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Öffentlich-rechtlicher Vertrag

 Normen 

§§ 54 - 62 VwVfG

§§ 53 SGB X

 Information 

1. Allgemein

Der öffentlich-rechtliche Vertrag, auch verwaltungsrechtlicher Vertrag genannt, ist ein zwischen der Verwaltung und dem Bürger oder einem anderen Träger der Verwaltung geschlossener Vertrag auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, der eine Regelung enthält.

Der Begriff der "Regelung" ist mit dem einen Verwaltungsakt voraussetzenden Regelungsbegriff identisch: Der Vertrag muss auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet sein.

Der Verwaltung ist es untersagt, bestimmte Bereiche der öffentlichen Verwaltung durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zu regeln. Das vertragliche Handlungsverbot ist in diesen Fällen einzelgesetzlich geregelt, z.B. in § 155 Abs.1 AO. Ein dennoch abgeschlossener Vertrag ist nichtig.

2. Abgrenzung

Die Abgrenzung des öffentlich-rechtlichen Vertrags vom privatrechtlichen Vertrag bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist.

Kann der Vertragsgegenstand nicht ausschließlich dem öffentlichen Recht zugeordnet werden, sondern sowohl in einen öffentlich-rechtlichen Teil als auch in einen privatrechtlichen Teil unterteilt werden (Mischvertrag), ist der Gesamtcharakter des Vertrages entscheidend. Für die Zuordnung ist maßgeblich, ob die Vereinbarungen mit ihrem Schwerpunkt öffentlich- oder privatrechtlich ausgestaltet sind und welcher Teil dem Vertrag das entscheidende Gepräge gibt (BGH 19.09.2012 - V ZB 86/12).

Abzugrenzen ist der öffentlich-rechtliche Vertrag auch vom mitwirkungsbedürftigem Verwaltungsakt: Bei dem mitwirkungsbedürftigem Verwaltungsakt kann der Bürger den Erlass des Verwaltungsakts verhindern, wenn er nicht mitwirkt. Der öffentlich-rechtliche Vertrag gibt dem Bürger eine selbstständige Gestaltungsmöglichkeit.

3. Form

Gemäß § 57 VwVfG ist der Vertrag schriftlich abzuschließen, es sei denn einzelgesetzlich ist eine besondere Form vorgesehen.

Inzwischen hat die Rechtsprechung das Schriftformerfordernis zum Teil gelockert:

Bei Verwaltungsvereinbarungen zwischen Ländern ist nach der Rechtsprechung (BVerwG 19.05.2005 - 3 A 3/04) dem Schriftformerfordernis auch durch einen Briefwechsel genügt, wenn die Zusammengehörigkeit der beiderseitigen Erklärungen aus den Umständen zweifelsfrei ersichtlich ist. Es ist nicht darüber hinaus erforderlich, dass beide Vertragserklärungen in derselben Urkunde enthalten sind.

Auch kommt in Betracht, dass ein zunächst formunwirksam mündlich geschlossener Vertrag nachträglich durch einen schriftlichen Vertrag ersetzt wird, wenn der eine Vertragspartner die mündlichen Vereinbarungen später schriftlich fixiert, dem anderen Vertragspartner in der Art eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens vorlegt und dieser darauf ebenfalls schriftlich seine Annahme der nachträglichen schriftlichen Festlegungen erklärt (OVG Niedersachsen 26.05.2008 - 1 ME 112/08).

Für den Vertragsschluss gelten im Übrigen über § 62 S. 2 VwVfG ergänzend die Regelungen des BGB.

4. Arten

4.1 Der koordinationsrechtliche Vertrag:

Bei einem koordinationsrechtlichem Vertrag gemäß § 54 VwVfG stehen die Parteien bezüglich des Vertragsgegenstandes in einem gleichartigen Rangverhältnis zueinander, keine Partei ist der anderen gegenüber weisungsbefugt (Beispiel: Vertrag zwischen zwei Bundesländern).

4.2 Der subordinationsrechtliche Vertrag:

Ein subordinationsrechtlicher Vertrag gemäß § 54 S. 2 VwVfG liegt vor, wenn die Parteien bezüglich des Vertragsgegenstandes in einem Über- und Unterordnungsverhältnis zueinander stehen (Beispiel: Bürger und Behörde). Unterfälle sind der Vergleichsvertrag des § 55 VwVfG und der Austauschvertrag des § 56 VwVfG.

Nur die §§ 54 S. 1, 57, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 3, 60, 62 VwVfG sind auf beide Arten von Verträgen anwendbar; die übrigen Vorschriften gelten nur für subordinationsrechtliche Verträge.

4.3 Städtebaulicher Vertrag

Der städtebauliche Vertrag kann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag oder ein privatrechtlicher Vertrag sein. Möglich ist zudem eine Mischform aus beiden Vertragsarten.

5. Nichtigkeit

Die Nichtigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages kann sich zum einen aus den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ergeben (Nichtigkeit von Rechtsgeschäften), zum anderen aus den in § 59 VwVfG enumerativ aufgezählten Gründen.

Die Rechtswidrigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages führt nicht zur Nichtigkeit, der Vertrag ist grundsätzlich wirksam.

6. Rechtsweg

Gemäß § 40 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg für Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Verträgen zuständig.

 Siehe auch 

Austauschvertrag

Koordinationsrechtlicher Vertrag

Städtebaulicher Vertrag

Subordinationsrechtlicher Vertrag

Willenserklärung - Verwaltungsrecht

Proelß/Blanke-Kießling: Der Verwaltungsvertrag als Handlungsform der Naturschutzverwaltung; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ 2010, 985

Waechter: Der öffentlich-rechtliche Vertrag; Juristenzeitung - JZ 2006, 166

Wolff: Parlamentarisches Budgetrecht und Wirksamkeit zivilrechtlicher Verträge; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2012, 812