Nicht Druck(knopf) sondern Reißverschluss (im Reißverschlussverfahren darf man sich seinen Platz nicht „erzwingen“)…

Strafrecht und Justizvollzug
07.09.20072949 Mal gelesen

Das "Reißverschluss-System ist seit ca. 6 Jahren in §7 StVO verankert. Dieser besagt, dass sich Fahrzeuge "unmittelbar vor einer Verengung" abwechselnd hintereinander einordnen sollen, Fahrern also das Einschwenken von der gesperrten auf die offene Spur ermöglicht werden muss. Sinn dieser Regelung ist, dass Verkehrsexperten erkannten, dass feste Regeln zur optimalen Nutzung des zu Verfügung stehenden Verkehrsraumes erforderlich sind. Der Reißverschluss gilt nicht nur bei Aufhebung einer Fahrbahn, sondern auch bei Baustellen, Unfällen oder hinter in "zweiter Reihe" parkenden Fahrzeugen.

Dass ein Hineindrängeln zu Lasten des Einfädelnden gehen kann, belegt ein Urteil des LG Darmstadt (6 S 464/2000). Eine Autofahrerin wollte vor einer Baustelle auf die freie Spur Wechsel, musste jedoch aufgrund eines Staus plötzlich wieder bremsen. Ein Linienbus fuhr auf. Klare Sache hätte man gedacht, schließlich war die Bremsung begründet und der Bus fuhr auf. Die PKW-Fahrerin erhielt jedoch nur 50% ihres Schadens ersetzt: Ein Fahrstreifenwechsel in solchen Situationen sei nur dann vorzunehmen, wenn eine Gefährdung anderer auszuschließen sei. Eine vorausschauende Fahrweise gebiete, beim Einordnen in eine Fahrzeugkolonne eine solche Gefährdung auszuschließen.

In weiteren Urteilen, die aktuell von Fachverbänden in die Öffentlichkeit getragen werden, geht es um das Einfädeln vom Beschleunigungsstreifen auf der Autobahn.

Die Grundsituation ist Fahrern gerade von der Stadtautobahn bestens bekannt: es staut sich, endlich wäre man nach dem "Reißverschlussprinzip", an das man sich aus der Fahrschule erinnert, "dran" - aber die anderen lasse einen nicht rein. Auf der Beschleunigungsspur herrscht Stillstand.

In Urteilen des OLG Köln (16 U 24/5) und OLG Naumburg (10 U 16/06) wurde verdeutlicht, dass es wie im oben geschilderten Fall nicht zulässig ist, sich einen Platz in der Kolonne zu erzwingen. Was viele nicht wissen: Das Reißverschlussverfahren gilt auf der Autobahn selbst im Stau nicht!

Fall1: Ein PKW-Fahrer fuhr auf der Beschleunigungsspur, als er versuchte sich bei zäh fließendem Verkehr auf der rechten Spur der Autobahn einzuordnen. Es kam zur Kollision mit dem dann hinter ihm fahrenden LKW-Fahrer. Das zuständige Landgericht sah die Schuld alleine beim PKW-Fahrer und verwies darauf, dass in dieser Situation das Reißverschlussverfahren nicht greife. Vielmehr gelte §18 Abs. 3 StVO, nach der auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen der fließende Verkehr auf den durchgehenden Fahrbahnen Vorfahrt hat. (Einfahrender Verkehr ist damit wartepflichtig, darauf können Benutzer der durchgehenden Fahrbahn vertrauen. Einfahrender Verkehr darf nur so einfahren, dass er den durchgehenden Verkehr nicht gefährdet oder behindert.)

Der Autofahrer hingegen meinte, der LKW-Fahrer habe gesehen wie er sich einfädeln wolle und sogar bewusst beschleunigt und hierdurch den Unfall allein verursacht. Entsprechend ging er in Berufung. Dies konnte er nicht belegen, er blieb daher als Unfallverursacher auf seinen Kosten sitzen.

Fall2: In einem anderen Fall fädelte ein LKW-Fahrer sich von der Beschleunigungsspur auf die Autobahn ein. Der im Verhältnis zum nachfolgenden Verkehr langsam fahrende LKW machte eine "Gefahrenbremsung" erforderlich. Durch diese kam es bei den nachfolgenden Fahrzeugen zu einem Auffahrunfall. Dem nicht in die Kollision verwickelte LKW-Fahrer wurden 75% der Schuld zugesprochen. Möglicherweise wäre der zur Bremsung genötigte Fahrer sogar zu einer noch niedrigeren Quote gekommen, wenn er sich "optimal verhalten" hätte. Offenbar hätte er den Unfall durch frühzeitigeres Abbremsen oder einen Spurwechsel verhindern können.

Was kann man aus diesen Fällen lernen (außer, dass das Reißverschlussverfahren nicht bei der Einfahrt auf die Autobahn gilt)?

Auch bei scheinbar so klaren Sachlagen wie einem Autounfall gelten Regelungen der StVO, die Ihnen möglicherweise nicht bekannt sind. Vermeiden Sie frühe Aussagen, sichern Sie Beweise (Photos etc.) und lassen Sie sich frühzeitig von einem Fachanwalt für Verkehrsrecht beraten!