Rechtsdienstleistungen
1 Begriffsbestimmung Rechtsdienstleistung
Der Anwendungsbereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes erstreckt sich auf außergerichtliche Rechtsdienstleistungen. Rechtsdienstleistungen sind gemäß § 2 Abs. 1 RDG
Tätigkeiten in konkreten fremden Angelegenheiten:
Die Frage, ob eine eigene oder eine fremde Rechtsangelegenheit betroffen ist, richtet sich danach, in wessen wirtschaftlichem Interesse die Besorgung der Angelegenheit liegt. Wird die Rechtsangelegenheit nicht nur im eigenen, sondern auch im fremden Interesse besorgt, führt dies nicht notwendig dazu, dass es sich um eine fremde Rechtsangelegenheit handelt. Ein lediglich mittelbares Eigeninteresse macht eine fremde Rechtsangelegenheit nicht zu einer eigenen. Eine fremde Rechtsangelegenheit besorgt nicht, wer als gesetzlicher Vertreter für eine natürliche oder juristische Person handelt, wer als Organ oder als Angestellter eines Unternehmens für dieses tätig wird (BGH 31.03.2016 - I ZR 88/15).
In § 2 Abs. 3 Nr. 6 RDG ist klargestellt, dass die Erledigung von Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen nicht als Tätigkeit in einer fremden Angelegenheit anzusehen ist. In allen anderen Fällen, in denen der Handelnde nicht primär im eigenen wirtschaftlichen Interesse tätig wird, ist von einer Fremdheit der Angelegenheit auszugehen (BGH 31.03.2016 - I ZR 88/15).
Beispiel:
Die vom einem Dienstleister in Vertretung Dritter vorgenommene Anmeldung von gewerblichen Schutzrechten ist eine Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten. Die Anmeldung gewerblicher Schutzrechte erfolgt im wirtschaftlichen Interesse des Anmelders und dient der Sicherung seiner Rechte (BGH 31.03.2016 - I ZR 88/15).
die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordern:
Mit dem Urteil BGH 14.01.2016 - I ZR 107/14 hat der BGH darüber entschieden, welche Anforderungen an die rechtliche Prüfung zu stellen sind. Danach erfasst die Vorschrift des § 2 Abs. 1 RDG jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über eine bloß schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht. Ob es sich um eine einfache oder schwierige Rechtsfrage handelt, ist unerheblich. Dies ergibt sich aus Wortlaut, Gesetzgebungsgeschichte, Zweck und systematischer Einordnung des § 2 Abs. 1 RDG.
Aufgrund ausdrücklicher Regelung in § 2 Abs. 2 RDG ist die Inkassodienstleistung als Rechtsdienstleistung anzusehen.
Der Begriff der Rechtsdienstleistung in Gestalt der Inkassodienstleistung (Forderungseinziehung) gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG, die ein im Rechtsdienstleistungsregister eingetragener Inkassodienstleister nach § 10 Abs.1 Satz 1 Nr.1 RDG erbringen darf, wurde durch den BGH in dem Urteil BGH 27.11.2019 - VIII ZR 285/18 eingegrenzt.
2 Vom Anwendungsbereich ausgenommene Tätigkeiten
Keine Rechtsdienstleistungen liegen bei den in § 2 Abs. 3 RDG aufgeführten Tätigkeiten vor. Dazu gehört u.a. die Erstattung wissenschaftlicher Gutachten sowie die Erledigung von Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen (z.B. bei einem Konzern).
Das BAG hat mit der Entscheidung vom 21.5.2019 (2 AZR 582/18) die Frage geklärt, wie der Begriff "innerhalb des Unternehmens" auszulegen ist:
"Die Erledigung von Rechtsangelegenheiten "innerhalb" verbundener Unternehmen iSv. § 2 Abs. 3 Nr. 6 RDG betrifft auch die Abgabe von (Willens-) Erklärungen und die Vornahme von Handlungen gegenüber Dritten, die nicht selbst zu den "verbundenen Unternehmen" gehören. Das Adverb "innerhalb" bezieht sich dabei nicht auf die Frage gegenüber wem, sondern für wen Rechtsangelegenheiten erledigt werden. Damit korrespondiert § 2 Abs. 1 RDG, der für den Begriff der Rechtsdienstleistung eine "fremde" Angelegenheit voraussetzt. Die Erledigung von Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen ist nicht als Tätigkeit in einer fremden Angelegenheit anzusehen (vgl. BT-Drs. 16/3655 S. 49 und S. 50; BGH 31. März 2016 - I ZR 88/15 - Rn. 26). Davon wird nicht nur die Erledigung von Rechtsangelegenheiten verbundener Unternehmen ohne jede Außenwirkung, sondern auch die nach außen gerichtete, gegenüber Dritten erfolgende Tätigkeit für ein verbundenes Unternehmen erfasst. Das folgt aus einer Auslegung des § 2 Abs. 3 Nr. 6 RDG."
3 Erlaubnis zur Durchführung von Rechtsdienstleistungen
3.1 Allgemein
Rechtsdienstleistungen dürfen gemäß § 3 RDG nur erbracht werden, soweit dies nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz oder einem anderen Gesetz erlaubt ist. Es bestehen insofern folgende Befugnisse:
- a)
Gemäß § 3 BRAO ist alleinig ein Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten.
Eine ohne entsprechende Erlaubnis vorgenommene Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass der Handelnde sich dabei der Hilfe eines Rechtsberaters / Rechtsanwalts bedient (BGH 29.07.2009 - I ZR 166/06).
- b)
Zulässig ist gemäß § 5 RDG die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, wenn diese als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören.
Beispiel:
Rechtsberatung über die baurechtlichen Vorgaben eines Bauvorhabens durch einen Architekten.
Immer als erlaubte Nebenleistungen gelten Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer Testamentsvollstreckung, Haus- und Wohnungsverwaltung und Fördermittelberatung.
Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Unerheblich ist, ob die Dienstleistung ohne den rechtsdienstleistenden Anteil überhaupt erbracht werden kann.
Nach den Ausführungen der Entscheidung BGH 06.10.2011 - I ZR 54/10 ist vielmehr maßgeblich, "ob die Rechtsdienstleistung nach der Verkehrsanschauung ein solches Gewicht innerhalb der Gesamtleistung hat, dass nicht mehr von einer bloßen Nebenleistung ausgegangen werden kann. § 5 RDG soll damit nur Anwendung finden, wenn die fragliche Rechtsdienstleistung nicht selbst wesentlicher Teil der Hauptleistung ist. Der Schwerpunkt der Tätigkeit muss - soweit es sich nicht um Dienstleistungen von Angehörigen steuerberatender Berufe oder registrierter Personen handelt - stets auf nicht rechtlichem Gebiet liegen."
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall wurde die Zulässigkeit der Rechtsberatung für ein Unternehmen bejaht, das Umschuldungen für seine Kunden vornimmt und diese im Zusammenhang mit der Kündigung bestehender Kredite berät.
- c)
Gemäß § 6 RDG sind unentgeltliche Rechtsdienstleistungen erlaubt, sofern
eine familiäre, nachbarschaftliche oder ähnlich enge persönliche Beziehung zwischen den Parteien besteht
oder
sichergestellt ist, dass die Rechtsdienstleistung durch eine der folgenden Personen bzw. unter ihrer Anleitung erfolgt:
eine Person, der die entgeltliche Erbringung einer Rechtsdienstleistung erlaubt ist
eine Person mit Befähigung zum Richteramt (= zweites juristisches Staatsexamen)
- d)
Erlaubt ist gemäß § 7 RDG die Erteilung einer Rechtsdienstleistung durch Berufs- und Interessenvereinigungen sowie Genossenschaften. So ist es sämtlichen Vereinen möglich, ihre Mitglieder im Rahmen ihres satzungsmäßigen Zwecks juristisch zu beraten.
Beispiel:
Ein Reitverein berät ein Mitglied über seine Gewährleistungsrechte bei einem Pferdekauf.
Voraussetzung ist, dass sichergestellt ist, dass die Rechtsdienstleistung durch eine der folgenden Personen bzw. unter ihrer Anleitung erfolgt:
eine Person, der die entgeltliche Erbringung einer Rechtsdienstleistung erlaubt ist
eine Person mit Befähigung zum Richteramt (= zweites juristisches Staatsexamen)
- e)
Legitimiert sind zudem Rechtsdienstleistungen, die durch die in § 8 Abs. 1 RDG aufgeführten öffentlichen und öffentlich anerkannten Stellen erbracht werden, so z.B. die Verbraucherzentralen.
- f)
In dem Rechtsdienstleistungsregister registrierte natürliche und juristischen Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit ist gemäß § 10 Abs. 1 RDG die Erbringung von Rechtsdienstleistungen in den Bereichen Inkasso, Rentenberatung sowie ausländisches Recht erlaubt.
Hinweis:
Siehe zu Details den Gliederungspunkt 2.2 dieses Beitrags!
Maßgeblich für die Einordnung einer Forderungseinziehung als erlaubnispflichtiges Geschäft oder als Nebenleistung ist, ob die Rechtsdienstleistung nach der Verkehrsanschauung ein solches Gewicht innerhalb der Gesamtleistung hat, dass nicht mehr von einer bloßen Nebenleistung ausgegangen werden kann (BGH 30.10.2012 - XI ZR 324/11).
3.2 Rechtsdienstleistungen durch registrierte Personen
3.2.1 Rechtsgrundlage
Die Einzelheiten der Anforderungen an die Sachkunde, die Berufshaftpflichtversicherung und das Registrierungsverfahren sind in der Rechtsdienstleistungsverordnung (RDV) geregelt.
3.2.2 Registrierung
Die Registrierung von natürlichen und juristischen Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit erfolgt nach einem entsprechenden Antrag bei dem Rechtsdienstleistungsregister (§ 16 RDG). Voraussetzungen sind gemäß § 11 RDG:
die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit
theoretische und praktische Sachkunde in den in § 10 RDG aufgeführten Sachgebieten (Inkassodienstleistungen, Rentenberatung, Rechtsdienstleistungen in einem ausländischen Recht)
Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung mit einer Mindestversicherungssumme in Höhe von 250.000,00 EUR
Ziel des Rechtsdienstleistungsregisters ist es, den Markt der Rechtsdienstleistungen für Rechtsuchende, Rechtsdienstleistungsanbieter, den Rechtsverkehr und öffentliche Stellen transparent zu machen.
Rechtsanwälte werden jedoch weiterhin nur in dem von der Bundesrechtsanwaltskammer zentral geführten Rechtsanwaltsregister erfasst. Bei ausländischen Rechtsanwälten ist wie folgt zu unterscheiden:
Ausländische Rechtsanwälte, die als Europäische Rechtsanwälte nach dem EuRAG in Deutschland tätig sind, werden im Rechtsanwaltsregister verzeichnet.
Andere ausländische Rechtsanwälte, die Rechtsdienstleistungen auf einem ausländischen Rechtsgebiet erbringen, werden im Rechtsdienstleistungsregister verzeichnet.
Die Führung der Rechtsdienstleistungsregister obliegt den Landesjustizverwaltungen. Die Register werden zentral und elektronisch geführt. Eine kostenlose Einsicht ist gemäß § 16 Abs. 3 RDG unter der Internetadresse www.rechtsdienstleistungsregister.de eingerichtet.
3.2.3 Vergütung
Die Vergütung richtet sich gemäß § 4 RDGEG nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
3.2.4 Gerichtliche Vertretung
Registrierte Personen sind bei der gerichtlichen Vertretung (Postulationsfähigkeit) in den in § 3 Abs. 2 RDGEG geregelten Fällen einem Rechtsanwalt gleichgestellt.