Kein gesetzliches Preisänderungsrecht eines Gasversorgungsunternehmens bei Belieferung von Sonderkunden, VIII ZR 327/07

anwalt24 Fachartikel
30.07.2010837 Mal gelesen
Der Bundesgerichtshof hat am 14.07.2010 zwei Urteile aufgehoben, mit denen die Klagen von Gaskunden gegen Gaspreiserhöhungen abgewiesen worden waren. Die Kläger der beiden Verfahren mit weitgehend gleich gelagertem Sachverhalt wurden als Endverbraucher von der Beklagten, einem nordwestdeutschen Energieversorgungsunternehmen, zum "Sondertarif S I" leitungsgebunden mit Erdgas beliefert.

In diesem Tarif erhöhte das Versorgungsunternehmen den Arbeitspreis zum 1. September 2004 von 3,00 Cent/kWh auf 3,40 Cent/kWh, zum 1. August 2005 auf 3,88 Cent/kWh und zum 1. Februar 2006 auf 4,26 Cent/kWh (jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer). Die Kunden haben beantragt festzustellen, dass die genannten Tariferhöhungen ihnen gegenüber unwirksam sind. Das Amtsgericht hat die Klagen abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufungen der Kunden zurückgewiesen.

Die dagegen gerichteten Revisionen der Kunden hatten Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das Versorgungsunternehmen - entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung - nicht unmittelbar aufgrund des gesetzlichen Preisänderungsrechts gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV* zur Preisänderung befugt war, weil es sich bei den Kunden nicht um Tarifkunden (§ 1 Abs. 2 AVBGasV*), sondern um Sonderkunden handelt. Dies hat auch das Versorgungsunternehmen inzwischen klar gestellt, nachdem es zunächst angenommen hatte, es handele sich um Tarifkunden. Für die Wirksamkeit der Preiserhöhungen kommt es deshalb darauf an, ob das Unternehmen sich wirksam vertraglich ein Preisänderungsrecht vorbehalten hat. Dazu hat das Landgericht keine rechtsfehlerfreien Feststellungen getroffen.

Die Verfahren sind an das Landgericht zurückverwiesen worden, damit die erforderlichen Feststellungen zum wirksamen Vorbehalt eines vertraglichen Preisänderungsrechts nachgeholt werden können. Sollte ein vertraglich vorbehaltenes einseitiges Preisbestimmungsrecht des Versorgungsunternehmens bestehen, muss eine Billigkeitskontrolle (§ 315 Abs. 3 BGB) der beanstandeten Preiserhöhungen erfolgen.

*Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV; gültig bis 7. November 2006)

 

§ 1 Gegenstand der Verordnung  

 (1) Die allgemeinen Bedingungen, zu denen Gasversorgungsunter-nehmen nach § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes jedermann an ihr Versorgungsnetz anzuschließen und zu allgemeinen Tarifpreisen zu versorgen haben, sind in den §§ 2 bis 34 dieser Verordnung geregelt. Sie sind Bestandteil des Versorgungsvertrages.

(2) Kunde im Sinne dieser Verordnung ist der Tarifkunde.

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§ 4 Art der Versorgung  

(1) Das Gasversorgungsunternehmen stellt zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung. Der Brennwert mit der sich aus den Erzeugungs- oder Bezugsverhältnissen des Unternehmens ergebenden Schwankungsbreite sowie der für die Versorgung des Kunden maßgebende Ruhedruck des Gases bestimmen sich nach den allgemeinen Tarifen.

(2) Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen werden erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam.

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Urteil vom 14. Juli 2010 ? VIII ZR 327/07

AG Oldenburg - Urteil vom 16. November 2006 - E1 C 1078/06

LG Oldenburg - Urteil vom 29. November 2007 ? 9 S 770/06

und

Urteil vom 14. Juli 2010 ? VIII ZR 6/08

AG Oldenburg - Urteil vom 19. Dezember 2005 ? E7 C 7289/05

LG Oldenburg - Urteil vom 29. November 2007 ? 9 S 59/06

(veröffentlicht in RdE 2008, 63)

Quelle: Pressemitteilung Nr. 146/2010 des BGH vom 14.07.2010

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