Das Urteil zum Böhmermann-Gedicht ist juristisch nicht stimmig

Das Urteil zum Böhmermann-Gedicht ist juristisch nicht stimmig
10.02.2017215 Mal gelesen
Das LG Hamburg hat sein Urteil in der Böhmermann-Affäre verkündet und die Entscheidung, Teile des Gedichtes weiter zu verbieten, bestätigt. Für viele Juristen bleibt die Entscheidung nicht nachvollziehbar und nach seiner Rechtsauffassung auch grundlegend falsch.

Hauptkritikpunkt: Das Gericht hat sich zu sehr mit der Frage der Menschenwürde befasst. Haberkamm: "Eine Verletzung der Menschenwürde muss meiner Meinung nach direkte Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Person haben. Erdogan wurde nicht in seiner Würde verletzt, hat keine seelischen Schmerzen erlitten  und er hat auch nicht unter Böhmermanns Gedicht gelitten! Als Prüfungspunkt und als Basis für einen Schuldspruch ist da einfach zu wenig Würde verletzt worden."

Grundlegende Frage, die das Urteil aufwirft: Wird Erdogan sein Lebensrecht als gleichwertige Person in der Gesellschaft abgesprochen und liegt eine damit einhergehende bewusste Behandlung als unterwertiges Wesen vor?

Zur Beantwortung dieser Frage muss man den kompletten Gedichtbeitrag wiederum in seinen Gesamtkontext stellen und den Aussagekern unabhängig von der konkreten satirischen Einkleidung herausarbeiten: Der Anlass des Schmähgedichts war Erdogans Umgang mit einem zulässigen Satirebeitrag bei "extra 3" über ihn als türkisches Staatsoberhaupt.  Er wollte diesen Beitrag untersagen, weil der Beitrag nach seinem ganz persönlichen und exklusiven Empfinden unzulässig war. Das Schmähgedicht greift genau diese Haltung Erdogans auf und übt in überzogener und satirischer Form Kritik an dieser konkreten Interpretation und Ausübung von staatlicher Gewalt durch den türkischen Staatspräsidenten. Als Reaktion auf Erdogans Umgang mit einem zulässigen Satirebeitrag, zeigt das Schmähgedicht ihm auf, wann die Grenze zur Unzulässigkeit entgegen seines Empfindens tatsächlich überschritten ist und eine entsprechende Reaktion  angemessen gewesen wäre.

Dr. Haberkamm: "Das Schmähgedicht mag geschmacklos sein, aber um den verfolgten und legitimen Zweck zu erreichen, musste es eben in dieser Heftigkeit verfasst werden,"

Das Schmähgedicht muss in seiner Gesamtheit, das bedeutet mitsamt der konkreten Präsentation in der Sendung verboten oder zugelassen werden. Haberkamm, Partner bei LHR - Marken, Medien, Reputation: "Das Landgericht Hamburg hat es leider versäumt, die Fehler aus dem  einstweiligen Verfügungsverfahren zu korrigieren. Die Aufgabe wird nun wohl dem Hanseatischen Oberlandesgericht zufallen."

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