Formulierungen sind Indizien für einen Rechtsmissbrauch - OLG Hamm, Urteil vom 19.5.2009, I-4 U 23/09

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03.02.20101847 Mal gelesen
"Handeln zwecklos - Auch diese 50 EUR müssen bezahlt werden." Ob ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegt ist stets anhand einer Gesamtschau zu beurteilen. Hierbei können auch einzelne Formulierungen Indizien für einen Missbrauch darstellen.

Zweck einer Abmahnung ist es, den Verletzer zu einem wettbewerbsgemäßen Verhalten anzuhalten. Welchen Sinn und Zweck hat aber die folgende Formulierung? "Selbst wenn es daher gelingen sollte - was wir als unwahrscheinlich einstufen -, den Erstattungsanspruch unserer Mandantschaft um den einen oder anderen 50 EUR-Schein zu drücken, säßen Sie im Ergebnis oft mit den doppelten Kosten da." Einschüchterung? Drohung? Dies können wohl nur die damals tätigen Rechtsanwälte beantworten, die diese Formulierung in Ihren Abmahnungen verwenden. Was ebenfalls für einen Rechtsmissbrauch sprechen könnte, möchte ich nachfolgend aufzeigen:

Es heißt in mir vorliegenden Abmahnungen wörtlich (Hervorhebungen wurden von mir vorgenommen):

"Selbstverständlich bleibt es Ihnen unbenommen, vor Abgabe der Unterlassungserklärung selbst anwaltlichen Rat einzuholen. Falls Sie dies beabsichtigen sollten, achten Sie in Ihrem eigenen Interesse bitte darauf, dass es sich um einen wettbewerbsrechtlich versierten Kollegen handelt. Wir erleben es in unserer wettbewerbsrechtlich ausgerichteten Praxis ansonsten immer wieder, dass Kollegen, die sich in dieser Materie nicht so gut auskennen, den Rat erteilen, die angefallenen Gebühren nicht zu erstatten, oder gar die Unterlassungserklärung überhaupt nicht, oder nur zum Teil abzugeben. Dies führt im Regelfall zu gerichtlichen Verfahren, die nicht selten mit einer Kostenbelastung von vielen tausend Euro enden. Sollten Sie Ihre Fehler jedoch einsehen und sich lediglich gegen die zu erstattenden Kosten wehren wollen, geben wir zu bedenken, dass Sie Ihren eigenen Rechtsanwalt auf jeden Fall zusätzlich bezahlen müssen. Selbst wenn es daher gelingen sollte - was wir als unwahrscheinlich einstufen -, den Erstattungsanspruch unserer Mandantschaft um den einen oder anderen 50 €-Schein zu drücken, säßen Sie im Ergebnis oft mit den doppelten Kosten da. Leider gibt es einige wenig seriöse Kollegen, die mit Versprechungen werben, die sie im Ergebnis nicht einhalten können."

Diese Hinweise erscheinen insgesamt überflüssig. Es verhärtet sich vielmehr der Eindruck, dass es nicht primär um das Abstellen der in Rede stehenden Wettbewerbsverstöße geht. Die Abgemahnten sollen schnell zur Zahlung veranlasst werden. Kommen Sie der Zahlungsverpflichtung nicht nach, so wird Ihnen regelrecht mit weiteren ("doppelten Kosten") und Gerichtsverfahrten gedroht. Ist Einschüchterung der richtige Weg? Weiter heißt es in den Abmahnungen:

"Nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG sind Sie verpflichtet, unserem Mandanten die ihm wegen der Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten zu erstatten.

Die Höhe der zu erstattenden Gebühren richtet sich nach dem Streitwert der Angelegenheit. Zur Bemessung des Streitwertes insbesondere bei Abmahnungen wegen Wettbewerbsverstößen bei eBay hat das Oberlandesgericht Frankfurt grundlegende Ausführungen gemacht (OLG Frankfurt Beschluss vom 09.05.2006 - 25 W 37/06). Hiernach kann grundsätzlich schon bei einem Sachverhalt ohne besondere Bedeutung, nicht großen Umfanges und ohne besondere Schwierigkeit von einem Betrag von 25.000 Euro ausgegangen werden. Lediglich das OLG Düsseldorf hat in einigen Fällen den Streitwert extrem niedrig bestimmt, was aber hier nicht von Interesse ist, weil ein etwaiges Gerichtsverfahren zwischen Ihnen und unserer Mandantschaft nicht im Bezirk des OLG Düsseldorf stattfinden wird. Nachdem das OLG Frankfurt den Streitwert in einem besonders einfach gelagerten Fall ebenfalls deutlich reduziert hatte, stellt nunmehr das Oberlandesgericht Hamm wieder klar, dass bei einer durchschnittlichen Wettbewerbsverletzungshandlung der Streitwert in der Größenordnung von 30.000Euro zu bemessen ist (OLG Hamm, Beschluss v. 28.03.2007 -4 W 19/07- MIR 2007, Dok. 162).

Alleine für den isolierten Verstoß gegen die Pflicht zur Angabe der Auslandsversandkosten, wie er auch hier vorliegt, hat dieses Gericht in dem vorzitierten Beschluss entschieden, dass ein Streitwert von 10.000 Euro angemessen ist. Für jeden weiteren Verstoß setzen die Gerichte im Bezirk des OLG Hamm regelmäßig einen zusätzlichen Betrag von 2.000 Euro hinzu.

Der Bundesgerichtshof setzt regelmäßig für jede angegriffene AGB-Klausel einen Streitwert von 2.500 Euro an (BGH - III ZR 33/06 - ).

Das Kammergericht hat entschieden, dass selbst bei einfachen ,,Anfängerfehlern" jedenfalls ein Streitwert von 5.000 Euro pro gerügtem Verstoß als Gegenstandswert anzusetzen ist (OLG Berlin, Beschl. v. 14.11.2006 - 5 W 254/06-). Andere Oberlandesgerichte setzen den Streitwert für ein entsprechendes Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf 2.500 Euro für jeden einzelnen Punkt der Abmahnung an (OLG Stuttgart, Beschl. v. 04.02.2008 - 2 U 71/07 - ). All dies sind Streitwerte im Verfügungsverfahren, das allgemein nur mit 2/3 der Kosten der Hauptsache, die hier allein entscheidend ist, angesetzt wird. Wir wollen uns jedenfalls für den Fall einer außergerichtlichen Erledigung gleichwohl zugunsten der Beteiligten an diesen Entscheidungen orientieren und haben den Gegenstandswert gegenüber unserer Mandantschaft in Höhe von lediglich 15.000 € festgesetzt. Dieser von unserer Mandantschaft akzeptierte Wert ist auch für Ihre Kostenerstattungspflicht verbindlich. Es ergibt sich hiernach folgende Gebührenberechnung:

XXXXX"

Die geltend gemachten Kosten werden "beeindruckend" dargelegt. Dem Abgemahnten soll vor Augen geführt werden, dass er bei der Kostenerstattung noch großes Glück gehabt hat (in Höhe von lediglich 15.000 €) . Schließlich werden die Werte von den Gerichten regelmäßig viel höher angesetzt, wie durch Rechtsprechungshinweise belegt wird. Nur Düsseldorf sei sei ein "Ausreißergericht". Aber nach Düsseldorf wird der Abmahner auch nicht gehen ("was aber hier nicht von Interesse ist, weil ein etwaiges Gerichtsverfahren zwischen Ihnen und unserer Mandantschaft nicht im Bezirk des OLG Düsseldorf stattfinden wird"). Verständlich, denn dort würden die Rechtsanwälte ja viel weniger Geld verdienen. Über den zugrundegelegten Gegenstandswert lohnt es auch nicht zu verhandeln, denn "Dieser Wert ist verbindlich.". Der Erstattungsanspruch ist nicht verhandelbar. Weiter heißt es in der Abmahnung:

"Wir haben Sie deshalb aufzufordern, den ausgewiesenen Betrag

bis spätestens zum Montag, den 06.07.2009

auf eines unserer oben angegebenen Konten zu überweisen.

Beachten Sie bitte den Postweg und die Bankabwicklungsdauer. Für die Einhaltung der Fristen ist jeweils der Eingang bei uns maßgebend. Eine Fristverlängerung können wir in Anbetracht der wettbewerbsrechtlichen Eilbedürftigkeit nicht gewähren.

Sollten wir einen fristgemäßen Eingang bei uns nicht feststellen können, oder sollten Sie eine Unterlassungserklärung abgeben, die nicht sämtliche von uns gerügten Punkte enthält oder bei der ein Vertragsstrafenversprechen fehlt, wird unser Mandant uns beauftragen, ohne weitere Vorankündigung gegen Sie eine gerichtliche einstweilige Verfügung zu erwirken. Dies wäre mit nicht unerheblichen weiteren Kosten für Sie verbunden.

Von einer direkten Kontaktaufnahme mit unserer Mandantschaft ist abzusehen. Sollten Fragen auftauchen, die mit diesem Schreiben nicht beantwortet sind, setzen Sie sich bitte mit dem Unterzeichner in Verbindung.

Um den Zugang sicherzustellen, geht Ihnen dieses Schreiben per Übergabe-Einschreiben und gesondert mit einfacher Post zu. Dem Einschreiben ist das Original der Vollmacht beigefügt."


Die Zahlungsverpflichtung wird gleichsam eilbedürftig dargestellt, wie die Frist zur Abgabe einer Unterlassungserklärung. Wird den Forderungen nicht nachgekommen, so hat der Abgemahnte gleich gerichtliche Schritte zu erwarten ("wird unser Mandant uns beauftragen, ohne weitere Vorankündigung gegen Sie eine gerichtliche einstweilige Verfügung zu erwirken"). Und dann wird es teuer, denn "Dies wäre mit nicht unerheblichen weiteren Kosten für Sie verbunden." Aber warum soll kein Kontakt zum Mandanten aufgenommen werden? Weiß der Mandant etwa nichts von den Abmahnungen? Könnte er sich verplappern? Man weiß es nicht.

Auch die vorformulierte Unterlassungserklärung ist tückisch. Der Abgemahnte soll sich nämlich strafbewehrt verpflichten ein Verhalten zu unterlassen, ohne dass mehrere der Unterlassungsverpflichtung entgegenstehende Angebote zu einer Zuwiderhandlung zusammenzufassen wären. Eine Vertragsstrafe von 5.100 EUR wird vorgegeben.


Alles in allem sprechen in der Auseinandersetzung zwischen Herrn Rocco Saponara und der ONYX Online GmbH für einen Rechtsmissbrauch durch Herrn Saponara folgende Erwägungen:

 

1. die vorgenannten Formulierungen der ersten Abmahnung

2. die Anzahl der Abmahnungen, nämlich insgesamt 5 seit dem 24.6.2009

3. teilweise wurden gleich 2 Abmahnungen an nur einem Tag ausgesprochen

4. das Fordern von Gebühren, auf die gar kein Anspruch besteht

5. erst werden Verstöße bei eBay abgemahnt, dann der Onlineshop, wobei alles bei der ersten Abmahnung hätte erkannt werden können.

6. es wird eine mit 7.000 EUR deutlich überzogene Vertragsstrafe gefordert.

7. Betrug wird der Klägerin vorgeworfen.

8. es werden Verstöße verfolgt (Versandkostenhinweise) die auf einem eBay-Fehler beruhen.

9. der Google-Cache wird durchforstet, um abmahnen zu können.

10. es wird sowohl gegen die Gesellschaft, als auch gegen die Geschäftsführer persön-lich in unterschiedlichen Verfahren vorgegangen.



Fazit:
Aus meiner Sicht stellen bei den mir vorliegenden Abmahnungen von Herrn Rocco Saponara bereits die Formulierungen seiner Rechtsanwälte Indizien für einen Rechtsmissbrauch dar. Es bleibt abzuwarten, wie dies von den Gerichten gewertet wird. Auf jeden Fall ist höchtste Vorsicht geboten!


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