Her mit der Locke - Alkoholabstinenznachweis per Haaranalyse

Reise und Verbraucherschutz
14.12.200911337 Mal gelesen

Sie erinnern sich an Christoph Daum und seine Haaranalyse? Ist davon auszugehen, dass man künftig nach der Schutzbehauptung "Ich trinke nie Alkohol!" um eine Haarprobe "gebeten" wird? So weit ist es wohl noch nicht. Doch die Haaranalyse scheint zur Beurteilung eines längeren Zeitraumes hinsichtlich der Abstinenz in Zukunft an Bedeutung zuzunehmen...

Bekanntlich wird es immer wichtiger, über den Tellerrand zu gucken. So freute mich die Einladung zum 2. Berliner Alkoholsymposium im Institut für Rechtsmedizin und forensische Wissenschaften der Charité.
Hintergrund war unter anderen die Verschärfung der Abstinenzkriterien zum 1.7.2009.
Gefragt wurde "Was kann die Haaranalyse wirklich?"


Die Antwort ging auf das große Substanzspektrum, welches in den Haaranalysen nachgewiesen werden kann, ein. Betont wurde das gegenüber Blut, Speichel, Schweiß und Urin deutlich längere Zeitfenster. Als Nachteil ist freilich zu werten, dass die Haaranalyse nicht zum Nachweis der aktuellen Substanzaufnahme geeignet ist.
Prof. Fritz Pragst referierte dann über die Überprüfung des chronisch exzessiven Alkoholkonsums mittels Haaranalyse. In wissenschaftlich fundierter und doch auch dem medizinischen Laien verständlicher Art und Weise wurde vorgestellt, wie Ethylenglucuronid (als EtG in Blutuntersuchungen gut bekannt) und Fettsäureethylester (FSEE) sich als Abbauprodukte des Alkohols bei chronisch hohem Alkoholgebrauch im Haar ablagern. FSEE gelangt über die Talgdrüsen ins Haar, EtG mit dem Schweiß.
Generell erfolgt die Probengewinnung unter den gleichen Bedingungen wie bei illegalen Drogen. Eine Strähne wird am Hinterhaupt zusammengebunden, bzw. bei Haaren 3 cm werden diese direkt gewonnen. Das kopfnahe Ende ist zu markieren, die Probe in Aluminiumfolie und dann einen Briefumschlag zu verpacken. Alternativ kommen die länger am Körper verweilenden Scham-, Achsel-, Brust- oder Bein haare in Frage. Aufgrund des abweichenden Wachstumsverhaltens und schlechterer Vergleichbarkeit sind Ergebnisse dieser Proben jedoch schlechter verwertbar. Der EtG-Wert aus diesen Proben kann deutlich erhöht ausfallen. Es empfiehlt sich -wie im Sport - neben der Analyseprobe eine Rückstellprobe zu gewinnen. Häufigkeit der Haarwäsche und Kosmetika müssen erfragt werden.
Die Empfehlungen der Society of Hair Testing beziehen sich auf die kopfnahen 0-3 cm, welche Aussagen über die letzten drei Monate erlaubt. Für längere Zeiträume ist auf weitere Vorgaben und eine genaue Standardisierung zu achten, da auch bei konstantem Trinkverhalten die Konzentration von FSEE von der Kopfhaut aus betrachtet ab- und jene von EtG zunimmt.
Beim alkoholabstinenten sind Werte von 0,2 ng/dl FSEE und 7pg/mg EtG in den kopfnahen Abschnitten zu erwarten. Nach Abstinenzbeginn gewachsenes Haar enthält kein EtG. Die FSEE-Konzentration fällt jedoch nur langsam ab, so dass noch über mehrere Monate das in der Abstinenz gewachsene Haar erhöhte Werte aufweisen kann. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass biochemische Eigenheiten, Haarbeschaffenheit und Haarpflegegewohnheiten des Individuums die Ergebnisse durchaus beeinflussen und daher die Werte nicht losgelöst vom Einzelfall interpretiert werden dürfen. Und - was soll man sagen- die Verwendung von Birkenhaarwasser mit 63% Ethanolanteil kann den Abstinentesten einem Alkoholismusverdacht aussetzen (falsch positiver Test) bzw. exzessives Haarewaschen einen Trinker reinwaschen.
Es empfiehlt sich daher, beide Werte gemeinsam zu ermitteln. Übereinstimmend positive bzw. negative Testergebnisse - so die Experten- erlauben eine "weitgehend eindeutige Aussage".
 

Eine Analyse kostet gegenwärtig an der Charité 225,00 Euro.
 

Was heißt das für Sie?

Sollten Sie dringend auf einen Abstinenznachweis angewiesen sein und tatsächlich keinen Alkohol getrunken haben, sollten Sie mit Ihrem Fachanwalt prüfen, ob Sie diesen Nachweis - natürlich auf eigene Kosten- mit Hilfe dieser noch etwas in den Kinderschuhen steckenden Methode antreten sollten.