Rechtswörterbuch

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Befristetes Arbeitsverhältnis - Sachgrund Vertretung

 Normen 

§§ 14 ff. TzBfG

§§ 30 - 32 TVöD

§§ 30 - 32 TV-L

§ 21 BEEG

WissZeitVG

§ 1 BefrArbVtrÄG

§ 6 PflegeZG

§ 9 Abs. 5 FPfZG

 Information 

1. Einführung

Die Vertretung eines Arbeitnehmers ist ein der die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigender Sachgrund.

2. Voraussetzungen des Einsatzes eines Vertreters

2.1 Positive Prognose bezüglich der Rückkehr

Die Befristung zur Vertretung eines Mitarbeiters ist gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG sachlich gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber mit der Rückkehr des zu vertretenen Mitarbeiters rechnen durfte:

Grundsätzlich ist mit der Rückkehr des vertretenen Arbeitnehmers zu rechnen. Nur wenn der Arbeitgeber im Ausnahmefall aufgrund ihm vorliegender Informationen erhebliche Zweifel daran haben muss, dass die zu vertretende Stammkraft überhaupt wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wird, kann dies dafür sprechen, dass der Sachgrund der Vertretung nur vorgeschoben ist. Dies setzt voraus, dass der zu vertretende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bereits vor dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit der Vertretungskraft verbindlich erklärt hat, dass er die Arbeit nicht wieder aufnehmen werde. Ansonsten darf und muss der Arbeitgeber mit dessen Rückkehr an den Arbeitsplatz rechnen. Auch eine mehrfach wiederholte Befristung wegen der mehrfachen Verhinderung der zu vertretenden Stammkraft steht der Prognose des künftigen Wegfalls des Vertretungsbedarfs nicht entgegen (BAG 25.03.2009 - 7 AZR 34/08).

2.2 Kausalzusammenhang zwischen dem Ausfall und der Vertretung

2.2.1 Unmittelbare Vertretung

"Die Anforderungen an den Kausalzusammenhang und seine Darlegung durch den Arbeitgeber richten sich dabei nach der Form der Vertretung. Geht es um eine unmittelbare Vertretung, hat der Arbeitgeber darzulegen, dass der Vertreter nach dem Arbeitsvertrag Aufgaben wahrzunehmen hat, die zuvor dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer übertragen waren" (BAG 29.04.2015 - 7 AZR 310/13).

2.2.2 Mittelbare Vertretung

Der befristet eingestellte Mitarbeiter muss nicht zwingend die Aufgaben des Vertretenen übernehmen. Zulässig ist auch eine sogenannte mittelbare Vertretung. Dabei sind folgende Formen zulässig:

  • Die Aufgaben des abwesenden Mitarbeiters werden auf einen Kollegen übertragen werden und für dessen bisherigen Arbeitsbereich wird ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer eingestellt.

  • Zulässig ist es aber auch, dass der befristete Arbeitnehmer die Aufgaben eines anderen Arbeitnehmers übernimmt. Bei dieser Form der mittelbaren Vertretung hat der Arbeitgeber zur Darstellung des Kausalzusammenhangs grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter darzulegen.

    "Eine Vertretungskette in diesem Sinne setzt eine geschlossene Kette bei der Aufgabenübertragung voraus. Das heißt, die Beschäftigten, die die Kette bilden, müssen die Arbeitsaufgaben des jeweils in der Kette "vorgelagerten" Beschäftigten übernommen haben und diese Aufgabenübertragung muss eine Verbindung zwischen dem abwesenden Beschäftigten und dem zur Vertretung eingestellten Arbeitnehmer begründen" (BAG 06.11.2013 - 7 AZR 96/12).

    "Eine Ursächlichkeit zwischen dem durch den Ausfall des abwesenden Beschäftigten entstandenen vorübergehenden Arbeitskräftebedarf und der Einstellung eines anderen Arbeitnehmers besteht bei einer Vertretungskette dann jedoch nicht mehr, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die Einstellung des befristet beschäftigten Arbeitnehmers mit der vorübergehenden Abwesenheit des anderen Arbeitnehmers nichts mehr zu tun hat. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Vertrages feststeht, dass der Arbeitnehmer, der den abwesenden Arbeitnehmer unmittelbar ersetzt und der seinerseits von dem befristet eingestellten Arbeitnehmer ersetzt wird, nicht auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird" (BGH s.o.).

    Die Ordnungsgemäßheit der Vertretungskette kann durch folgende Frage überprüft werden:

    Bearbeitet der befristet eingestellte Arbeitnehmer Aufgaben, die der Arbeitgeber dem vorübergehend abwesenden Mitarbeiter bei dessen unveränderter Weiterarbeit oder nach seiner Rückkehr tatsächlich und rechtlich übertragen könnte? (BAG 15.02.2006 - 7 AZR 232/05).

    "Es reicht hingegen nicht aus, wenn die Einstellung des befristet beschäftigten Arbeitnehmers lediglich wegen der "gedanklichen Zuordnung" dem vorübergehend im Unternehmen anderweitig eingesetzten Beschäftigten zugeordnet werden kann" (LAG Berlin-Brandenburg 11.07.2013 - 26 Sa 560/13).

  • Zulässig ist daneben auch eine Neuorganisation der Aufgbenverteilung:"Auch ohne dass eine Vertretungskette vorliegt kann die Kausalität bei der mittelbaren Vertretung auch dann bestehen, wenn der Arbeitgeber - was ihm auch im Vertretungsfalle unbenommen ist - die Aufgaben in seinem Betrieb oder seiner Dienststelle neu verteilt. Er hat dann zunächst die bisher dem vertretenen Mitarbeiter übertragenen Aufgaben darzustellen. Anschließend ist die Neuverteilung dieser Aufgaben auf einen oder mehrere Mitarbeiter zu schildern. Schlüssig ist darzulegen, dass sich die dem Vertreter zugewiesenen Tätigkeiten aus der geänderten Aufgabenzuweisung ergeben" (BAG 06.11.2013 - 7 AZR 96/12).

3. Dauernder Vertretungsbedarf des Arbeitgebers

Das BAG hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob der Sachgrund der Vertretung dazu genutzt werden darf, einen tatsächlich ständigen und dauernden Bedarf zu decken ("Dauervertretung" bzw. "Daueraushilfe").

Der EuGH hat entschieden (EuGH 26.01.2012 - C 90/11), dass in diesen Fällen kein Missbrauch vorliegt und - sofern ein sachlicher Grund vorliegt - auch wiederholt der Vertretungsbedarf mit befristeten Arbeitnehmern gedeckt werden könne. Jedoch müssen die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.

Das BAG hat in Fortführung und Ausfüllung der Vorgaben des EuGH nunmehr folgende Vorgaben aufgestellt:

  • Ein bei dem Arbeitgeber bestehender ständiger Vertretungsbedarf schließt den Sachgrund der Vertretung nicht aus.

  • Aber der andauernde Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen kann rechtsmissbräuchlich sein (Verstoß gegen Treu und Glauben):

    Zur Beurteilung des Rechtsmissbrauchs sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Gesamtdauer und die Anzahl der aufeinander folgenden befristeten Verträge. Siehe insofern den Beitrag "Kettenarbeitsverhältnis".

4. Sonderfall: Befristung zur Überbrückung einer Abordnung

Mit dem Urteil LAG Berlin-Brandenburg, 11.07.2013 - 26 Sa 560/13 wurden Anforderungen zur Zulässigkeit einer Vertretungsbefristung für den Fall der Abordnung festgesetzt:

"Anders als bei dem für den Arbeitgeber "fremdbestimmten" Ausfall der Stammkraft hängt in Fällen der Abordnung die voraussichtliche Rückkehr der Stammkraft regelmäßig nicht nur von Umständen in deren Sphäre, sondern ganz maßgeblich auch von Umständen und Entscheidungen ab, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen. Der Arbeitgeber muss bei der Prognose über die voraussichtliche Rückkehr der abgeordneten Stammkraft sämtliche Umstände des Einzelfalls würdigen. Dazu gehören nicht nur etwaige Erklärungen der abgeordneten Stammkraft über ihre Rückkehrabsichten, sondern insbesondere auch die Planungs- und Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers."

5. Befristungsdauer

Gemäß dem Urteil BAG 13.10.2004 - 7 AZR 654/03 ist es zulässig, wenn die Befristungsdauer hinter dem Vertretungsbedarf zurückbleibt.

6. Sonderregelung

Die Einstellung einer Ersatzkraft zur Vertretung eines sich in der Elternzeit befindenden Arbeitnehmers ist in § 21 BEEG gesondert geregelt.

Dies gilt gemäß § 9 Abs. 5 FPfZG ebenso für die Vertretung eines in der Familienpflegezeit befindlichen Arbeitnehmers.

7. Darlegungslast

Die Zulässigkeit der dem befristet eingestellten Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben gehört zur Darlegungslast des Arbeitgebers.

 Siehe auch 

Befristetes Arbeitsverhältnis - Ältere Arbeitnehmer

Befristetes Arbeitsverhältnis - Form

Befristetes Arbeitsverhältnis - Hochschule

Befristetes Arbeitsverhältnis - Projektarbeit

Befristetes Arbeitsverhältnis - Sachgrund

Befristetes Arbeitsverhältnis - Zulässigkeit

Gleichbehandlungsgrundsatz

Kettenarbeitsverträge

Leitende Angestellte

Probearbeitsverhältnis

BAG 22.04.2009 - 7 AZR 96/08 (Förderung der Beschäftigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers durch die Arbeitsagentur kein Sachgrund)

BAG 16.04.2003 - 7 AZR 187/02 (Befristung eines Abrufarbeitsverhältnisses)

BAG 05.06.2002 - 7 AZR 201/01 (Sachgrund der Vertretung bei Ausscheiden des Stelleninhabers)

Drosdeck/Bitsch: Die rechtsmissbräuchliche Vertretungsbefristung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2013, 1345

Drosdeck/Bitsch: Zulässigkeit von Kettenbefristungen; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2012, 977

Sievers: TzBfG - Kommentar zum Teilzeit- und Befristungsgesetz; 6. Auflage 2018