§ 8 Abs. 4 UWG: 25 Fragen zum Rechtsmissbrauch - Zweifel an der Hammer Rechtsprechung? Wie sind die Zukunftsaussichten?

Internet, IT und Telekommunikation
05.05.2010948 Mal gelesen
Zwei Urteile des OLG Hamm werfen mindestens 25 Fragen zum Thema Rechtsmissbrauch auf. Das Urteil des OLG Hamm vom 2.4.2009 - 4 U 213/08 stellt klar, dass die Angabe des Handelsregisters, Registernummer sowie der Umsatzsteueridentifikationsnummer im Impressum genannt werden müssen. Es liegen keine Bagatellverstöße vor, sondern eindeutige, schwerwiegende Wettbewerbsverstöße, so das OLG Hamm. Erstaunlich, dass nach Auffassung des Senates in einem anderen Urteil auf einmal "kein nennenswerter oder ersichtlicher Wettbewerbsvorteil erzielt werden kann", wo doch im Urteil vom 2.4.2009 ausgiebig zur Schwere und Bedeutung vorgetragen wurde. Hier ging es um einen Fall des Rechtsmissbrauchs. Die Einzelheiten:



"Es handelt sich dabei nicht, wie es von der Beklagten verfochten wird, lediglich um Bagatellverstöße im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG, zumal hierbei bereits seit dem 12.12.2007 die Vorschriften der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken zu berücksichtigen sind, die in das neue, am 30.12.2008 in Kraft getretene UWG eingeflossen sind.
...

Diese Umstände sind für den Verbraucher, der den Anbieter nötigenfalls in Anspruch nehmen und verklagen will, von überaus großer Bedeutung. Allein die Möglichkeit der Kontaktierung durch die Angabe des Namens und der Adressdaten reicht insofern keinesfalls aus. Das - völlige - Fehlen der Angabe des Handelsregisters und der Registernummer kann jedenfalls seit Inkrafttreten der UGP-Richtlinie und damit auch zum Zeitpunkt des Verstoßes nicht mehr als eine wettbewerbsrechtliche Bagatelle angesehen werden.

Der Verstoß ist geeignet, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Das ist schon dann zu bejahen, wenn einer Verordnung des europäischen Gesetzgebers, die die Verbraucher schützen soll, in der Weise zuwider gehandelt wird, dass die darin geregelten Informationspflichten verletzt werden. Nach Art. 7 V der UGP- Richtlinie werden als wesentlich nämlich alle Informationen eingestuft, die das Gemeinschaftsrecht in Bezug auf die kommerzielle Kommunikation vorsieht. Zu solchen Informationen gehören nach Anhang II zu dieser Vorschrift gerade auch die Pflichtangaben des Art. 5 der Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Verkehrs im Binnenmarkt. Diese ist damals in § 6 TDG umgesetzt worden, der Vorschrift, die dem § 5 TMG entspricht. Sie verlangt die Angabe des Handelsregisters und der entsprechenden Registernummer. Unabhängig von dieser eindeutigen europarechtlichen Vorgabe ist es auch gerade Zweck der Anbieterkennzeichnung, darauf hinzuwirken, dass gewisse Standards bei der Angabe von dem Verbraucherschutz dienenden Informationen gebildet und eingehalten werden. Auch im Hinblick darauf liegt auch nach dem neuen UWG immer schon dann ein nicht nur unwesentlicher Verstoß vor, wenn solche Pflichtangaben wie hier völlig unterbleiben. Gerade auch die Angabe des Handelsregisters und der Registernummer verfolgen diesen Zweck in dem Falle, dass Gesellschaften Teledienste anbieten. Eine Unterscheidung danach, welche der Pflichtangaben, die der Gesetzgeber im TMG für erforderlich hält, wesentlich sind und welche nicht, verbietet sich. Ein Verstoß gegen den Kern einer solchen Schutzvorschrift kann schwerlich eine Bagatelle im Sinne des § 3 UWG sein. Es kommt noch hinzu, dass Verstöße gegen solche Verbraucherschutzbestimmungen auch generell geeignet sein dürften, den betreffenden Händlern wegen der Nichteinhaltung der Informationspflichten einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber den gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen, die umfassend informieren. Von dem Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift können insofern auch eine Vielzahl von Marktteilnehmern betroffen sein, weil alle interessierten Verbraucher, die sich mit den Angeboten befassen, nicht so informiert werden, wie es der Gesetzgeber für erforderlich hält.


Da sich eine Differenzierung nach den einzelnen Informationsangaben verbietet, gilt entsprechendes auch in Bezug auf die Umsatzsteueridentifikationsnummer oder die Wirtschafts-Identifikationsnummer i.S.v.
§ 5 Abs. 1 Nr. 6 TMG.

vgl. Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 2.4.2009 - 4 U 213/08


In einem anderen Verfahren hielt das OLG Hamm die Verfolgung unstreitig vorliegender Wettbewerbsverstöße für rechtsmissbräuchlich.

vgl. Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 18.03.2010 - 4 U 223/09

Der Abmahner hatte bei einem Mitbewerber vollkommen zu Recht gerügt, dass dieser keine Angaben zum Vertretungsberechtigten und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, zum Handelsregister und zu der dortigen Registernummer sowie zur Umsatzsteueridentifikationsnummer macht und war dagegen vorgegangen.

Der Abmahner war nicht nur einmal, sondern in mindestens 77 weiteren Fällen tätig geworden, wo gleiche oder ähnliche Verstöße vorlagen. Im Rahmen einer Gesamtschau befand das Gericht das Verhalten als Rechtsmissbräuchlich.  Hierzu trugen unter anderem diese Erwägungen bei:

- Jahresumsatz

- Anzahl der Abmahnungen

- Art der Verstöße
("Hinzu kommt noch eine erhebliche Spezialisierung der Anwälte auf ganz bestimmte Verstöße wie die fehlende Angabe der Komplementärgesellschaften und deren Geschäftsführer bei der KG und die fehlende Angabe von Handelsregisternummer und Umsatzsteuer-ID?")

- Höhe der geforderten Gebühren

- Zeitrahmen für Unterlassung und Kostenerstattung etc.



In den Entscheidungsgründen nimmt das Gericht auf die Bedeutung der Umsatzsteueridentifikationsnummer Bezug. Es heißt dort:

"Das gilt umso mehr, wenn klar ist, dass insbesondere mit der fehlenden Umsatzsteuer-ID, die für den Fiskus bestimmt ist, kein nennenswerter oder ersichtlicher Wettbewerbsvorteil erzielt werden kann (Senat MMR 2009, 552, 553)."


Erstaunlich, dass nach Auffassung des Senates "kein nennenswerter oder ersichtlicher Wettbewerbsvorteil erzielt werden kann", wo doch im Urteil vom 2.4.2009 - 4 U 213/08 ausgiebig zur Schwere und Bedeutung vorgetragen wurde.



Man möge sich einmal folgende Fragen stellen:

1. Werfen de vorgenannten Entscheidungen auch bei Ihnen Zweifel auf?

2. Halten Sie die Entscheidungen für richtig?

3. Meinen Sie, die Entscheidungen sind mutwillig ergangen?

4. Halten Sie die Entscheidung für ergebnisorientiert?

5. Haben Sie den Eindruck, dass die Richter voreingenommen sind?

6. Ist es nicht Sache des jeweiligen Unternehmens, wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen und entsprechende Risiken einzugehen?

7. Soll es Existenzgründern verwehrt sein, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen?

8. Kann ein junges Unternehmen überhaupt Fuß fassen, wenn es sich selbst an die gesetzlichen Bestimmungen hält, andere aber nicht?

9. Kann die Durchsetzung gesetzlich bestehender Unterlassungsansprüche rechtsmissbräuchlich sein?

10. Wie kann ein Gebührenerzielungsinteresse beim Abmahner vorliegen, wenn er doch gar nichts von den Einnahmen der Abmahnungen erhält?

11. Ist es nicht denkbar einfach die Behauptung aufzustellen,  der Abmahner habe nur ein Gebührenerzielungsinteresse?

12. Handelt es sich nicht um eine bloße Unterstellung zu behaupten, der Abmahner habe nur ein Gebührenerzielungsinteresse?

13. Wie soll der Abmahner, dem es um einen fairen Wettbewerb geht, den Vorwurf des Gebührenerzielungsinteresses widerlegen?

14. Ist der fliegende Gerichtstand nicht gesetzlich geregelt?

15. Warum soll es missbräuchlich sein, einen gesetzlich geregelten Gerichtsstand zu  nutzen?

16. Warum sollen nicht von einem Mitbewerber gegen eine Vielzahl von Wettbewerbsverstößen vorgegangen werden, wenn sogar die Oberlandesgerichte die Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens bestätigen?

17. Warum sind unstreitig von einem Rechteinhaber zehntausende ausgesprochene Tauschbörsenabmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen nicht rechtsmissbräuchlich?

18. Meinen Sie wirklich, dass bei Tauschbörsenabmahnungen der Auftraggeber den abmahnenden Anwalt nach
RVG bezahlt?

19. Kann nicht jede Abmahntätigkeit mit der Argumentation des OLG Hamm als rechtsmissbräuchlich dargestellt werden?

20. Wird nicht der redlich Handelnde bestraft, weil er sich an die Bestimmungen hält und sich erdreistet umfangreich gegen Konkurrenten vorzugehen, die sich an gar nichts halten?

21. Wie soll ein fairer Wettbewerb stattfinden, wenn Mitbewerber aus Angst vor Missbrauchsurteilen künftig keine Abmahnungen mehr aussprechen?

22. Was wäre, wenn es keine Abmahnungen mehr gäbe?

23. Bräuchte man dann den 4. Zivilsenat des OLG Hamm auch  nicht mehr?

24. Müssten sich dann die Richter rechtlich umorientieren, z.B . arbeitsrechtliche Abmahnungen bearbeiten oder Mietrecht?

25. Sind es politische Entscheidungen, die hier getroffen werden?



Fazit:
Es wird allerhöchste Zeit, dass sich der Bundesgerichtshof mit der Frage des Rechtsmissbrauchs in derartigen Konstellationen befasst. Möge sich die Öffentlichkeit Ihre eigene Meinung hierzu bilden und die aufgeworfenen Fragen einmal kritisch beantworten und hinterfragen.

Ihre Meinung interessiert mich.

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