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Nutzungsausfallentschädigung

 Normen 

§ 249 BGB

 Information 

1. Allgemein

Nutzungsausfall ist der Ausgleich für die durch Beschädigung oder anderweitigen Entzug nicht mögliche Nutzung von Gebrauchsgegenständen.

Beispiel:

Nach einem Verkehrsunfall hat der Geschädigte für die Zeit des Ausfalls seines Fahrzeugs das Wahlrecht zwischen einem Mietwagen oder dem Verzicht auf einen Mietwagen und dem Erhalt einer Entschädigung.

Voraussetzung für einen Anspruch auf die Nutzungsentschädigung ist, dass das Fahrzeug während der Ausfallzeit hätte genutzt werden können. Ist der Geschädigte aufgrund seiner unfallbedingten Verletzungen oder aus anderen Gründen (Urlaub) dazu nicht in der Lage, muss er nachweisen, dass das Fahrzeug durch Familienangehörige / Lebensgefährten mitgenutzt wird.

Hinweis:

Nutzungsausfall kann nicht fiktiv abgerechnet werden. Voraussetzung des Anspruchs ist ein tatsächlicher Ausfall des Fahrzeugs.

2. Dauer

Die Dauer des zu ersetzenden Nutzungsausfalls setzt sich aus drei Zeiträumen zusammen:

Bei einem Reparaturschaden:

  • Schadensermittlung: Vom Unfall bis zur Erstellung des Gutachtens.

  • Überlegung: 1 bis 3 Tage.

  • Reparaturdauer: Im Gutachten festgelegter Zeitraum, der aber im Einzelfall aufgrund unvorhergesehener Umstände überschritten werden kann. In diesen Fällen ist die Reparaturdauer durch eine Werkstattbescheinigung nachzuweisen.

Rechnet der Geschädigte fiktiv auf Gutachtenbasis ab und repariert das Fahrzeug selbst, ist Nutzungsausfall für die im Gutachten festgestellte Reparaturdauer zu zahlen. Die Dauer ist in diesem Fall durch Zeugen nachzuweisen, auch wird die Versicherung einen Reparaturnachweis verlangen.

Bei einem Totalschaden:

  • Schadensermittlung: Vom Unfall bis zur Erstellung des Gutachtens.

  • Überlegung: Welche Möglichkeit des Schadensausgleichs gewählt werden soll (3 bis 7, in Ausnahmefällen 10 Tage).

  • Wiederbeschaffung: Im Gutachten festgelegter Zeitraum zur Wiederbeschaffung des Fahrzeugs.

Das Ende des Nutzungsausfalls kann durch die Kopie des neuen Kfz-Scheines erbracht werden.

Immer hat aber der Geschädigte seine Schadensminderungspflicht zu beachten und den Nutzungsausfall so schnell wie möglich zu beenden.

Der Geschädigte hat Anspruch auf die Nutzungsentschädigung über den vom Sachverständigen festgestellten Zeitraum hinaus bis zur Lieferung des vor dem Unfall bestellten Fahrzeugs, wenn die wirtschaftlichen Nachteile eines ansonsten notwendigen Ankaufs und Wiederverkaufs eines anderen Fahrzeugs nicht wesentlich überstiegen würden (BGH 18.12.2007 - VI ZR 62/07).

Steht dem Geschädigten aber nach einem Unfall über den vom Sachverständigen veranschlagten Zeitraum für die Ersatzbeschaffung eines Fahrzeugs hinaus bis zur Lieferung des bereits vor dem Unfall bestellten Fahrzeugs bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise keine weitere Nutzungsausfallentschädigung zu, kommt auch ein auf die fiktiven Kosten für die Anschaffung eines Interimsfahrzeugs begrenzter Anspruch auf Nutzungsersatz nicht in Betracht (BGH 10.03.2009 - VI ZR 211/08).

Die Dauer der ersatzfähigen Nutzungsausfallzeit kann sich auch auf einen Zeitraum von über 15 Monaten erstrecken, wenn die Versicherung erst zu diesem Zeitpunkt Schadensersatz leistet und der Geschädigte aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse nicht zur Ersatzbeschaffung in der Lage war. Zudem muss er die Versicherung auf diesen Umstand hingewiesen haben (LG Hamburg 30.03.2012 - 302 O 265/11).

3. Nutzungsausfalltabellen

Die Nutzungsausfallbeträge der einzelnen Fahrzeugarten richten sich z.B. nach der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch und werden jährlich in Fachzeitschriften veröffentlicht (s.u.). Die Tabellensätze gelten für PKW bis zum Alter von fünf Jahren.

Die für LKW geltenden Sätze sind nach der Tabelle von Danner/Echtler zu berechnen.

In den Urteilen BGH 23.11.2004 - VI ZR 357/03 und BGH 25.01.2005 - VI ZR 112/04 hat sich der BGH mit der Frage der Nutzungsausfallentschädigung für ältere Fahrzeuge (10 Jahre und älter) auseinandergesetzt:

Danach kann der Tatrichter auch dann die Nutzungsausfalltabellen anwenden, wenn das Fahrzeug selbst aufgrund seines Alters dort nicht mehr aufgeführt ist. Die Richter machten keine zwingenden Vorgaben zur Berechnung der Nutzungsausfallentschädigung für ältere Fahrzeuge. Sie ließen dabei ausdrücklich verschiedene Optionen offen (Herabstufung in den jeweiligen Fahrzeuggruppen, Heranziehen des letzten Tabellenwertes, mit dem das Fahrzeug noch aufgeführt war etc.). Auch ist die Zahlung der Nutzungsausfallentschädigung nicht durch den Wert des Fahrzeugs begrenzt. Die Berechnungen der Vorinstanz wurden in beiden Entscheidungen jedoch gebilligt. Danach können allgemein die folgenden Grundsätze angewandt werden:

  • Die Nutzungsausfallentschädigung eines Fahrzeugs zwischen fünf und zehn Jahren bestimmt sich nach der nächstniedrigeren Gruppe.

  • Fahrzeuge, die älter als zehn Jahre sind, werden um zwei Gruppen herabgestuft.

  • Ist eine Herabstufung nicht möglich, da sich das Fahrzeug schon in einer zu niedrigen Gruppe befindet, ist die Differenz zwischen der Nutzungsentschädigung und den Vorhaltekosten zu zahlen.

  • Für ältere Fahrzeuge in einem sehr schlechten Zustand besteht nur ein Anspruch auf die Vorhaltekosten.

4. Gewerbliche Fahrzeuge

Die Nutzungsausfallentschädigungswerte können nicht auf gewerblich genutzte Fahrzeuge übertragen werden. In diesen Fällen ist der entgangene Gewinn gemäß § 252 BGB konkret darzulegen bzw. es können die Vorhaltekosten für ein Ersatzfahrzeug geltend gemacht werden, die auch der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch entnommen werden können.

"Lassen sich bei dem vorübergehenden Entzug der Gebrauchsmöglichkeit eines ausschließlich gewerblich genutzten Fahrzeugs die materiellen Auswirkungen des Ausfalls des Fahrzeugs quantifizieren, kann eine (abstrakte) Nutzungsausfallentschädigung nicht verlangt werden. Das gilt unabhängig davon, ob das ausgefallene Fahrzeug unmittelbar der Gewinnerzielung dient, weil der Ertrag allein mit Transportleistungen erzielt wird, oder nur mittelbar, nämlich zur Unterstützung einer anderen gewerblichen Tätigkeit eingesetzt wird" (BGH 06.12.2018 - VII ZR 285/17).

"Der Betriebsbereitschaft eines ausschließlich gewerblich genutzten Fahrzeugs, also seiner ständigen Verfügbarkeit und Einsatzfähigkeit, kommt kein eigenständiger Vermögenswert zu, weshalb der vorübergehende Entzug der Gebrauchsmöglichkeit als solcher kein Schaden ist. Der Geschädigte kann für die Gebrauchsentbehrung - unabhängig vom Eintritt eines Erwerbsschadens oder darüber hinaus - keine (abstrakte oder an den Vorhaltekosten orientierte) Nutzungsausfallentschädigung verlangen" (BGH 06.12.2018 - VII ZR 285/17).

Wurde das Fahrzeug sowohl privat als auch beruflich genutzt, so kann nur die anteilige private Nutzung nach den Nutzungsausfalltabellen berechnet werden. Die Quote bestimmt sich nach der steuerlichen Geltendmachung.

Nach der Entscheidung OLG Stuttgart 12.07.2006 - 3 U 62/06 hat jedoch ein Selbstständiger dann Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung, wenn er das Fahrzeug während des betreffenden Ausfalls beruflich genutzt hätte, aber sich anderweitig (überobligatorisch) beholfen hat und daher keinen konkreten Gewinnausfall geltend machen kann. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt wurde das Fahrzeug teilweise beruflich, teilweise privat genutzt.

5. Andere Formen des Nutzungsausfalls

Bei der Beschädigung eines Fahrrades kann ein Nutzungsausfall von ca. 5,00 EUR pro Tag geltend gemacht werden.

Auch für andere Gegenstände bzw. Tiere (z.B. Motorsportboot, Reitpferd) ist bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Nutzungsausfall zu zahlen.

Mit dem Urteil BGH 24.01.2013 III ZR 98/12 hat der BGH eine Nutzungsausfallentschädigung für den Ausfall eines DSL-Anschlusses anerkannt.

Steht dem Erwerber während des Verzugs des Bauträgers mit der Übergabe der herzustellenden Eigentumswohnung kein dem erworbenen Wohnraum in etwa gleichwertiger Wohnraum zur Verfügung, kann ihm eine Nutzungsausfallentschädigung zustehen (BGH 20.02.2014 - VII ZR 172/13).

 Siehe auch 

Abrechnung auf Neuwagenbasis

Mietwagenkosten - Unfallersatztarif

Quotenvorrecht - Kfz-Versicherung

Verkehrsunfall - Allgemein

Verkehrsunfall - Kfz-Schaden

Verkehrsunfall - Personenschaden

BGH 12.04.2011 VI ZR 300/09 (Schadensschätzung mit der Schwacke-Liste)

BGH 10.03.2009 - VI ZR 211/08 (Fiktive Kosten für die Anschaffung eines Interimsfahrzeugs)

OLG Düsseldorf 10.03.2008 - 1 U 198/07 (Voraussetzungen des Verweises auf ein Zweitfahrzeug)

OLG Düsseldorf 14.06.1993 - 1 U 142/92

OLG Hamm 22.04.1996 - 6 U 144/95

OLG Koblenz 07.04.1989 - 8 U 915/88

http://www.schwacke.de

Ehmer: Die Zumutbarkeit von Zweitwagen bei der Nutzungsausfallentschädigung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2022, 3043

Himmelreich/Halm: Handbuch Verkehrsrecht; 7. Auflage 2022

Himmelreich/Halm/Staab: Handbuch der Kfz-Schadensregulierung; 5. Auflage 2022

Küppersbusch: Nutzungsausfallentschädigung für Pkw, Geländewagen und Transporter (Beilage); Deutsches Autorecht - DAR 2010, 1

La Chevallerie: Nutzungsausfallentschädigung für ältere Pkw und Oldtimer; Zeitschrift für Schadensrecht - zfs 2007, 423

Nutzungsausfallentschädigungstabellen 2013: Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2013, Beilage zu Heft 1/2

Nutzungsausfallentschädigungstabellen 2012: Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2012, Beilage zu Heft 1/2

Wenker: Die Rechtsprechung zur Nutzungsausfallentschädigung; Versicherungsrecht - VersR 2000, 1082