Ärzte im Rettungsdienst – Echte Selbstständigkeit ist möglich

Soziales und Sozialversicherung
11.11.2016375 Mal gelesen
Über den sozialversicherungsrechtlichen Status der Ärzte im Rettungsdienst wird im Anschluss an ein Urteil des LSG Mecklenburg-Vorpommern zur Zeit heftig gestritten.

Das LSG hatte in einem Einzelfall festgestellt, dass ein Notarzt im Rettungsdienst nicht, wie vertraglich gewollt, selbstständig, sondern sozialversicherungspflichtig beschäftigt war (LSG Mecklenburg-Vorpommern - Urteil vom 28.04.2015 - L 7 R 60/12). Daraufhin haben zahlreiche Stimmen, insbesondere in den Medien, ein allgemeingültiges Verbot der Selbstständigkeit verkündet. Diese Meldungen waren unzutreffend.

vgl. Scheinselbstständigkeit von Notärzten: Was ist erlaubt, was ist verboten?

Selbstständigkeit im Rettungsdienst ist möglich

Das Sozialgericht Berlin hat in einem Urteil vom 31.05.2016 ausdrücklich festgestellt, dass ein Arzt, der für ein Kranken- und Notfalltransportunternehmen im Rahmen von Rückholdiensten tätig war, nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung unterlag. Das Urteil ist nach unserem Kenntnisstand allerdings noch nicht rechtskräftig.

Für die Entscheidung beruht im Wesentlichen auf folgenden Gründen:

Der Arzt war überwiegend nicht in den Betrieb des Unternehmens eingegliedert. Seine Haupttätigkeit bestand in der Durchführung von Flugtransporten in angemieteten Maschinen, die nicht seinem Auftraggeber gehörten. Außerdem wurde er im bodengebundenen Rettungsdienst bei etwa 10% der Einsätze beauftragt, die übrigen Einsätze erfolgten ohne Arzt. Er trug in der Regel eigene Kleidung. Funktionskleidung wurde nur in seltenen Einzelfällen gestellt. Seine Grundausstattung brachte er zu den Einsätzen selbst mit. Die Vorbereitung der Einsätze (Durcharbeiten medizinischer Unterlagen, Zusammenstellung von Gerätschaften und Medikamenten) erledigte er nicht in einer Betriebsstätte seines Auftraggebers. Er konnte frei entscheiden, ob er einen Auftrag annimmt oder nicht. Er war in keinen Dienstplan eingebunden und brauchte sich auch nicht mit Mitarbeitern des Auftraggebers abzustimmen. Dies spreche - so das Gericht - für eine Selbstständigkeit.

Diese sei von beiden Parteien auch ausdrücklich gewollt gewesen. Die Vertragsparteien könnten den sozialversicherungsrechtlichen Status zwar nicht frei bestimmen. Wenn eine Abwägung aller in Betracht kommenden Merkmale jedoch sowohl für oder gegen Selbstständigkeit sprechen, gebe der Parteiwille den Ausschlag.

SG Berlin - 31.05.2016 - S 76 KR 889/15 (noch nicht rechtskräftig)

Die Entscheidung wurde bislang nicht veröffentlicht, kann aber beim Gericht angefordert werden.

Das Urteil zeigt, dass es eine allgemeinverbindliche Festlegung, wonach die selbstständige ärztliche Tätigkeit im Rettungsdienst generell Schwarzarbeit sein soll, nicht gibt. Maßgeblich sind immer die jeweiligen Umstände des Einzelfalles.


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