Rechtswörterbuch

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Geschwindigkeit im Straßenverkehr

 Normen 

§ 3 StVO

§ 49 StVO

BABRgV

 Information 

1. Allgemein

Ein Fahrzeugführer darf nur so schnell fahren, dass er sein Fahrzeug ständig beherrscht, und ohne triftigen Grund nicht so langsam fahren, dass er den Verkehrsfluss behindert.

Darüber hinaus sind zulässige Höchstgeschwindigkeiten in § 3 Abs. 3 StVO normiert, so z.B. 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften für alle Kraftfahrzeuge und 100 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften für Pkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 3,5 t, wobei diese Beschränkung nicht für Autobahnen gilt.

Daneben besteht die Autobahn-Richtgeschwindigkeitsverordnung (BABRgV). Danach wird den Führern von Personenkraftwagen sowie von anderen Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis zu 3,5 t empfohlen, auch bei günstigen Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen auf Autobahnen sowie außerhalb geschlossener Ortschaften auf anderen Straßen nicht schneller als 130 km/h zu fahren (Autobahn-Richtgeschwindigkeit).

2. Geschwindigkeitsüberschreitung als Ordnungswidrigkeit

Allgemein:

Eine überhöhte Geschwindigkeit führt zu einer Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO.

In der Rechtsprechung anerkannt ist die Geschwindigkeitsmessung durch folgende Methoden:

  • Technische Messgeräte

  • Tachometervergleich mit einem hinterherfahrenden Fahrzeug

  • Geschwindigkeitsschätzung

Sicherheitsabschlag:

Bei der Geschwindigkeitsmessung durch Hinterherfahren mit einem Fahrzeug, dessen Tachometer nicht geeicht ist, werden in der Rechtsprechung verschiedene Anforderungen an den notwendigen Sicherheitsabschlag gestellt: Nach der Entscheidung OLG Celle 25.10.2004 - 222 Ss 81/04 ist ein 20 %-iger Sicherheitsabschlag ausreichend. Die Berechnung des Sicherheitsabschlags nach den Vorgaben des OLG Stuttgarts bestimmt sich wie folgt (OLG Stuttgart 20.12.2004 - 4 Ss 490/04):

  1. a)

    10 %-iger Abzug für Messungsauigkeiten zuzüglich eines Abzugs von 4 km/h

  2. b)

    von diesem Wert sind 3 % für Abstandsschwankungen abzuziehen

    sowie

  3. c)

    3 km/h für Ablesefehler bei einem nicht justierten Tachometer

Einsichtsrecht des Rechtsanwalts in die Messdaten:

Die den Geschwindigkeitsverstoß beweisenden Messunterlagen befinden sich nicht in der Akte des Ordnungswidrigkeitsverfahrens. Die Gerichte beurteilen das Recht der Rechtsanwalts, auch Einsicht in die Messunterlagen nehmen zu dürfen, unterschiedlich. Bisher wurde die Rechtsfrage noch nicht dem BGH vorgelegt.

Das könnte jetzt anders werden (VerfGH Rheinland-Pfalz 15.01.2020 - VGH B 19/19):

"Die Ansprüche auf effektiven Rechtsschutz (Art. 124 LV) und auf den gesetzlichen Richter (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 LV) sind verletzt, wenn ein Gericht die gesetzliche Verpflichtung zur Vorlage an ein anderes Gericht willkürlich außer Acht lässt (hier: divergierende Rechtsprechung von Oberlandesgerichten zu einem Anspruch des Betroffenen auf Überlassung der Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgerätes und Messdaten)."

3. Geschwindigkeitsüberschreitung bei einem Verkehrsunfall

Ein Geschwindigkeitsverstoß ist für den Schaden auch dann kausal wenn der Unfall bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit zwar nicht vermieden, die Unfallfolgen aber wesentlich geringer ausgefallen wären. Ist eine Aufklärung, wie sich der Schaden bei verkehrsgerechtem Verhalten exakt ereignet hätte, mit zumutbarem forensischen Aufwand nicht zu leisten, kann der Verursacherbeitrag in Gestalt einer einheitlichen Haftungsquote angerechnet werden (OLG Saarbrücken 14.08.2014 - 4 U 150/13).

Allein die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mit der Begründung, dass das Fahrzeug bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit erst später an die Unfallstelle gelangt wäre, rechtfertigt noch nicht dem Fahrer die Schuld bzw. ein Mitverschulden an einem Verkehrsunfall zu geben. Vielmehr muss sich in dem Unfall gerade die auf das zu schnelle Fahren zurückzuführende erhöhte Gefahrenlage aktualisieren. Der rechtliche Ursachenzusammenhang zwischen Geschwindigkeitsüberschreitung und Unfall ist zu bejahen, wenn bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrssituation der Unfall vermeidbar gewesen wäre.

Die kritische Verkehrslage beginnt für einen Verkehrsteilnehmer dann, wenn die ihm erkennbare Verkehrssituation konkreten Anhalt dafür bietet, dass eine Gefahrensituation unmittelbar entstehen kann (BGH 25.03.2003 - VI ZR 161/02).

Aber: Einem Autofahrer, der die Autobahn-Richtgeschwindigkeit von 130 km/h überschritten hat, ist bei einem Unfall die Berufung auf das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses verwehrt (OLG Nürnberg 09.09.2010 - 13 U 712/10).

"Bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge ist die deutlich über der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h liegende Ausgangsgeschwindigkeit (...) von 200 km/h als betriebsgefahrerhöhend zu berücksichtigen. Denn wer schneller als 130 km/h fährt, vergrößert in haftungsrelevanter Weise die Gefahr, dass sich ein anderer Verkehrsteilnahme auf diese Fahrweise nicht einstellt und insbesondere die Geschwindigkeit unterschätzt" (OLG Düsseldorf 21.11.2017 - I-1 U 44/17).

4. Sichtfahrgebot

Gemäß § 3 Abs. 1 StVO ist die Geschwindigkeit insbesondere u.a. den Sichtverhältnissen anzupassen. Es darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann. Auf Fahrbahnen, die so schmal sind, dass dort entgegenkommende Fahrzeuge gefährdet werden könnten, muss jedoch so langsam gefahren werden, dass mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke gehalten werden kann.

Indessen ist nach dieser Vorschrift eine Herabsetzung der Fahrgeschwindigkeit nur dann geboten, wenn der Fahrer den Verkehrsablauf nicht vollständig überblicken und deshalb auftretende Hindernisse und Gefahren nicht so rechtzeitig bemerken kann, um ihnen mit Sicherheit begegnen zu können. Dabei bezieht sich der Begriff der Unübersichtlichkeit nur auf die Fahrbahn, sodass eine Straßenstelle nicht schon dann unübersichtlich wird, wenn der Verkehrsablauf in der seitlichen Umgebung der Straße nicht voll überblickt werden kann (BGH 12.05.1998 - VI ZR 124/97).

Eine Verletzung des Sichtfahrgebots führt zu einem Mitverschulden.

5. Nicht angepasste Geschwindigkeit

Mit dem im Oktober 2017 in Kraft getretenen § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB soll neben der in derselben Vorschrift geregelten neuen Strafbarbeit von Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr die Bekämpfung von Unfällen durch nicht angepasste Geschwindigkeit bewirkt werden:

Wer sich danach im Straßenverkehr als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

 Siehe auch 

Betriebsgefahr

Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr

Mitverschulden

Radarfalle

Verkehrsunfall - Allgemein

Verkehrsunfall - Kfz-Schaden

Verkehrsunfall - Personenschaden

Bachmeier/Müller: Verkehrsrecht. Kommentar; 3. Auflage 2017

Deutscher: Die Entwicklung des "Regelfahrverbots" bei Geschwindigkeitsüberschreitungen und Rotlichtverstößen im Jahr 2004; Neue Zeitschrift für Verkehsrrecht - NZV 2005, 120

Heß/Burmann: Die aktuellen Entwicklungen im Straßenverkehrsrecht; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2020, 1120

Himmelreich/Halm: Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht; 6. Auflage 2017

Krumm: Geschwindigkeitsfeststellung und Abstandsfeststellung durch Nach- oder Vorausfahren ohne weiteres technisches Gerät; Neue Zeitschrift für Verkehsrrecht - NZV 2004, 377

Leichthammer: Verteidigung in Verkehrsbußgeldsachen: Anspruch auf Messunterlagen; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2018, 3760

Lütkes: Straßenverkehr. Kommentar; Loseblattwerk

Roggan: Rechtsgrundlage für bildgebende Messverfahren in der Verkehrsüberwachung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2010, 1042

Schrey/Haug: Der Umfang richterlicher Kontrolle bei Entscheidungen über Geschwindigkeitsverstöße; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2010, 2917