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Barrierefreiheit

 Normen 

§§ 4 f. BGG

Gesetzesbegründung BT-Drs. 19/2072

Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BITV)

Kommunikationshilfenverordnung (KHV)

Verordnung über barrierefreie Dokumente in der Bundesverwaltung (VBD)

§ 554 BGB

BT-Drs. 19/18791 (zu den Änderungen der Barrierefreiheit im Mietrecht mit der Rechtskraft 01.12.2020)

Behindertengleichstellungsgesetze der Länder

 Information 

1. Barrierefreiheit allgemein

Barrierefreiheit bezeichnet im Rahmen der Behindertengleichstellung gemäß § 4 BGG die Möglichkeit von Menschen mit Behinderungen ohne fremde Hilfe bauliche Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen und andere gestaltete Lebensbereiche in der allgemein üblichen Weise zu nutzen.

Die einzelnen gesetzlichen Vorgaben zur Erreichung der Barrierefreiheit sind in §§ 7 - 12d BGG geregelt:

  • Benachteiligungsverbot für Träger öffentlicher Gewalt:

    Beispiel:

    Auch Wahllokale müssen behindertengerecht zugänglich sein. Menschen mit einer Sehbehinderung können mithilfe von Wahlschablonen bei den Wahlen wählen gehen.

  • Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr:

    Für zivile Neubauten und große zivile Um- oder Erweiterungsbauten des Bundes bestand nach der bis zum 26.07.2016 geltenden Fassung des § 8 BGG eine grundsätzliche Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung. Nunmehr umfasst die Regelung neben den Neubauten auch die Um- oder Erweiterungsbauten unabhängig von ihrer Kostenhöhe.

  • Recht auf Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen:

    Hör- und sprachbehinderte Menschen haben gemäß § 9 BGG das Recht, in Verwaltungsverfahren der Bundesverwaltung und der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder anderen geeigneten Kommunikationshilfen zu kommunizieren. Die entstehenden Kosten sind von den Behörden zu tragen.

  • Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken

  • Verständlichkeit und Leichte Sprache:

    Träger öffentlicher Gewalt sollen Informationen vermehrt in Leichter Sprache bereitstellen. Die Bundesregierung wirkt darauf hin, dass die Träger öffentlicher Gewalt die Leichte Sprache stärker einsetzen und ihre Kompetenzen für das Verfassen von Texten in Leichter Sprache auf- und ausgebaut werden.

    Leichte Sprache zielt auf eine besonders leichte Verständlichkeit für Menschen mit geistigen Behinderungen ab. Die Leichte Sprache stellt nicht nur auf besondere Regeln zu Rechtschreibung und Grammatik ab, sondern gibt unter anderem auch Empfehlungen zur Textgestaltung. Unter anderem sollen möglichst gebräuchliche Wörter verwendet werden und Sätze kurz und einfach gehalten sein. Texte sollen in einer ausreichend großen Schrift dargestellt und mit Bildern illustriert werden. Über das Netzwerk Leichte Sprache e.V. haben sich Verbände und Organisationen, die sich für die Belange von Menschen mit Behinderungen einsetzen auf gemeinsame Regeln für Informationen in Leichter Sprache verständigt (vergleiche https://www.leichte-sprache.org/). Leichte Sprache kann erforderlich sein, wenn Informationen in einfacher Sprache für Menschen mit stärkeren Beeinträchtigungen nicht verständlich sind.

  • Barrierefreie Informationstechnik:

    In den vom Bundeskabinett beschlossenen Eckpunkten zum Regierungsprogramm "Digitale Verwaltung 2020" hat die Bundesregierung bekräftigt, dass ein digitales, barrierefreies Verwaltungsverfahren auch allen Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung dient. Deshalb hat die Bundesregierung das Ziel formuliert, dass nicht nur Bürger mit Behinderungen Dienstleistungen und Angebote frei von Benachteiligung erhalten müssen, sondern auch Mitarbeiter mit Behinderungen mit gängigen Verfahren wie der elektronischen Akte genauso gut und effizient arbeiten können sollen wie Beschäftigte ohne Behinderungen.

    Die Vorgaben zur barrierefreien Informationstechnik sind in den §§ 12 ff. BGG sowie der Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BITV) festgelegt.

    Diese "Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung" ist zum 25. Mai 2019 neu gefasst worden:

    Bezüglich des einzuhaltenden Standards verweist die Verordnung nun auf die im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemachten harmonisierten Normen. Außerdem nennt sie Details zur Erklärung zur Barrierefreiheit und macht Vorgaben dazu, welche Inhalte barrierefrei zu gestalten sind und welche nicht. So gilt die Verordnung jetzt auch für elektronische Verwaltungsabläufe.

    Informationen und Dienstleistungen öffentlicher Stellen, die elektronisch zur Verfügung gestellt werden, sowie elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe mit und innerhalb der Verwaltung, einschließlich der Verfahren zur elektronischen Aktenführung und zur elektronischen Vorgangsbearbeitung, sind für Menschen mit Behinderungen zugänglich und nutzbar zu gestalten.

  • Zugang zur Arbeit:

    Der Zugang zu vielen Berufen kann nicht allein wegen einer Behinderung untersagt werden. Erforderlich ist vielmehr, dass der Bewerber zur Ausübung der konkreten Tätigkeit gesundheitlich nicht in der Lage ist (Schwerbehinderte Arbeitnehmer).

    Die Barrierefreiheit soll durch den Abschluss von Zielvereinbarungen erreicht werden. Diese sollen gemäß den Vorgaben des § 5 BGG zwischen den anerkannten Behindertenverbänden und den jeweiligen Unternehmen der verschiedenen Wirtschaftsbranchen geschlossen werden, wobei die Behindertenverbände die Verhandlungsaufnahme erzwingen können.

2. Im Mietrecht

Der am 01.12.2020 in Kraft getretene § 554 BGB regelt den Anspruch des Mieters, vom Vermieter die Erlaubnis für bestimmte bauliche Veränderungen der Mietsache zu verlangen. Der Anspruch umfasst Maßnahmen, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge oder dem Einbruchsschutz dienen.

Hinweis:

Der zuvor den Anspruch des Mieters auf die Barrierefreiheit regelnde § 554a BGB wurde zum 01.12.2020 aufgehoben

Danach kann der Mieter vom Vermieter die Zustimmung zu baulichen Veränderungen oder sonstigen Einrichtungen verlangen, die für eine behindertengerechte Nutzung der Mietsache oder einen behindertengerechten Zugang erforderlich sind.

Der Ausdruck "Behinderung" ist weit auszulegen. Erfasst werden alle Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Der Grund der Behinderung ist unerheblich, auch die altersbedingte Einschränkung der Bewegungsfreiheit wird erfasst.

Die Regelung ist abgestimmt mit § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 WEG. Dadurch soll der Anspruch des Mieters auf Erlaubnis der in § 554 BGB geregelten Maßnahmen bei Vermietung einer Eigentumswohnung mit den wohnungseigentumsrechtlichen Vorschriften über bauliche Veränderungen harmonisiert werden. Es handelt sich um einen Anspruch auf Zustimmung zu einer Vertragsänderung. Der Begriff "bauliche Veränderungen" erfasst alle Veränderungen der Mietwohnung selbst oder des Außenbereichs der Wohnung.

Voraussetzung ist ein berechtigtes Interesse des Mieters, wobei die Behinderung nicht bei diesem selbst bestehen muss. Ausreichend ist die Behinderung eines in der Wohnung lebenden Angehörigen, Lebensgefährten etc., sofern dieser berechtigterweise die Wohnung mitnutzt.

Es handelt sich aber nicht um einen absoluten Anspruch des Mieters: Der Vermieter kann die Zustimmung verweigern, wenn sein Interesse an der unveränderten Erhaltung der Mietsache überwiegt. Es ist daher eine Interessenabwägung vorzunehmen, in die auch die Interessen der anderen Mieter einzubeziehen sind.

Er ist befugt, die Zustimmung von der Zahlung einer zusätzlichen Mietsicherheit zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes abhängig zu machen.

Der Anspruch des Mieters kann durch eine vertragliche Vereinbarung nicht ausgeschlossen werden.

3. Bundesfachstelle für Barrierefreiheit

Die Bundesfachstelle ist gemäß § 13 BGG zentrale Anlaufstelle zu Fragen der Barrierefreiheit für die mit dem BGG verpflichteten Behörden. In dieser Funktion berät und unterstützt sie die Behörden, ihre Aufgaben in eigener Verantwortung barrierefrei und unter Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderungen zu erfüllen. Sie trägt damit aktiv und konkret zur Verbesserung der Barrierefreiheit der öffentlichen Verwaltung bei. Die Fachstelle stellt weiterführende Informationen bereit, kann Forschungsimpulse geben und Forschungsvorhaben der Ressorts begleiten, vermittelt Kontakte zu anderen kompetenten beziehungsweise unterstützenden Stellen und informiert die allgemeine und die Fach-Öffentlichkeit. Sie arbeitet behinderungsübergreifend und gestaltet ihre Angebote (Informationen, Veranstaltungen etc.) barrierefrei. Die Bundesfachstelle informiert und wirbt aktiv für die Gestaltung einer barrierefreien Lebens- und Arbeitswelt in einer älterwerdenden Gesellschaft, unterstützt bei Bedarf und im Rahmen ihrer personellen und finanziellen Kapazitäten die Verhandlungsparteien, die Zielvereinbarungsverhandlungen führen und Vereinbarungen über die konkrete Herstellung von Barrierefreiheit treffen, und steht als Informationsstelle auch Vertreterinnen und Vertretern aus der Politik und der Zivilgesellschaft offen.

 Siehe auch 

Behindertengleichstellung

Gleichheitsgebot

Mietkaution

Träger öffentlicher Gewalt