Flirt-Portal Lovoo – Enormer Gewinn durch Fake-Profile?

 Flirt-Portal Lovoo – Enormer Gewinn durch Fake-Profile?
19.09.2015734 Mal gelesen
Das Flirting-Portal Lovoo sieht sich einem offensichtlich hausgemachten Skandal gegenüber. Aus zahllosen nun bekanntgewordenen vermutlich internen Dokumenten geht hervor, dass der Branchen-Riese Lovoo über Jahre hinweg gezielt mit automatisierten Fake-Profilen männliche Nutzer zu kostenpflichtigen Zusatz-Leistungen animieren wollte. Lovoo bestreitet die Richtigkeit.

Mit Flirt-Portalen ist das so eine Sache. Neben zweifellos zahlreichen seriösen und erfolgreichen Flirt-Portalen, mischen sich immer wieder auch Skandale sowie zweifelhafte und dubiose Geschäftspraktiken. Zuletzt erwischte es den US-Branchenprimus Ashley-Madison. Dort wurden nach einem Hacker-Angriff Nutzerdaten wie die Adressen und Klarnamen von Millionen von Nutzern im Netz veröffentlicht (Wir berichteten).

Nun trifft es den bekannten aus Dresden stammenden Dienst Lovoo. Während das Portal Ashley Madison keine Schuld traf, scheint es bei Lovoo ein hausgemachter Skandal zu sein. Es wird behauptet, dass Lovoo verstärkt mit unechten Nutzerprofilen arbeitet, um so vor allem männlichen Nutzern das geld aus der Tasche zu ziehen.

Lovoo - Kunden systematisch hinters Licht geführt?

 Dabei gab das Unternehmen einst das öffentliche Versprechen ab, das man sich deutlich von unseriösen Praktiken distanziert. Daran gibt es nach den neuesten Entwicklungen jedenfalls erhebliche Zweifel. Aus anonymer Quelle wurden insgesamt über 50 GByte interner Emails an das C´t-Magazin weitergeleitet. Die Auswertung der Dokumente legt nahe, dass Lovoo seine Kunden systematisch hinters Licht führte, um sie zu kostenpflichtigen Aktionen auf der Plattform zu animieren.

Beim Konkurrenten Tinder werden dem Nutzer Profilbilder anderer Nutzer aus der Umgebung angezeigt. Mit einer Wischbewegung nach rechts gibt man zu erkennen, dass einem das angezeigte Profil gefällt und mit einer Wischbewegung nach links gefällt einem das Profil nicht. Finden sich beide Nutzer gut, gibt es ein sogenanntes Match und ein Flirt kann beginnen.

Lovoo geht sogar noch einen Schritt weiter: Bei Lovoo sieht man, anders als bei Tinder, die "Gefällt mir" Angaben, auch ohne vorheriges Match. Zudem gibt es einen Flirt-Radar, wo für die Nutzer sichtbar gemacht wird, welche anderen Nutzer sich in naher Umgebung befinden. Damit eine solche App attraktiv für Nutzer bleibt, benötigen die Portale ständigen Nachschub an attraktiven Profilen, denn Geld wird erst durch "In-Credits" und "Vip-Abos" verdient, dass heißt, wenn Nutzer gewisse Zusatzoptionen buchen.

Lovoo arbeitet dabei nach Informationen mit unechten Nutzerprofilen

Zweifellos muss gesagt werden, dass es tatsächlich eine Menge an realen Nutzern und erfolgreichen Partner-Vermittlungen auf Lovoo gibt und gegeben hat. Dennoch scheint es viele zumindest  äußerst zweifelhafte Profile zu geben. So wurden bei einem Test-Account des C´t-Magazins zahlreiche positive Bewertungen an den Account von angeblich flirtwilligen Nutzerinnen getätigt, jedoch meldete sich nicht eine Einzige auf eine daraufhin verfasste Nachricht zurück. Und das ist kein Zufall!

Fake-Profile geben automatisiert "Gefällt mir" Angaben ab

 Offensichtlich steckt System dahinter. Die Dokumente die dem C´t-Magazin vorliegen geben wieder, dass Lovoo bereits seit zwei Jahren mit erfundenen Profilen arbeitet. Das Projekt nennt sich "Tu Gutes". Danach hat Lovoo selbst Profile von nicht realen Nutzerinnen angelegt. Diese gaben dann automatisiert positive Bewertungen bei männlichen Lovoo-Nutzern ab. Aus einer der internen Mails eines Lovoo Mitarbeiters stammt folgende Aussage: "Ich werde aller paar Stunden ca 30 Profile anlegen und die 1 - 2 Stunden lang alle paar Minuten 100 mal voten lassen."

Dazu verwendet Lovoo offensichtlich eine Software, die Profilbilder von Lovoo-Nutzerinnen aus anderen europäischen Ländern für deutsche Fake-Accounts nutzt und einsetzt. Zudem zeigt sich aus den Dokumenten, dass auch Profilbilder aus anderen Flirt- und Dating-Plattformen ausgelesen und verwendet werden. Die Fake-Profile generieren sogar eigene "Über mich" Profil-Texte. Die Software kann dabei zudem eine Wahrscheinlichkeit generieren, wer von den Nutzern am ehesten bereit ist, für die Dienste der Plattform zu zahlen.

Der Clou dahinter: Männliche Lovoo-Nutzer ohne kostenpflichtigen VIP-Zugang erhalten keinen Einblick in die Profilbesuche der eigenen Seite. Aber gerade die Profilbesuche wecken die Neugier der Nutzer. Nutzer ohne VIP-Zugang sehen lediglich, dass jemand sein Profil besucht hat, nicht aber wer genau. Die Neugier wächst also, je mehr Besucher auf der eigenen Seite sind.

Wahnwitzig dabei: Sogar App-Prüfer von Apple sollten durch rund um den Apple-Firmensitz platzierte attraktive und äußerst züchtige Profile milde gestimmt werden. So sollten die strengen Altersfreigaben von 17 verhindert werden.

Lovoo-Nutzung kann ein teures Vergnügen sein - Gewinn mit Fake-Profilen

Da das Freischalten eines Besucherinnen-Profils den männlichen Lovoo-Nutzer Geld kostet (immerhin fast 26 Cent pro Profil), machen sich die "Gefällt mir" Angaben von nicht existenten Nutzerinnen überaus bezahlt. Auch bei der sogenannten Match-Funktion und den Chat-Nachrichten können Kosten anfallen, wenn man als Nutzer wissen möchte, wer das eigene Profilbild als attraktiv empfunden hat oder man dem anderen Part Nachrichten zustellen will. Bis zu 60 Cent können so als Gebühr anstehen - Pro Profilbild oder Nachricht versteht sich. Auf diese Art machte Lovoo am Tag rund 5000 Euro Gewinn und hochgerechnet gut 1,8 Millionen Euro Umsatz im Jahr.

Eine Jahres-Mitgliedschaft kostet bei Lovoo 70 Euro. Die monatliche Mitgliedschaft 12 Euro. Wer den Dienst ohne Abo nutzt, für den kann es teuer werden. Im Test kostete die Nutzung auf diese Weise schnell 30 Euro, sollte man die jeweiligen Nutzerinnen-Profile einzeln "freischalten" wollen.

2013 wurde das "Tu-Gutes-Programm" kurzzeitig beendet und die Einnahmen sanken innerhalb einer Woche von 65.000 Euro auf 50.000 Euro.

Mails belegen - Nur engster Kreis bei Lovoo eingeweiht

 Aus den Dokumenten geht auch hervor, dass man sich innerhalb des Unternehmens sehr wohl über die Brisanz der Fake-Profile bewusst war. So heißt es in einer womöglich von Lovoo-Chef Bejamin Bak verfassten internen Mail,: "Wichtig auch, dass die anderen Entwickler da nicht eingebunden werden, es ist ein heikles Thema." In einer anderen Mail heißt es: "Nur für den engsten Kreis. Für alle anderen muss es normal aussehen."

Lovoo sieht Inhalt der Recherche als Falsch an

 Konfrontiert mit den Vorwürfen ließ Lovoo über einen Rechtsanwalt mitteilen, dass die Vorwürfe jedweder Grundlage entbehren würden und die Recherchen schlicht falsch seien. Dennoch scheint es, dass Lovoo laut C´t-Magazin damit begonnen habe, Profile von der Seite zu entfernen.

In ähnlichen bekannten Fällen, haben Konkurrenten in der Vergangenheit einstweilige Verfügungen erwirkt, da durch die Fake-Profile Nutzer in die irre geführt wurden und das Unternehmen wettbewerbswidrig gehandelt hat. Neben der Verletzung von allgemeinen Persönlichkeitsrechten könnte hier auch der Straftatbestand des Betrugs erfüllt sein. Danach wird bestraft, wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält. Auch könnte eventuell ein Fall des Computerbetrugs nach § 163 a StGB gegeben sein.

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