen, Einkommen vorläufig festzustellen. Dies war erforderlich, da Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit in einer Vielzahl von Fällen monatlich in unterschiedlicher Höhe zufließen. Aber auch bei Einkünften, die als Jahreseinkünfte zu berechnen sind, bedurfte es einer Regelung zur vorläufigen Feststellung. Hierbei wird das zu berücksichtigende Einkommen aufgrund der Vorjahreseinkünfte, derzeitiger und voraussichtlicher Einkünfte für das Jahr geschätzt.

Die jeweils maßgebliche Einkommensgrenze wird gemäß § 17a Abs. 2 S. 8 StrRehaG durch einen Freibetrag in Höhe des einfachen Eckregelsatzes für jedes berücksichtigungsfähige Kind erhöht. Insofern wird der Tatsache Rechnung getragen, dass das Einkommen auch für den Lebensunterhalt der Kinder und nicht nur des Anspruchsberechtigten vorgesehen ist.

2.6 Rückzahlung der Leistungen nach dem Tod des Berechtigten

Bei der Zahlung von Leistungen über den Todesmonat des Berechtigten hinaus handelt es sich um eine in der Praxis häufig auftretende Fallkonstellation.

Mit dem in § 17a Abs. 4 S. 3 StrRehaG eingefügten Verweis auf § 118 Absatz 3 bis 4a SGB VI haben die Entschädigungsstellen ein Instrumentarium, mit dessen Hilfe bereits ausgezahlte Mittel zurückgefordert werden können: Es besteht die Verpflichtung von Geldinstituten und Leistungsempfängern zur Rückzahlung von über den Tod des Berechtigten hinaus erbrachten laufenden Geldleistungen. Die Regelung, wonach für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten überwiesene Geldleistungen als unter Vorbehalt erbracht gelten, stellt sicher, dass die Leistung nicht zulasten der leistenden Stelle geht. Ein rechtlich geschütztes Vertrauen des Geldinstituts, des Kontoinhabers, der Erben oder der Empfänger von Beträgen in die Rechtmäßigkeit der nach dem Tod des Berechtigten geleisteten Zahlungen wird durch diesen öffentlich-rechtlichen Vorbehalt verhindert. Auf der Grundlage des Vorbehalts besteht ein öffentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch gegenüber dem kontoführenden Geldinstitut, dem dieses zunächst nur mit dem Einwand begegnen kann, dass über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt wurde. Für den Fall, dass dieser Anspruch nicht erfüllt wird, besteht ein Rückforderungsanspruch gegenüber denjenigen, die die überzahlte Leistung in Empfang genommen oder darüber verfügt haben.

2.7 Entschädigung für eine Heimunterbringung

Gemäß § 2 Abs. 1 StrRehaG finden die Vorschriften des StrRehaG auch auf eine außerhalb eines Strafverfahrens ergangene gerichtliche oder behördliche Entscheidung entsprechende Anwendung, mit der eine Freiheitsentziehung angeordnet worden ist. Hierzu zählen nach § 2 Abs. 1 S. 2 StrRehaG insbesondere Einweisungen in psychiatrische Anstalten sowie eine Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche, die der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient haben. Die materiellen Rehabilitierungsvoraussetzungen sind bei der Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche demnach immer dann erfüllt, wenn entweder die der Anordnung erkennbar innewohnende Zweckbestimmung zumindest auch darauf abzielte, eine politische intendierte Benachteiligung herbeizuführen, oder die Anordnung sonst sachfremden Zwecken gedient hat.

Zudem haben sich zuletzt bei der Gruppe von Personen, die in einem Heim für Kinder oder Jugendliche untergebracht wurden und die eine Rehabilitierung nach dem StrRehaG wegen der Anordnung der Heimunterbringung begehren, spezifische Probleme im Hinblick auf die Sachverhaltsaufklärung gezeigt. Das Fehlen von Unterlagen wie Jugendhilfeakten, vor allem aber das junge Alter der in einem Heim für Kinder oder Jugendliche untergebrachten Personen führte in der Praxis teilweise dazu, dass sich eine Feststellung der Gründe, die zu der Anordnung der Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche geführt haben, äußerst schwierig gestaltet. Diesen spezifischen Schwierigkeiten sollte begegnet werden.

Mit § 10 Abs. 3 StrRehaG wurde eine Regelung eingeführt, die dem Gericht bei Schwierigkeiten der Sachverhaltsaufklärung unter Würdigung aller Umstände erlaubt, es für festgestellt zu erachten, dass die Anordnung der Unterbringung in einem Heim für Kinder und Jugendliche der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat. Voraussetzung hierfür ist, dass trotz Amtsermittlungsgrundsatz und des Umstandes, dass nach § 10 Abs. 2 StrRehaG nicht der volle Beweis gefordert wird, sondern die Glaubhaftmachung genügt, diese Tatsache nicht festgestellt werden konnte. Es muss die Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass die Anordnung der Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat. Bloße Anhaltspunkte reichen nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/10817) hierfür nicht aus. Auch darf es keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines anderen Grundes, insbesondere für fürsorgerische Erwägungen im Hinblick auf eine tatsächliche Kindeswohlgefährdung geben. Zudem ist Voraussetzung, dass die fehlende Feststellung entweder infolge der Lage, in die die Antragstellerin oder der Antragsteller durch die Unterbringung geraten ist, oder durch fehlende Mittel zur Sachverhaltsaufklärung bedingt ist.

3. Gesundheitliche Entschädigung

Sofern es während der Haft zu einer gesundheitlichen Schädigung gekommen ist, richtet sich die Entschädigung nach dem SGB XIV.

 Siehe auch 

Enteignung

Gewalttaten – Entschädigung für Opfer

Opferschutz in der StPO

Rehabilitation wegen einvernehmlicher sexueller Handlungen verurteilter Personen

Täter-Opfer-Ausgleich

BGH 14.07.2011 – 4 StR 548/10 (Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage)

BGH 10.08.2010 – 4 StR 646/09 (Zahlung der Zuwendung wenn Antrag vor rechtskräftiger Entscheidung)

OLG Naumburg 13.04.2010 – 2 Ws 15/10 (Höhe der Einkünfte berechnet sich nicht allein nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften)