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Handlungsvollmacht

 Normen 

§§ 54 - 58 HGB

 Information 

1. Allgemein

Handlungsvollmacht ist jede von einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes erteilte Vollmacht, die nicht Prokura ist.

Es werden folgende Formen von Handlungsvollmachten unterschieden:

  • Spezialhandlungsvollmacht:

    Eine Spezialvollmacht berechtigt zur Vornahme einzelner Geschäfte.

  • Arthandlungsvollmacht:

    Eine Arthandlungsvollmacht berechtigt zur Vornahme einer bestimmten Art von Geschäften.

  • Generalvollmacht:

    Eine Generalhandlungsvollmacht berechtigt zum Betrieb eines Handelsgewerbes.

2. Erteilung

Die Erteilung der Handlungsvollmacht erfordert keine Eintragung in das Handelsregister. Sie kann ausdrücklich oder konkludent und auch durch einen Prokuristen erteilt werden.

Es gelten die Vorschriften der §§ 167, 171 BGB.

3. Umfang

Der Umfang der (General-)Handlungsvollmacht ist wie folgt ausgestaltet:

  1. a)

    Grundsätzlich ermächtigt die Handlungsvollmacht gemäß § 54 Abs. 1 HGB zur Vornahme aller Geschäfte, die zu dem Tätigkeitsbereich des Kaufmanns gehören und branchenüblich sind. Daneben kann bzw. wird der Umfang der Handlungsvollmacht in der Handlungsvollmacht selbst festgelegt.

    Beispiel:

    "Mit diesem Schreiben erteilt die Firma SY Frau AB Handlungsvollmacht gem. § 54 HGB.

    Frau AB ist berechtigt, das Unternehmen ab sofort in allen Personalangelegenheiten zusammen mit einem Geschäftsführer, einem Prokuristen oder einem anderen Handlungsbevollmächtigten zu vertreten.

    Darüber hinaus ist sie zur alleinigen Vertretung in den vom Unternehmen festgelegten Routineangelegenheiten berechtigt, dazu gehören folgende Personalangelegenheiten:

    - Abschluss, Ergänzung und Änderung von befristeten und unbefristeten Anstellungsverträgen sowie Abschluss von Bonusvereinbarungen

    - Aufhebungs- und Abwicklungsverträge - Anhörung Betriebsrat / Sprecherausschuss / Schwerbehindertenvertretung / Jugend- und Auszubildendenvertretung

    - Abmahnungen

    - Arbeitszeugnisse".

  2. b)

    § 54 Abs. 2 HGB nimmt einige Geschäfte vom gesetzlichen Regelungsgehalt der Handlungsvollmacht vollständig aus ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall ein derartiges Geschäft branchenüblich ist oder nicht. Für die Erlaubnis, diese Geschäfte vorzunehmen, ist eine besondere vom Geschäftsherrn abgeleitete Befugnis erforderlich.Dabei umfasst die Versagung der Prozessführung auch die Vereinbarung und Durchführung eines Schiedsverfahrens (OLG München 19.08.2008 - 34 SchH 7/07).

  3. c)

    Sofern der Handlungsbevollmächtigte seine Handlungsvollmacht überschritten hat, muss ein Dritter gemäß § 54 Abs. 3 HGB die fehlende Vollmacht nur dann gegen sich gelten lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste.

    Zu beachten ist, dass § 54 Abs. 3 HGB nicht gilt für die Fälle des § 54 Abs. 2 HGB. Einen Schutz des guten Glauben an einen über § 54 Abs. 2 HGB hinausgehenden Umfang der Handlungsvollmacht gibt es nicht.

Rechtsprechung:

Das OLG Stuttgart hat zum Umfang der Handlungsvollmacht eines Personalleiters Folgendes ausgeführt (OLG Stuttgart 12. 1. 2017 - 7 U 63/16):

"Die konkret erteilte Handlungsvollmacht gewährt der Streithelferin weder nach ihrem Abs. 1 noch nach den zusätzlichen Vollmachten und Berechtigungen in ihrem Abs. 2 eine Vollmacht zum Abschluss des hier streitgegenständlichen Kollektivversicherungsvertrags. Nach Abs. 1 der bezeichneten Vollmacht ist die Streithelferin als "Head of Personnel and Finance" (Personalleiterin) bevollmächtigt "zu allen Geschäften und Rechtshandlungen, die im Betrieb eine derartige Position gewöhnlich mit sich bringt (§ 54 HGB)". Der Abschluss des streitgegenständlichen Kollektivversicherungsvertrags stellt jedoch keine Rechtshandlung dar, die der Betrieb der Kl. gewöhnlich mit sich bringt. (...)

§ 54 HGB enthält insoweit eine gesetzliche Beschreibung des Umfangs der Handlungsvollmacht (...). Dabei wird der Umfang der Vollmacht entscheidend durch die Art der erteilten Handlungsvollmacht bestimmt. Bei einer Arthandlungsvollmacht - wie hier - kommt es auf die konkrete Art der Geschäfte an, für die diese Vollmacht erteilt wurde, und welche Rechtshandlungen gemäß der Branchenüblichkeit zu dieser Arthandlungsvollmacht gehören (...). Bei der Branchenüblichkeit wiederum sind von Belang der Gegenstand und die äußeren Umstände des Geschäfts, Üblichkeit der Aufgabentrennung, wirtschaftliche und finanzielle Tragweite, insbesondere im Verhältnis zur Größe des Unternehmens (...). Bei einem größeren Unternehmen kann auch der Abschluss von Rechtsgeschäften mit erheblicher finanzieller Tragweite von einer Handlungsvollmacht gedeckt sein (...). Weiter folgt aus der Zuweisung bestimmter Aufgaben im Organisationsbereich eines Unternehmens in der Regel eine Ermächtigung zur Vornahme solcher Geschäfte, die nach der Verkehrsanschauung mit einer solchen Stellung verbunden sind."

Eine allgemeine Handlungsvollmacht, die sich auf sämtliche Geschäfte erstreckt, die in einem Geschäftsbetrieb wie dem der GmbH üblich sind, und die nicht auf die unmittelbare Vertretung der GmbH, sondern lediglich auf ein Handeln in (Unter-)Vollmacht des oder der Geschäftsführer gerichtet ist, ist zulässig (BGH 08.05.1978 - II ZR 209/76BGH 18.07.2002 - III ZR 124/01).

"Ein Gesamtprokurist, der die Gesellschaft gemeinsam mit einem Geschäftsführer oder einem anderen Prokuristen vertreten darf, ist für den Ausspruch der Kündigung mit einer Handlungsbevollmächtigten auch dann nicht bevollmächtigt, wenn diese selbst die Kündigung "zusammen mit einem Prokuristen" aussprechen darf" (LAG Berlin-Brandenburg 21.06.2017 - 17 Sa 180/17).

4. Unterschrift

LAG München 12.07.2020 - 3 Ta 160/21:

"1. Der Arbeitgeber kann einen unternehmensangehörigen Vertreter als Erfüllungsgehilfen beauftragen, das Zeugnis in seinem Namen auszustellen. In einem solchen Fall sind das Vertretungsverhältnis und die Funktion des Unterzeichners anzugeben. Denn fachliche Kompetenz und Rang in der Hierarchie geben Aufschluss über die Kompetenz des Ausstellers. Ranghöhere Angestellte müssen deshalb ein Zeugnis unter Zusatz ihrer Vertretungsmacht (z.B. "i. A.", i. V.", "ppa.") unterzeichnen.

2. Der Vertretungszusatz "i. V." ist nicht distanzierend und in seiner Wirkung negativ. Eine Handlungsvollmacht ist neutral, eher positiv. Mit der Angabe dieses Vertretungsverhältnisses werden Person und Rang des Unterzeichnenden mitgeteilt. Ein rechtskonformes Verhalten kann durch einen Dritten normalerweise nicht negativ beurteilt werden."

 Siehe auch 

Firma

Gutgläubiger Erwerb - Handelsrecht

Handelsbrauch

Handelsgeschäft

Handelsregister

Kaufmann

Kaufmännisches Bestätigungsschreiben

Prokura

Prozessvollmacht

Stellvertretung

Zurückbehaltungsrecht - Handelsrecht

von Rechenberg/Ludwig: Kölner Handbuch Handels- und Gesellschaftsrecht; 5. Auflage 2023