Eklatante Rückwirkungsfalle der Erbschaftsteuerreform – Nachträgliche Besteuerung bereits abgewickelter Schenkungen?

Erbschaftssteurrecht
01.08.2016341 Mal gelesen
Nach monatelangen Verhandlungen steht der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zur Anpassung der erbschaft- und schenkungssteuerlichen Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen kurz bevor.

Nach monatelangen Verhandlungen steht der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zur Anpassung der erbschaft- und schenkungssteuerlichen Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen kurz bevor. Die geplanten Neuregelungen auf Grundlage der Beschlussempfehlungen des BT-Finanzausschusses wurden am 24.6.2016 vom Bundestag angenommen. Das Gesetz tritt voraussichtlich (und dann wohl auch insgesamt rückwirkend) zum 1. Juli 2016 in Kraft. Es hat sich jetzt leider bestätigt, dass eine bereits früher in der Diskussion stehende Rückwirkung nicht behoben worden ist und jetzt mit Gesetz wird. Es geht um folgendes Problem:

Nach dem aktuellen Gesetzesentwurf werden bei der Anwendung einer Begünstigung sämtliche begünstigten Vermögen, die dieselbe Person innerhalb von zehn Jahren erwirbt, dem letzten Erwerb hinzugerechnet. Der Staat will durch diese Regelung vermeiden, dass Unternehmer ihren Nachlass so stückeln, dass sie die neue Aufgreifschwelle (für die "Verschonungsbedarfsprüfung") in Höhe von 26 Mio. Euro umgehen. Die 10-Jahresfrist beginnt aber nach dem aktuellen Sachstand nicht etwa mit dem Inkrafttreten der neuen Rechtslage (1. Juli 2016), sondern dürfte sich auch auf Übertragungen aus der Zeit gemäß der alten Rechtslage erstrecken. Damit ist manche Schenkung nach der alten Rechtslage, so sie das betreffende Betriebsvermögen nicht zu 100 Prozent umfasste, im Risiko. Wer z.B. nach der alten Rechtslage ein Betriebsvermögen mit einem Wert von 25 Mio. Euro übertragen hat, und wer nun nach dem 1. Juli 2016 einen weiteren Wert von z. B. nur 2 Mio. Euro an den gleichen Begünstigten überträgt, löst eine Hinzurechnung der 25 Mio. Euro aus, überschreitet damit die 26 Mio. Euro-Schwelle und muss deshalb 27 Mio. Euro versteuern bzw. nachversteuern - jetzt mitsamt Verschonungsbedarfsprüfung oder alternativ nach der nunmehr abschmelzenden Verschonung. Ein bereits erbschaftsteuerfrei übertragenes Vermögen gerät auf diese Weise doch noch in eine Steuerbelastung, und zwar in die härtere: nach neuem Recht. Unklar ist dabei weiter, nach welchem "vereinfachten Bewertungsverfahren" (nach alter oder neuer Rechtslage?) der Gesamtbetrag (= nach Hinzurechnung) künftig zu bewerten sein wird. § 13c Abs. 2 Satz 4 ErbStG-neu stellt ausdrücklich klar: "Die bis dahin für frühere Erwerbe gewährte Steuerbefreiung entfällt insofern mit Wirkung für die Vergangenheit", wobei mit Vergangenheit eben nicht ein potentieller Vergangenheitszeitraum (nach dem 1. Juli 2016) gemeint sein dürfte, sondern ein 10-Jahres-Vergangenheitszeitraum, der ab sofort beginnt.

Fazit:

Bitte prüfen Sie - gemeinsam mit Ihrem fachlichen Beistand - ob Sie von dieser besonderen Rückwirkung betroffen sind. Bei allen künftigen Übertragungen ist dringend zu raten, dies zu berücksichtigen.